Praxis
Harte Schale, harter Kern?
Wer heutzutage als Deejay einsteigt, hat die Wahl zwischen digitalen und physischen Medien. Er kann sein Setup komplett aus MP3- oder Wave-Dateien aufbauen, doch alte Hasen wissen: es war nicht immer so. Wer bereits länger im Geschäft ist, wird wahrscheinlich sein Studio von Silberlingen und Vinyls belagert finden. Selbst Neueinsteiger setzen zum Teil auf CD oder Vinyl (ja, es gibt sie noch, die Plattenläden – nur halt nicht überall), weil ihnen ein Computer im Club zu anfällig ist. All diejenigen wird es freuen, dass Numarks Babe als reguläres Mischpult arbeiten kann, ganz ohne PC im Nacken. Das macht den Kandidaten wiederum auch als Universallösung für Betreiber kleinerer Clubs oder Bars sehr interessant, denn so sind sie für jeden Fall gerüstet. Egal, ob der DJ mit Vinyl oder CD auflegt oder eine DJ-Software einsetzen will, kann er im laufenden Betrieb zwischen den diversen Audiosignalen umschalten. In Traktor macht sich das auch am Bildschirm bemerkbar, indem das Deck auf Live-Input schaltet, obwohl hier tatsächlich erst einmal kein Live-Signal anliegt. Beim NS6 wurde dies im Übrigen durch eine graue Wellenform dargestellt, die ein Muting des Softwaredecks repräsentieren sollte. Unter Traktor Pro stört mich, dass die Decks nach einem Live-Input immer auf Track-Decks zurückschalten, auch wenn zuvor Sample-Decks genutzt wurden. Im Gemischtbetrieb ist mir zudem aufgefallen, dass die Verstärkerstufen etwas besser aufeinander abgestimmt sein könnten. Dies betrifft natürlich nicht die separat in der Software aussteuerbaren Traktor-Decks, sondern vielmehr CD und Phono, die ein paar dB voneinander abweichen und durch den „Gain“-Regler anzugleichen sind. Außerdem hätte es dem Kandidaten sehr gut zu Gesicht gestanden, hätte Numark ihm analoge Filter spendiert.
Klang
Das integrierte USB-Audio-Interface (2-In/4-Out) arbeitet sowohl am Mac als auch am PC mit einer Bittiefe von maximal 24 Bit und einer Sampling-Frequenz von 44,1 kHz. Hier hätte es für mich, vor allem unter Betrachtung eines Harddisk-Recordings oder einer Digitalisierung von Schallplattenschätzchen ruhig mehr sein dürfen. Die symmetrischen Outputs versorgen meine Studio-PA mit einem hohen Ausgangspegel, der 4TRAK kling detailliert und kraftvoll. Auch die Monitorboxen (über Cinch angesteuert) bestätigen diesen Eindruck. Numarks Phono-Preamps arbeiten ebenfalls sauber, was ihr den nachstehenden Audiofiles entnehmen könnt.
Zwei Mikrofonbuchsen sind an der Rückseite platziert. Das macht Sinn, denn meistens steht der DJ ja hinter den Sängern oder Rappern. Die Vorverstärker zeigen ein ziemlich geringes Eigenrauschen und klingen natürlich, jedoch lassen sie sich nur alternativ zu den Line-Inputs C und D nutzen, da ihnen kein eigener Mikrofonsubkanal zuteilwurde. Allerdings bietet diese Art der Umsetzung den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass ihnen das gesamte Regelwerk der Kanalzüge zur Verfügung steht, was im Standalone-Modus einen Dreiband-EQ nebst Gain bedeutet. Und sie können vorgehört werden. An dieser Stelle möchte ich vorwegnehmen: Unter TSP2 ist es mir zum Testzeitpunkt (Stand 22.04.12) leider nicht möglich, die externen Signale als Live-Input durch die Effektsektionen oder isoliert in den Loop-Recorder zu jagen. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass sämtliche externen Audioquellen gekoppelt über den (einzigen) Input-Stream 1/2 ausgegeben werden. Betrachtet man die analogen und digitalen Möglichkeiten jedoch in der Summe, ist der 4TRAK sicherlich auch für das Webcast-Studio, für Tanzlokale, die ihre angesammelten Vinyls und CDs ebenfalls nutzen wollen oder für die mobile Diskothek eine Option.
Performance
Ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass wohl kaum jemand sich den 4TRAK ausschließlich wegen seiner analogen Mischpult-Funktion zulegen wird. Also ziehen wir gleich mal die Installation der ASIO/Core-Treiber durch und aktivieren den Probanden mittels weniger Klicks im Setup-Wizard, um seine MIDI-Controller-Seite auf Herz und Nieren zu prüfen (Neulinge spielen zuvor die 4TRAK LE Fassung auf, legen ein Benutzerkonto bei Native-Instruments an und aktivieren ihre Software online über das Service-Center). Nachdem das Gerät unter Beteiligung des Setup-Wizards eingebunden wurde, erfolgt die Vorhöre wie üblich auf den Kanälen 3 und 4, der Master wird über die Kanäle 1 und 2 ausgegeben. Von Haus aus taktet der 4TRAK am MacBook bei 35,6 Millisekunden ein (11,6 ms Processing, 24 ms Output), womit er definitiv keinen Performance-Rekord aufstellen würde, was aber vom Standpunkt Betriebssicherheit erst einmal in Ordnung ist. Solange keine Handlungen ausgeführt werden, bei denen die Bedienung in gefühlter Echtzeit erfolgen muss, lässt sich durchaus gut mit diesen Einstellungen arbeiten. Ich habe die ersten Proberunden mit der vorgegebenen Latenz gedreht, ohne dass mich die Verzögerungszeiten allzu sehr störten. Wer Chartbuster, Metal, Disco, Latin oder dergleichen auflegt, den wird das eh nicht sonderlich kratzen.
Wer indes ausgiebig FX, Samples und Loops einsetzt und zeitkritische Aktionen ausführt, in denen ein Echtzeitgefühl unabdingbar ist (Scratchen und Cue-Juggling), wird sich damit nicht zufriedengeben wollen. Überraschenderweise bleibt es bei 11,5 ms Gesamtlatenz, selbst wenn ich den Puffer auf die niedrigste Einstellung von 64 Samples (OS X) umstelle (1,5 ms Processing, 10 ms Output).
Am Win7-Notebook (Core i5, 4 GB) wurden folgende Werte festgestellt:
Standard: 256 Samples – 32,6 ms (5,8/26,8)
Minimal: 49 Samples – 12,3 ms (1,1/11,2)
Im anschließenden Mixmarathon konnte ich den 4TRAK auf 128 Samples locker betreiben, wobei festzuhalten ist, dass es während der zweistündigen Performance nicht zu Audioaussetzern kam. Das Handling mit Loops und Effekten kann man getrost als ziemlich „direkt“ beschreiben, das Bundle läuft stabil und zuverlässig. Wer mag, hält seine Performance mittels Tastendruck auf „Record“ für die Nachwelt fest.
Traktor Pro
Traktor Pro möchte ich an dieser Stelle nicht zu ausführlich behandeln, sondern mich lieber auf den Funktionsumfang im Zusammenhang mit der Steuerkonsole beschränken, denn einerseits könnt ihr einen ausführlichen Test hier lesen, ferner steht schon im Mai ein Update auf Traktor 2.5 an, welches mit einigen neuen Features aufwarten wird. Numark 4TRAK-Edition dirigiert maximal vier Track-Decks. Ferner stehen ihr zwei von vier FX-Racks im verketteten Modus sowie ausgiebige Mixer- und Loop-Funktionen zur Verfügung. Sample-Decks oder die Scratch-Kompatibilität für Timecode-Medien lassen Software und Konsole vermissen, was nicht weiter verwundert, da Native Instruments eigene Controller und Interfaces baut. Aber ehrlich gesagt, wer kein eingefleischter DVS-Freak ist, kann mit diesen tollen Jogwheels auch ohne Vinyl eine anständige Performance hinlegen.
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Navigation
Was mir beim 4TRAK gut gefällt ist das Handling der Musikbibliothek. Numark verbaut drei Tasten, die einen Direktzugriff auf die Baumstruktur, Playlisten und Favoritenlisten erlauben. Gescrollt wird mit dem Push-Encoder, potenzielle Unterordner öffnen sich per „Push“, und der DJ kann tiefer in die Verzeichnis-Hierarchie eindringen. Möchte er dann in die Titelliste springen, betätigt er den „Song“-Button. In die Favoriten geht’s mit „Favourites“. Mittels „View“ lassen sich die Layouts der grafischen Benutzeroberfläche durchschalten. Prima.
Aufmerksame Beobachter unserer DJ-Controller Tests haben vielleicht schon von der Strip-Search-Technik des NS6 gelesen, die in ähnlicher Form auch an den aktuellen Topmodellen von Pioneers MIDI-Flotte zu finden ist. Der berührungsempfindliche Streifen ermöglicht die Navigation in einem Musikstück, welches zu diesem Zweck auf die Länge des Ribbon-Controller gelegt ist. Eine LED-Kette dient als zusätzliche Orientierungshilfe bei der Navigation und bei der Wiedergabe eines Titels. So kann man schon mit einem Blick auf die optischen Positionsindikatoren feststellen, wann ein Track dem Ende naht, ohne auf das Laptop schielen zu müssen.
Der DJ betätigt die Shift-Taste und kann dann durch Aufsetzen und Bewegen des Fingers mehr oder weniger gezielt in der Wellenform wandern. Dies ist zwar nicht so genau wie ein physischer Needledrop, aber wer einen Frame exakt anfahren möchte, verwendet sicherlich eher Hotcues. Und eben diese lassen sich auch unter Zuhilfenahme des Ribbon-Controllers anlegen, wenn man sich mittels Fingertipp der gewünschten Position annähert, um dann mit dem Jogwheel die exakte Stelle anzufahren und einen Cue-Punkt oder Loop zu setzen. Mir gefällt dies besser, als mit der Maus im Deck rumzuklicken oder ellenlang am Teller, einem Encoder oder an Search-Tasten rumzudoktern. Ob es ideal ist, diese Funktion von Haus aus über Shift anzusteuern, sei dahingestellt. Mir persönlich jedenfalls gibt dies die willkommene Möglichkeit, den Strip mit einer anderen Erstfunktion zu belegen.
ABCDCABD
A-B-C-D, so lautet die Reihenfolge der Decks in Traktor. C-A-B-D hingegen ist das Layout des Mixers. Auch wenn manche DJ-Software in dieser Hinsicht eine andere Philosophie spricht, hat dies durchaus seine Existenzberechtigung. Betrachtet man nämlich die beiden oberen Decks in TSP2 als die Hauptdecks, finden sich diese zentral in der Mitte des Mischpults wieder. Die sekundären Decks C und D bilden die Flanken. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, bedeutet dies aber auch: Arbeitet ein DJ-Team simultan am 4TRAK, entspricht die Verteilung dem Layout der Software. Wer auf der rechten Seite steht, bedient analog zur rechten Screen-Hälfte die Player B und D. In elektronisch verwurzelten DJ-Sets, gerade wenn der Protagonist mehr als zwei Decks bedient und Samples abfeuert, ist die Sync-Taste ein willkommener Helfer. So auch im Team-Battle in Traktor 4TRAK-LE. Ferner lässt sich mit der Taste „Set-Master“ das taktangebende Deck festlegen, zu dem alle „Slaves“ synchronisiert werden.
Effektsektionen
Das Effektboard dirigiert zwei FX-Racks. Für jede Unit stehen vier Drehregler und ebenso viele Buttons bereit. Dazu gesellt sich „Mode“, der zwischen Solo (ein Effekt mit drei Kenngrößen) und Gruppenmodus (drei Effekte mit einem kontrollierbaren Parameter) umschaltet – allerdings nur in Traktor Pro. LE-User kommen ausschließlich in den Genuss des verketteten Modus. Ferner stehen ihnen lediglich sechs von insgesamt über 30 FX-Programmen zur Auswahl. Ebenfalls an der Aufsteckleiste sind die Bedienelemente für die bipolaren Kanalfilter der Software untergebracht. Nachstehend einige Audiobeispiele dazu.
Looping und Achterbahnfahrten
Neben manuellen Loops, deren Start- und Endpunkte „In“ und „Out“ setzen, sind automatische Schleifen mit an Bord. „Auto1“ setzt einen 1-Beat-Loop, „Auto4“ ist dementsprechend selbsterklärend. Via Shift sind zudem 2-, 8-, 16- und 32-er Schleifen zugänglich. Die Taste Auto hingegen setzt immer einen Loop in der zuletzt aktiven Länge. Auch an „Divider“-Tasten mangelt es nicht. „/2“ halbiert und „*2“ verdoppelt den Zyklus ausgehend vom Startpunkt. Dazu gesellen sich zwei „Move“-Tasten, die den gesamten Loop anhand einer vorgestellten Länge in der Wellenform versetzen. Etwas schade finde ich, dass beim vorliegenden Mapping Loop und Bewegung im Umfang aneinander gekoppelt sind, wenngleich dies auch unabhängig voneinander geschehen könnte, ja sogar Einsprungs- und Endpunkte passend zum Taktraster verschoben werden können. Aber das ist wohl eher ein Fall für individuelle Mappings. Aktiviert der DJ BEATJUMP, versetzt er nicht den Loop, sondern stattdessen die virtuelle Nadel beatsynchron. Trotz der erwähnten Einschränkung bekommt der Käufer auch in der LE-Version allerhand für das kreative Beatmashing unter die Finger. Was mich ein wenig stört, ist der temporäre Zustand des Shift-Buttons. Für Zweitfunktionen muss er festgehalten werden, was sich mittels MIDI-Konfiguration allerdings umgestalten lassen sollte.
An dieser Stelle heimst das Bundle noch ein dickes Plus ein, denn die 4TRAK-LE besitzt eine MIDI-Learn Funktion, die es geneigten Anwendern erlaubt, eigene Konfigurationen vorzunehmen.
Bevor es nun zum Fazit geht, noch eine Anmerkung: Im Zuge der Neuausrichtung der Traktor-Palette kam es zu einer Preissenkung von satten 50 Prozent. TSP2 kostet aktuell im Online-Store 99 Euro und wäre ein empfehlenswertes Update.
David sagt:
#1 - 23.07.2012 um 12:26 Uhr
An dieser Stelle mal einen großen Applaus für den Autor Peter Westermeier! Wirklich bemerkenswert, mit welcher Ausführlichkeit, Struktur und klarer Sprache er die Testberichte verfasst. Für mich eine wohltuende und positive hervorstechende Ausnahme im www. Kompliment!