PRAXIS
Irgendwie beschleicht einen beim Gang in den App-Store, um auf der Seite von Algoriddim die djay-App für sportliche fünfzehn Euro zu kaufen, das ungute Gefühl einer Mogelpackung. Steht nicht in großen Lettern auf der Verpackung: „DJ System für iPad, iPhone und iPod-touch“? Ja, das steht da und ein System ist per Definition eine „Einheit aus technischen Anlagen, Bauelementen, die eine gemeinsame Funktion haben“ (Duden). Und eben nicht eine Komponente, die erst durch das Dazukaufen einer weiteren Komponente funktionsfähig wird. Mir mag das als Tester egal sein – als Patenonkel oder -tante steht man aber erstmal da wie eine halb volle Packung Schoko-Bons und überlegt, ob man den Rackern wirklich seine Kreditkarte anvertrauen soll, um das gut gemeinte Geschenk komplettieren zu können.
Zugegebenermaßen ist Algoriddims „djay“ (hier übrigens im Test mit Vestax Spin) neben „Sonorasaurus Rex“ von Pajamahouse Studios die wohl beste DJ-Applikation, die es derzeit für das iPad gibt und für sich genommen eine durchaus sinnvolle Investition. Nicht ohne Grund hat sie den Apple-Design-Award bekommen, steht in den Top-10 der meistgekauften Apps und huscht an prominenter Stelle im Apple-Werbespot durchs Bild. Trotzdem oder gerade deshalb würde es einen wesentlich runderen Eindruck machen, hätte man sich bei Numark und Algoriddim auf einen Bundle-Deal geeinigt und dem iDJ Live eine entsprechende Lizenz beigelegt.
Hat die App ihren Platz im Speicher des iPad gefunden, gestaltet sich die Kommunikation mit dem Numark-Controller kinderleicht: Einstöpseln und Sekunden später zeigt ein kurz eingeblendetes Numark-Logo, dass die Verständigung zwischen iDJ Live und Software klappt. Das funktioniert sogar im laufenden Betrieb!
Die Bedienelemente des iDJ Live repräsentieren eins zu eins die Funktionen der Software und sind komplett vorgemappt. Eine Änderung durch den Benutzer ist dabei zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Das ist schade, denn für bestimmte Funktionen (wie zum Beispiel das Vorhören eines Kanals) muss man dann doch auf die Glasscheibe tippen, um sie zu aktivieren. Hier liegt ein weiterer Kritikpunkt, den ich anbringen muss: Die konzeptionelle Daseinsberechtigung des iDJ Live steht auf recht wackeligen Füßen, da sich im Kern alle Bedienvorgänge bestens über das iPad selbst erledigen lassen. An drei Stellen ergeben sich durch die vom iDJ Live bereitgestellten Bedienelemente dann allerdings doch Vorteile gegenüber der reinen Touch-Bedienung. Allen voran sind das die beiden Jogwheels: Sie liefern eine im Vergleich zum Scratchen am Bildschirm geringfügig feinere Auflösung. Auch die EQ-Sektion profitiert von den dedizierten Reglern. Möchte man sie nämlich in der Software bedienen, ist jeweils ein zusätzlicher Tastendruck erforderlich, um in das EQ-Untermenü zu gelangen (mal ganz abgesehen davon, dass dann das Einblendmenü die Hälfte des virtuellen Plattentellers verdeckt). Nicht zuletzt bietet der reale Crossfader nach wie vor eine präzisere Kontrolle als der virtuelle Slider am Bildschirm – hier ist das Prinzip des manuellen Wechselspiels zwischen Daumen und Zeigerfinger einfach unschlagbar.
Wenn ich mal einen Blick über den Tellerrand werfen darf, sehe ich dort beispielsweise einen Gemini Firstmix oder einen Herkules DJ Control MP3 E2. Letzter hat nicht nur doppelt so viele Bedienelemente an Bord, sondern versteht sich dank USB-Schnittstelle auch mit jeder DJ-Software dieser Welt. Zusätzlich bringt er quasi eine Vollversion von Virtual DJ 3 mit und das zu einem günstigeren Kurs als iDJ Live – aber eben nicht auf dem iPad. Dass der Peripheriemarkt für das hübsche Apfel-Flachbrett aus Edelleuten Bettler machen kann, weiß man spätestens dann, wenn man für die Neoprentasche – die bei Wald- und Wiesen-Netbooks für sieben Euro zu haben ist – fünfundzwanzig Taler aus dem Säckel kramen muss.