Praxis
Softwareinstallation
Zu meinem Bedauern gelang der erste Installationsversuch mit einem X2 Acer-Aspire Notebook nicht. Auch die Installation aktueller Treiber beider Hersteller half nicht. Die Browser-Sektion am Turntable fordert in eindeutigem Rot zum Laden von Tracks auf, die auch von der Software abgespielt werden, aber leider mit der internen Notebook-Audiokarte. Alle Bemühungen verlaufen im Sande, keine Spur vom V7-Sound. Dazu ein Exzerpt aus Seratos Website:
„Due to the number of reports we have heard of this problem we do not support machines with Turion or Athlon processors for use with Serato ITCH. Even a machine that meets the minimum spec but has a Turion / Athlon processor can cause significant issues with USB audio hardware.”
(Stand: 19.03.10)
Doch nicht nur bei AMD-Systemen, sondern auch bei core i3-, core i5- und core i7-Rechnern tauchen Probleme auf. Bitte besucht im Vorfeld die Website und informiert euch bei Bedarf, ob eure Hardwarekomponenten anstandslos unterstützt werden. Eine Anmerkung sei mir an dieser Stelle gestattet: Unter Traktor funktioniert das Soundinterface ohne weiteres. Hier gibt’s allerdings Probleme beim Mappen des Plattentellers. Einen Standard-MIDI-Kompatibilitätsmodus gibt es nicht.
Nachdem an der Hardware die Deckposition eingestellt ist (bei mir rechts) und der Betriebsschalter auf USB, steht kann es losgehen. Eine Dateianalyse kann ich mir sparen, denn meine Scratch-Live-Library steht auch unter Itch zur Verfügung. Änderungen werden für beide Programme übernommen. Ich möchte diese Tatsache jetzt nicht überschwenglich loben. Traktor Scratch Pro bietet mir beim Programmaufruf ebenfalls eine stets aktuelle Bibliothek, egal ob ich mit Timecode oder MIDI-Controller arbeite. Ich brauche nicht einmal die Software zu wechseln.
Handling und Workflow
Das Vinyl-Feeling ist, wie soll ich sagen, echt?! Die Single auf der Slipmat würde mir sicherlich beipflichten. Und das Scratchgefühl? Zunächst muss ich sagen, dass weder Itch noch Mac sich sonderlich beeindruckt zeigen, als ich die Latenz auf 2 ms einstelle. Beim Kratzen kann ich keine Verzögerungen spüren, was sicherlich auch am schnellen hauseigenen Protokoll beim Datenaustausch liegt. Einzig die Umstellung von 12 auf 7 Inch könnte manchen zunächst verunsichern, ist jedoch schnell adaptiert. Das findet auch mein Scratch-erfahrener DJ-Kollege Tobi. Er betonte jedoch, er würde definitiv lieber mit einer zweiten physischen Einheit arbeiten. Eins noch: Kratzer auf der Platte machen höchstens der Optik zu schaffen, nicht jedoch der Wiedergabe. Hah, das ist doch klasse!
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Serato erhört die Wünsche vieler Anhänger und implementiert endlich Taktsynchronisation. V7 bekommt das neue Feature über SHIFT eingepflanzt. Wir nehmen dies zum Anlaß, einen Testlauf hinsichtlich der Beatmatch-Performance im Betrieb mit nur einer V7 Einheit zu fahren. Zunächst zeigte sich, dass die interne Tempoanalyse sehr präzise arbeitet. Das Handling ist jedoch anders, als etwa beim Berliner Pondon. Hier genügt es nicht, einfach auf einen SYNC-Button zu drücken. Tempo- und Beatanpassung werden separat gesteuert. Ganz Serato-like wird also einmal Sync betätigt, um das Tempo anzupassen. Anschließend drückt der DJ den selben Button in Kombination mit der SHIFT-Taste erneut und schubst so den Beat des Tracks in den Wiegeschritt. Das klappt auch in den meisten Fällen, die Umsetzung ist natürlich Geschmackssache. Auf Knopfdruck erlischt der Gleichlauf und das File läuft wieder im Originaltempo.
Natürlich ist der Workflow unter Verwendung eines Numark V7 anders als beim klassischen Doppel-Turntable-Setup. Keine Frage. An manchen Stellen ist der DJ hier sogar schneller, zum Beispiel wenn er einen Track nach dem anderen in kurzen Intervallen abfeuert. Trotz Vinylfeeling entfällt der Griff zur Plattenkiste, das „Crate-digging“ und der physische Wechsel zwischen den Einheiten und Schallplatten, samt Tonarmauflegen und Positionierung. Und egal, ob man gerade mit dem Plattenteller, dem Temposchieber, den Pitchbend-Buttons oder der Autosynchronisation arbeitet, nachreguliert wird seit jeher meist nur an einem Teller. Das geht mit dem V7 genauso effektiv. Sollte man doch zum andern Layer wechseln müssen, geschieht das per Deckswitch in Nullkommanix. Etwas anders gestaltet sich die Sachlage bei der Verwendung von Loops und FX. Da Loops beatsynchron sein können und Effekte zum Teil im Takt modulieren, ist es keine Herausforderung, einen laufenden Song zu beackern. Für wuchtigere Mixe und Mashups mit doppelseitig laufenden Loops und zeitkritischen Effekten sollte man sich aber zwei Einheiten anschaffen. Sie bringen nicht nur mehr Komfort sondern auch erhöhte Übersichtlichkeit und vor allem simultanen Zugriff auf beide Kreativabteilungen.
Loops und Cues
V7 lässt dem DJ die Auswahl zwischen manuellen Schleifen und der automatischen Variante. Autoloops werden auf Basis der BPM-Analyse gesetzt. Zur Vorauswahl stehen Loop-Längen von einem, zwei, vier oder acht Beats, die per Taster halbiert oder verdoppelt werden. Wer´s kürzer mag, benutzt bei aktiviertem Autoloop IN und OUT. Auch das Verschieben des gesamten Audiozyklus im laufenden Betrieb ist möglich. SHIFT LEFT oder RIGHT versetzt die Schleife, allerdings immer um ihre eigene Länge. Die Loopsektion ist übersichtlich und gut strukturiert. Ich persönlich bevorzuge aber für diesen Zweck lieber Encoder. Gleichwohl haben beide Lösungen ihre Vorteile im Workflow. ITCH ist bei der Plazierung von Auto-Loops taktgenau. Ein Beatversatz im Mix mit einem zweiten Song ist aber nicht ausgeschlossen. Das liegt manchmal an der Interpretation des Downbeats, in der Praxis aber häufiger an der Auswertung von Benutzerinteraktionen beim Upscaling der Looplängen.
Mit Version 1.5x kommen auch V7-User in den Genuss der Loop-Roll-Funktion. Diese setzt eine nahtlose Schleife. Der Song läuft quasi im Hintergrund weiter, ähnlich wie beim Bleep-Reverse. Beendet man den Loop, setzt die Wiedergabe des Tracks unmittelbar an der Stelle ein, wo er sich ohne Schleifenauslösung befunden hätte. SHIFT plus 1, 2, 4 oder acht 8 lösen Rolls in den Längen 1/8, 1/4, 1/2, 1 Beat aus. Das macht richtig Spaß und lässt sich gut von der Hardware aus steuern, auch wenn die Hand am Umschalter wegfällt. Loop-Roll mit zeitgleicher Effektmodulation ist so nur für DJs mit zusätzlichen Gadgetto-Armen möglich. Diese vier festgelegten Schleifenwerte weisen einen hohen Wiedererkennungsfaktor in der Rhythmik auf. Recht einprägsame Ergebnisse lassen sich allein schon durch mehrfaches Wechseln der Intervalle erzielen. Ein Beispiel:
Spiels noch einmal Sam…
Wiederholung bedeutet nicht zwangsläufig „Looping“. Über den bemerkenswert großen Start-, Cue- und Sync-Buttons, die man gerade in dunklen und hektischen Situationen nicht mehr missen möchte, liegen fünf Hotcues, die nach Stutter-Effekten und Cuejumping geradezu schreien. Ob die hardwaregetriggerten Markierungen automatisch gespeichert werden, verrät das Handbuch nicht. De fakto standen sie auch nach einem Neustart zur Verfügung. Gut so. Falls im Eifer des Gefechtes der Gedanke und die ausführende Hand unter einer gewissen Latenzbehaftung leiden, löscht Delete die „heißen Stellen“ genauso leicht, wie sie gesetzt wurden. Alternativ macht sich der DJ in einer ruhigen Minute an die Korrektur im ITCH-Offline-Editor. Die horizontale Anordnung und die Positionierung direkt unter den Plattentellern ist geglückt und wird Scratch- und Club-DJs gleichermaßen zufriedenstellen, denn die Taster wechseln in Windeseile zwischen den Cues. Heißer geht’s kaum, ein wenig größer aber schon. Ach ja, zwei Buttons mehr fände ich auch nicht schlecht…
MIDI-Learn und Remapping
Ich mach das Fass auf, weil es mich einfach stört. Eine Lernfunktion ist in ITCH nicht vorhanden. Der Käufer ist also von der Vorkonfiguration der Hersteller abhängig und kann weder Keyboard-Shortcuts noch die Hardwarebelegung nach eigenem Ermessen anpassen. Die Argumentation, dass das vorliegende Layout und die aktuelle Konfiguration für jeden perfekt sei, würde ich als „subjektiv“ einstufen. Vielleicht gibt es ja in gar nicht so ferner Zukunft eine kostenpflichtige Fassung mit Upgrademöglichkeit vom Beipack-Itch, die erweiterte Funktionalität und userspezifische Anpassungen von internen und externen Komponenten integriert. Verkehrt wäre es meiner Meinung nach nicht.
Effekte
Sie sind im Serato-Lager angekommen, wenn auch zunächst nur für „Itcher“. Scratch Live-Anwender begnügen sich noch mit der „Public Beta“. Die Effektabteilung am Numark-Player besteht im Grunde aus vier Bedienelementen. Das ist etwa die Hälfte der Regler, die man an einem adäquaten Traktor-Controller benötigt oder soll ich lieber sagen zur Verfügung hat? Ein Encoder durchsucht die Kollektion und aktiviert niedergedrückt die aktuelle Auswahl. Die Softwareoberfläche zeigt den aktuellen und den nächsten Effekt an. Erkenntnis: Der DJ kann immer nur einen Effekt pro Deck anwenden. Von Effektverkettung a´ la VFX-1 oder Traktor Pro noch keine Spur.
Numark verbaut einen Fader statt des sonst üblichen Dry/ Wet-Potis zur Steuerung der Effektintensität. Zur Parametersteuerung dient ein Endlosdrehregler. Hält man sich vor Augen, dass manche Effekte temposynchron modulieren, ist die Wahl eines Encoders mit LED-Kranz eine gute Lösung, denn jeder Indikator steht im angesprochenen Fall für eine neue Modulationszeit. Das ist cool. Seltsam finde ich nur, das in Mittenstellung nicht ein voller 1/1 Beat sondern 3/4 gewählt wurde. Aber was soll´s. Wir wollen ja nicht päpstlicher sein als der Papst.
12 Vertreter der FX-Spezies sind an Bord und zwar: Echo, Reverb, HPF, LPF, Phase, Flanger, Tremolo, Repeater, Reverser, Braker und Crusher. Natürlich will ich den Klang der Effekte im Einzelnen nicht vorenthalten. Erfasst wurden sie mangels Itch-Aufnahmefunktion mit dem internen USB-Audio-Interface eines Vestax VCM004-XLU (Link des Test->hier)
Ein paar Worte zu den Effekten…
Das Delay liegt gut im Timing. Echo klingt ein wenig metallisch. Beim Reverb steuert man Anteil und Größe. Das Hochpassfilter gibt sich eher zahm und funktionierte im Test zeitweise nur auf einem Kanal. Das Lowpassfilter klingt recht warm und hinterläßt einen guten Eindruck. Der Phaser macht was her, der Flanger klingt „spacig“, läßt aber ein wenig an Tiefe vermissen. Der Tremolo-Effekt senkt und hebt die Lautstärke des Audiosignal rhythmisch entsprechend der Zeiteinteilungen. Repeater wiederholt das Audiomaterial chancengesteuert. Reverser liefert taktsynchronen Rückwärtslauf im Bleep-Stil anhand eins voreingestellten Intervalls. Braker löst einen Bremseffekt nach festgelegter Trefferquote aus. Crusher ist mit Vorsicht zu genießen, da er schon bei halber Effektintensität zu Audioaussetzern führen kann.
Seratos neue Effektimplementierung ist für den DJ-Einsatz tauglich und klingt im Großen und Ganzen ordentlich, könnte in manchen Punkten aber noch Detailverbesserungen vertragen. Man darf gespannt sein, was sich bis Itch 2.0, das von Nov.09 erstmal auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben wurde, noch tut. Numarks Auslegung der FX-Abteilung weicht vom marktüblichen Standard ab, dennoch geht das hardwareseitige Handling sehr schnell in Fleisch und Blut über. Schön!