Nuno Bettencourt zählt zweifelsohne zu den interessantesten Gitarristen, die in den 90er-Jahren auf der Bildfläche erschienen. Ein Jahrzehnt, das für die Grunge-Welle und den Abgesang auf das „Shreddertum“ steht, aber auch für einige interessante Stilfusionen. Genau in diese Kerbe schlug Nunos Band Extreme, deren zweites Album „Pornograffitti“ eine intelligente Verquickung aus Funk und Metal bildet und ihn zu einem weltweit etablierten Guitar-Hero krönte. Jüngst veröffentlichte die Band ihr sechstes Studioalbum „Six“. Nuno war bereits Protagonist eines Workshops zu „Get the Funk out“ und „Decadence Dance“, dem wir heute einige weitere seiner Riffs und Licks hinzufügen.
Die Biografie von Nuno Bettencourt
Nuno Duarte Gil Mendes Bettencourt wurde am 20. September 1966 im portugiesischen Praia da Vitória geboren und zog im Alter von vier Jahren mit seiner Familie nach Massachusetts. Anfänglich zeigte Bettencourt wenig Interesse an Musik, lernte aber dennoch Schlagzeug, bis sein Bruder Luís ihm das Gitarrenspielen näherbrachte. Bald zeigte er eine große Begeisterung für dieses Instrument und begann nach eigenen Aussagen bis zu sieben Stunden am Tag zu üben. Zu seinen größten Einflüssen zählten Eddie Van Halen, Warren deMartini und Brian May, allerdings interessierte er sich auch für das Songwriting von Acts wie den Beatles, Led Zeppelin, Prince oder Queen.
Nach einem kurzen Zwischenspiel bei der Glam-Metal-Band „Sinful“ erlangte Bettencourt internationale Bekanntheit, als er 1985 der Bostoner Gruppe „Extreme“ beitrat. Vom selbst betitelten Debütalbum schaffte es der Song „Play with me“ auf den Soundtrack des Teeniefilms „Bill and Ted’s Bogus Journey“. 1990 veröffentlichte die Band ihr erfolgreichstes und von Kritikern hochgelobtes Album „Pornograffitti“, das mit Hits wie „More Than Words” oder “Hole Hearted” schnell zum Millionenseller wurde. Die nächsten beiden Alben „III Sides to Every Story“ sowie „Waiting for the Punchline“ zeigten zwar immer noch Nunos exquisites Spiel, konnten aber an den Erfolg des Vorgängers nicht mehr anknüpfen.
1996 löste sich die Band auf und Bettencourt startete mit dem Album „Schizophonic“ seine Solokarriere, während Sänger Gary Cherone bei Van Halen einstieg. Zwischenzeitlich trat Bettencourt als Studio- oder Live-Sideman für diverse Acts wie Janet Jackson oder Rihanna in Erscheinung und produzierte Alben, u. a. für Dweezil Zappa. 2007 fand sich Extreme kurzzeitig für das Album „Saudades de Rock“ zusammen und kehrt nach 13 Jahren Pause mit der neuesten Veröffentlichung „Six“ wieder auf die Bildfläche zurück.
Das Equipment von Nuno Bettencourt
Nunos Hauptgitarre ist eine Washburn N4, eine Superstrat, die mit einem Floyd Rose-Tremolo sowie einem Seymour Duncan 59er in der Hals- und einem Bill Lawrence L500 in der Bridge-Position bestückt ist. Amptechnisch hat Nuno einige Phasen durchschritten. Sein charakteristischer Sound auf „Pornograffitti“ kommt von einem ADA MP-1, einem programmierbaren Röhrenpreamp mit zuschaltbarem Chorus, der durch einen BBE Sonic Exciter geschickt wurde. Von dort ging es in eine McIntosh 2100 Endstufe und anschließend in ein Marshall 4×12 Cabinet mit G12H Lautsprechern. Später zimmerte Randall ihm mit dem NB100 King einen Signature-Amp auf den Leib. Allerdings sieht man Nuno in letzter Zeit primär mit einem Marshall JCM2000 DSL100, den er mit einer ProCo Rat anbläst. Der Phaser-Effekt, den man auf „Rise“ hört, stammt übrigens von einem Freeware PlugIn und wurde in der Postproduktion hinzugefügt.
Der Workshop
Nunos Rhythmus- wie Sologitarrenspiel zeichnet sich durch eine interessante Mischung aus synkopierten, swingenden Rhythmen, dem Einsatz von Chromatik und einer virtuosen Technik aus. Solch ein Spielwitz, gepaart mit diesem brachialen Rocksound war Anfang der 90er noch ein völliges Novum. Solistisch hört man bei ihm ganz klar den Einfluss vieler 80s Heroes, in seinem Vibrato und im Einsatz diverser Techniken wie Artificial Harmonics, Tapping, Alternate Picking und Legatoläufen.
„Money“ (1990)
Dieser Song entstammt dem 1990 erschienenen Album „Pornograffitti“ und zeigt ein prägnantes Singlenote-Riff in E-Dur, bei dem Nuno sämtliche Register seines gewitzten und energetischen Rhythmusspiels aufzeigt. Im Original ist die Gitarre einen Halbton tiefer gestimmt, allerdings hört ihr hier alles im Standard-Tuning.
„Lil Jack Horny“ (1990)
Ebenfalls auf „Pornograffitti“ zu finden, bietet Lil Jack Horny ein trickreiches Flageolett-Intro, gefolgt von einem brachialen Riff in D-dorisch. Nuno benutzt im Original ein Drop C#-Tuning, ich gehe hier der Einfachheit halber auf das Standard Drop-D-Tuning:
„Warheads“ (1992)
Warheads ist auf dem dritten Extreme-Album „III sides to every story“ zu finden. Hier wirkt Nunos Sound etwas „rougher“ und mehr in der Soundästhetik der 90er verwurzelt. Das Stück steht in der Tonart Em.
„Rise“ (2023)
Rise war die erste Singleauskopplung des aktuellen Albums „Six“. Es bietet ein fettes Riff in D, wobei Nuno das Drop-D-Tuning verwendet. In der Hook kommt ein tolles Leersaiten-Riff auf der gedroppten E-Saite zum Einsatz.
„Rise“ (2023) – Solo
Das Solo von Rise hat es gewaltig in sich und beweist, dass Nuno dreißig Jahre nach „Pornograffitti“ noch nichts verlernt hat. Hier findet ihr zwei Auszüge mit den heißesten Licks des Solos, die erste Phrase entspringt der D-Bluesscale. Wobei Nuno auch ein paar zusätzliche Noten wie die große Terz F# sowie die kleine Sexte Bb einschmuggelt.
Den Abschluss bildet ein Leersaitenlick, bestehend aus vier Arpeggio-Segmenten, die auf den tiefsten drei Saiten wiederholt werden. Die Geschwindigkeit ist hier nicht ohne, doch glücklicherweise bleibt der Fingersatz pro Change immer derselbe.
Get the Sound
Nunos aktueller Sound kommt ziemlich trocken und „straight ahead“ daher. Gitarrentechnisch empfiehlt sich ein Instrument mit Humbucker an Bridge und Hals. Der Amp sollte eher in die britische Ecke, sprich in Richtung Marshall schielen und ein Overdrive oder Distortion sollte zum Boosten vorgeschaltet sein. Nuno verwendet in jüngerer Zeit eine ProCo Rat, deren Einsatz in Kombination mit Marshalls seit jeher kampferprobt ist. Hier ein Soundvorschlag mit einem Neural DSP Fortin mitsamt vorgeschalteter RAT von Nembrini Audio:
Damit wünsche ich Euch viel Spaß mit Nuno Bettencourt!