Die neue Budget-Linie von Ocean Audio wird durch einen EQ komplettiert. In bester britischer Konsolen-EQ-Tradition hat der EQ two illustre Vorfahren. Wie schlägt sich das Modul in der Praxis?
Der „britische EQ“ gehört zu den sprichwörtlichen Klassikern unserer Zunft. Meist wird damit ein klassischer Konsolen-EQ gemeint, wie er seit den späten 60ern in Mischpulten der EMI, von Neve, Trident und Konsorten zum Einsatz kam. Das bedeutet: Aus wenigen Mitteln (vor allem einem einfachen Layout) viel herausholen, ein limitiertes Featureset trotzdem sehr musikalisch klingen lassen. Das gelingt im Gegensatz etwa zu amerikanischen EQs aus dieser Zeit vorzugsweise mit stufenlosen Potis statt mit Drehschaltern (wie etwa bei Electrodyne oder API), zudem mit sehr breit und weich abgestimmten Filterbändern, die aufgrund dieser Eigenschaft kaum ein Signal kaputt machen können.
Auch wenn vor einigen Jahren ein einigermaßen sinnloser und nie wirklich geklärter Streit darum entbrannte, wer denn nun der wahre „Vater des britischen EQs“ sei, so ist doch eines klar: Ocean-Audio-Mastermind hat zu dieser Entwicklungsgeschichte Wesentliches beigetragen. Als treibende Kraft hinter Konsolenherstellern wie Trident und MTA hat er über viele, viele Jahrzehnte hinweg wichtige Impulse gegeben. Der Beatles- und Bowie-Engineer hat so legendäre Filter wie diejenigen der Trident-A-Range auf den Markt gebracht und speziell den Sound der Rockmusik entscheidend mit beeinflusst. Fast scheint es, als schließt sich nun ein Kreis: Der EQ two ist von seinem Funktionsumfang her deutlich näher an den Layouts der Transistor-Frühzeit als an den hochgezüchteten durchgehend semiparametrischen Filtern der MTA-Desks aus den 90er-Jahren drans, die eigentlich Pate standen für die Ocean-Audio-Module.
Im Vergleich zum EQ one aus gleichem Hause wurde der Preis beim neuen Modul um etwa die Hälfte geschrumpft. Welche Funktionen und Eigenschaften mussten dabei auf der Strecke bleiben?
Details
Tilt-ähnliche Filterkurve
Mit insgesamt sechs Potis und dem Bypass-Schalter kommt die Frontplatte des EQ two keineswegs überfrachtet daher. Somit kommt das geradlinige Konzept des Moduls dem prinzipbedingt schmalen Platzangebot des 500-Standards sehr zugute. An den Rändern des Frequenzspektrums sitzen zwei Shelving-Filter, die bei 80 Hz und 10 kHz ansetzen. Eine alternative Peaking-Charakteristik steht hier nicht zur Verfügung, aber das ist bei einem solchen EQ gar nicht unbedingt notwendig. Diese beiden Shelving-Filter erfüllen eine ganz spezielle Aufgabe. Sie sind extrem breit abgestimmt, setzen beide bereits in den Mitten um etwa 700 Hz herum an. Damit lassen sich zwar nicht einzelne Frequenzen „chirurgisch“ isolieren, aber das ist eben auch gar nicht das Ziel. Vielmehr lässt sich der gesamte Frequenzgang um diese Mittenfrequenz herum bearbeiten, was sehr hilfreich ist, wenn man zu dumpfe Signale aufhellen oder zu scharfe Quellen anwärmen möchte. Setzt man beide Bänder gegenläufig ein, ergeben diese gewissermaßen ein „Tilt-Filter“, welches den gesamten Frequenzgang wie eine Wippe um den Mittenbereich zwischen 500 Hz bis 1 kHz herum kippt. Das klingt komplizierter als es ist – die Idee dahinter ist schlicht und ergreifend, dass man mit nur zwei Potis das gesamte Spektrum am Wickel haben kann. Unabhängig von der eigentlichen Qualität der Filter klingt das prinzipbedingt schon mal sehr musikalisch, weil der EQ auch bei großen Amplituden sehr sanft eingreift. Das ist wie eingangs erwähnt ein typisches Konzept der 60er-Jahre, als Ressourcen knapp waren, der vollparametrische EQ noch nicht erfunden war und EQs eher zum sanften „Nachfahren“ gedacht waren und nicht als brutale Filterbänke agierten.
Keine „chirurgischen“ Werkzeuge
Diesen weichen Shelving-Bändern werden noch zwei semiparametrische Mittenbänder zur Seite gestellt, welche sehr tätig werden können. Die Ansatzfrequenz der Tiefmitten lässt sich stufenlos zwischen 100 Hz und 1,5 kHz durchstimmen, das Hochmittenband greift analog dazu zwischen 1 und 15 kHz. Diese Werte bedeuten zweierlei: Zum einen überlappen sich beide Bänder, es kann also zwischen 100 Hz und 15 kHz jede Frequenz „erwischt“ werden, zudem können die beiden Mittenbänder durchaus auch die fehlende Peaking-Option bei den Außenbändern ersetzen, weil sie einen so weiten Bereich abdecken. Es handelt sich hier übrigens nicht um ein Proportional-Q-Design. Die Peaking-Filter bleiben auch bei großen Amplituden vergleichsweise weit offen. Abermals ist das Layout also nicht chirurgisch gedacht, sondern eher mit dem Ziel im Hinterkopf, die Klangenergie, die Durchsetzungsfähigkeit in bestimmten Frequenzbereichen zu beeinflussen. Allen Bändern ist jedoch eine kraftvolle maximale Anhebung/Absenkung von ±16 dB gemein, was tatsächlich eine ganze Menge ist.
Sämtliche Gain-Potis verfügen über eine Mittenrastung, die Frontplatte wird schließlich noch komplettiert vom mit einer blauen LED beleuchteten Bypass-Schalter. Dieser nimmt lediglich die EQ-Schaltung aus dem Signalweg, die Symmetrierstufen an den Ein- und Ausgängen verbleiben dort: Es handelt sich also um keinen echten Hardwire-Bypass. Dazu hat das Modul noch eine Peak-LED spendiert bekommen.
Für dich ausgesucht
Keine SMD-Bauteile
Sämtliche Komponenten der recht übersichtlich designten Schaltung finden auf der Hauptplatine des offen konzpierten Moduls Platz. Als typisches aktives RC-Filter ausgeführt, arbeiten sowohl die Filterbänder als auch die Ein- und Ausgangsstufen auf Basis der TL072-Operationsverstärker, die seit einer gefühlten Ewigkeit zum Lieblingsbesteck von Malcolm Toft zählen und die sich allgemein als Industriestandard durchgesetzt haben. Bei näherem Hinsehen erkennt man schon den Preisdruck bei der Fertigung, aber das sind lediglich optische Feinheiten, in technischer Hinsicht muss sich der EQ two keine Kritik anzuhören. Das Teil ist mit konventionellen Bauteilen „through-the-hole“ gefertigt, und alle OpAmps sitzen in Sockeln, können also leicht getauscht werden. Das ist sozusagen „alte Schule“ und insofern bemerkenswert, als dass die Fertigung weniger automatisiert ablaufen kann als bei moderner SMD-Technologie.