Die Musikindustrie meldet seit Jahren kontinuierlich sinkende Umsätze, Label-Deals sind immer schwieriger zu bekommen – und die GEMA kassiert in der Not bereits bei Kindergärten und St. Martins-Umzügen ab: Die Situation des Musikbusiness ist dramatisch. Was also tun als Newcomer, der jetzt die ersten Schritte zur Karriere gehen will?
Der Mythos: Früher war alles besser und die gesignten Musiker hatten ausgesorgt.
97% aller Major-gesignten Acts in den USA verdienten bereits in der Zeit vor Napster nicht mehr als 600 Dollar pro Jahr mit Tonträgerverkäufen. Ein aktuelles Beispiel, dass der Wandel nicht nur schlecht sein muss ist Robert Drakogiannakis von den Selbstvermarktungsvorreitern Angelika Express: Er betont, dass er eigentlich erst nach der Trennung von seinem Label begonnen hat, mit dem Verkauf von CDs Geld zu verdienen: Waren die Zeiten für MusikerInnen also nie besser, wenn sie bereit sind, ihr Business selbst in die Hand zu nehmen?!
Die Konstante: Schneller Wandel.
Wir leben in Zeiten in denen nur der Wandel gewiss scheint. Sicher ist, dass es immer schwieriger wird, einen der begehrten Label-Deals zu bekommen. Und selbst Major Deals sind längst nicht mehr so hoch dotiert, wie in der Vergangenheit. Die Rollen der am Musikbusiness Beteiligten wandeln sich: Erstmals kann ein Musiker, der Geld mit seiner Musik verdienen will, sinnvoll die Frage stellen: Braucht mein Projekt eigentlich unbedingt ein Label – und wenn ja ab wann? Heute erwarten Label zudem häufig mindestens eine Veröffentlichung mit nachweisbaren Verkaufszahlen, bevor sie zugreifen und das Portemonnaie aufmachen um den begehrten Vorschuss zu zahlen. Labels können es sich einfach nicht mehr leisten, ein schwer einschätzbares Risiko einzugehen. Gleichzeitig verfügen sie nach wie vor über funktionierende Promotion- und Vertriebsstrukturen, die einem Projekt, das gerade Fahrt aufnimmt, genau den richtigen Schub zum Durchstarten geben kann.
Überwältigend: Die Vielzahl der Möglichkeiten.
Es war noch nie so einfach, als Newcomer ohne Label oder Verlag den Zugang zum Musikmarkt zu bekommen und von Anfang an eigenes Geld mit seiner Musik zu verdienen. Die Konsequenz ist, dass Newcomer nun selbst das früher vom Label übernommene wirtschaftliche Risiko z.B. der Album Produktion und CD-Pressung tragen müssen. Mit diesem Risiko verbunden ist aber auch ein enormer Luxus: Newcomer können ohne Label-Zwänge und Verkaufsvorgaben ihr künstlerisches Profil schärfen und ausgestalten. Bei einem Label hat der Act meist nur noch ein Album Zeit, sich zu entwickeln. Vermarktet man sich selbst, kann man in Ruhe verschiedene Wege austesten, bis man den passenden gefunden hat.
Call to Action: Gas geben – aber wie?
Es ist also an der Zeit aktiv zu werden und das Business selbst in die Hand zu nehmen! Eine Fülle von Diensten hat diese Zeichen der Zeit erkannt und bietet Vermarktungstools für MusikerInnen. Doch was nutzen? Wie promote ich mich am besten, und wo? Direct-to-Fan Marketing über die eigene Webseite oder Social Media? Wie mache ich meine Musik verfügbar – digitaler Vertrieb über die eigene Website mit eigenem Shop oder über iTunes, musicload & Co? Und wie geht das und was kostet das? Muss ich eigentlich CDs selber verschicken und abkassieren oder nimmt mir das evtl. jemand ab? Wie viele CDs muss man eigentlich pressen lassen, und gibt es da auch Lösungen, die erst bei Bedarf kleine Auflagen produzieren, wie bei z.B. bei T-Shirts? Spricht etwas dagegen, z.B. einen amerikanischen Dienst zu nutzen? Darf es ein Abo-Modell mit monatlichen Kosten sein, will ich für einen Dienst immer nur einmal zahlen – oder will ich lieber erst etwas abgeben, wenn ich selbst auch Geld verdiene? Ab wann lohnt es sich eigentlich, GEMA Mitglied zu werden und gibt es eigentlich Möglichkeiten, mittels Web-Analyse-Tools Touren effektiver zu planen? Fängt man einmal an, sich mit dem Thema Selbstvermarktung auseinander zu setzen, verliert man schnell den Überblick im Dschungel verschiedenster Angebote mit unterschiedlichen AGBs, Preisen und Tarif-Modellen – wenn man die Dienste überhaupt findet.
System Overload! Aber Duldungsstarre bringt nix.
Unserer Beobachtung nach hat die aktuelle Situation in vielen Fällen zu einer Mischung aus Misstrauen und Passivität geführt, die angesichts der Entwicklung der Branche für Musiker fatal ist. Denn längst lässt sich auch in Deutschland nicht mehr verleugnen, was in USA bereits normal ist: Musiker müssen heute in der Lage sein, sich selbst zu vermarkten. Was bisher dafür fehlte, war eine neutrale Übersicht über die existierenden Angebote. Eine Orientierung im Dschungel der Möglichkeiten der Selbstvermarktung.
Ich selbst arbeite für audiomagnet.com, einen der Anbieter. Ich bin also parteiisch, deswegen gebe ich hier keine Empfehlung für einen Dienst ab (es ist ja eh klar, welchen ich im Zweifelsfall… ;-)).
Wir haben uns nach vielen Gesprächen mit Musikern und Musikerinnen entschlossen, einen ungewöhnlichen Schritt zu gehen. Wir haben ein Studienprojekt an der Popakademie Baden Württemberg angeregt und auch fachlich zusammen mit dem SMIX-Lab der Popakademie betreut. Entstanden ist der Leitfaden „Online Künstler-Selbstvermarktung Version 1.0“. Er soll einen neutralen Überblick über die bestehenden Angebote bietet, also auch unsere Konkurrenten gleichberechtigt darstellt. Neutralität war uns besonders wichtig, denn auch wenn wir unseren Dienst natürlich für den besten halten, ist keineswegs sicher, dass er für die konkreten Anforderungen Eures Projektes auch wirklich der passende ist. Macht euch euer eigenes Bild – und vergesst die Promo bitte nicht. Vertriebe machen nur verfügbar – nicht berühmt!
Für dich ausgesucht
Die vorliegende Version spricht alle relevanten Themen an und legt einen Schwerpunkt auf Vertriebstools. Er soll in Zukunft regelmäßig überarbeitet und um weitere Schwerpunkte ergänzt werden. Der Leitfaden kann ab sofort unter www.popakademie.de herunter geladen werden. Ganz im Sinne der darin ausgesprochenen Empfehlungen wird mit „Pay with a Tweet“ hier ein neuer Promotion-Dienst genutzt, der den kostenlosen Download gegen die Empfehlung in einem sozialen Netzwerk (Twitter oder Facebook) ermöglicht.