Viele Bassleute setzen heutzutage selbst im Livebetrieb auf In-Ear-Lösungen und bringen zum Gig höchstens noch ein Pedalboard mit dem Lieblings-Preamp und ein paar Effekten mit. Falls trotzdem noch ein Amp zum Einsatz kommt, so sollte er möglichst klein, leicht und klanglich so flexibel wie möglich aufgestellt sein. Der Orange AD200 ist so ziemlich das Gegenteil von alledem und trotzdem seit Jahrzehnten immer noch ausgesprochen beliebt – zumindest bei Puristen und Vollröhren-Fans! Genau deshalb hat die legendäre britische Amp-Company ihrem Flaggschiff nach ungefähr zehn Jahren mal wieder ein Update verpasst und damit nach Meinung des technischen Direktors Ade Emslay „die beste AD200-Version aller Zeiten“ auf den Markt gebracht. Dafür wurde behutsam an einigen Stellschrauben gedreht, krasse Veränderungen gibt es – vermutlich zur Erleichterung vieler eingefleischten Fans – allerdings nicht. Neu ist der sogenannte Clean-Switch für unvezerrte Sounds, die Basswiedergabe wurde durch die Optimierung des Ausgangstrafos verbessert, und der Amp ist dank separater Bias-Regler für Service-Techniker um einiges pflegeleichter. Wir haben uns das orangefarbige „Röhrenmonster“ ins Testlabor liefern lassen und sind gespannt, ob Ade Emslay mit seiner vollmundigen Ansage recht behält.
Orange AD200: Was sind die Neuerungen?
Mir fiel beim ersten Blick auf den neuen Orange AD200 zunächst auf, dass der Buchstabe “B“ aus der Modellbezeichnung verschwunden ist. Nanu, ist der AD200 jetzt etwa kein exklusiver Bass-Amp mehr? Und in der Tat: Auf der Website der Briten wird der Röhrenbolide tatsächlich auch der Gitarrenwelt schmackhaft gemacht, auch wenn Orange bekräftigt, dass der AD200 in erster Linie mit Blick auf die tieffrequente Kundschaft entwickelt wurde.
Viel wichtiger für uns sind allerdings die neuen Features, welche Orange ihrem Flagschiff im Rahmen der Frischzellenkur verpasst hat. So wurde laut Angabe der Briten der Ausgangstrafo optimiert, was sich in einer verbesserten Basswiedergabe bemerkbar machen soll. In der Endstufe kommen ab Werk jetzt vier KT88-Röhren zum Einsatz, die – und das ist die wirkliche Neuheit – separat mit Trimpots eingemessen werden können. Sollte also einmal eine Röhre versagen, kann ein Techniker eine neue Röhre einsetzen und die Bias-Einstellung mithilfe eines Multimeters vornehmen. Die Verwendung von vier abgestimmten Röhren ist damit nicht mehr unbedingt nötig und es können auch verschiedene Röhrentypen gemischt werden, falls beispielsweise auf Tour gerade einmal keine KT88 verfügbar sein sollte. Unterm Strich wird der Amp also für Techniker etwas pflegeleichter.
Das signifikanteste neue Feature der vierten Generation des Orange AD200 ist allerdings der in der Einleitung bereits erwähnte Clean-Switch, mit dem man den Gain-Pegel im Handumdrehen reduzieren kann. Damit sind dann auch pegelstarke Aktivbässe einfacher mit dem Amp zu verwenden und cleane Sounds können generell besser kontrolliert werden – der Orange AD200 wird also in dieser Hinsicht deutlich flexibler.
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Wesentliche klassische Merkmale bleiben erhalten!
Davon abgesehen bleibt alles beim alten – auch der überarbeitete Orange AD200 ist natürlich ein extrem einfach zu bedienendes Röhrentop ohne viel Schnickschnack. Das extrem stabile Holzgehäuse misst 55 x 27 x 28 cm und kommt im typischen poppigen Orange-Look mit einem orangefarbigen Tolex-Überzug, welcher mit kontrastreichen, schwarzen „Nähten“ akzentuiert wird.
An den Ecken sitzen zum Schutz robuste Metallkappen und zum tragen gibt es einen einfachen Riemengriff auf der Oberseite. In Anbetracht des stattlichen Gewichtes von 26kg wären seitliche Griffschalen sicherlich bequemer – schicker und vintage-mäßiger ist aber zugegebenermaßen der schwarze Riemengriff, und letztlich lässt sich der Orange AD200 damit auch immer noch einigermaßen komfortabel bewegen.
Die zurückgesetzte Frontplatte ist nach wie vor weiß lackiert und wird durch zwei Chrombügel zusätzlich geschützt. Neben dem überdimensionierten Orange-Logo finden wir hier die wichtigsten Bedienelemente, die – typisch für die Company – natürlich spiegelverkehrt zur normalerweise gewohnten Anordnung von links nach rechts angebracht sind.
Stylische Piktogramme
Selbstverständlich gibt es auch beim neuen Orange AD200 die lustigen Piktogramme über den Regler und Buchsen; auf zusätzliche Beschriftungen verzichtet Orange jetzt interessanterweise allerdings erstmals. Größere Missverständnisse bei der Bedienung sind aufgrund des spartanischen Aufbaus dennoch ausgeschlossen, denke ich.
Ganz rechts sitzen die zwei Inputs für aktive und passive Bässe, gefolgt von einem großen und sehr griffigen Gain-Regler, den drei EQ-Potis für Bässe, Mitten und Höhen sowie schließlich einem ebenfalls großen Master-Volume-Regler. Zwischen dem Gain-Regler und dem Dreiband-EQ sitzt der bereits erklärte Clean-Switch und ganz links finden wir neben der Betriebslampe im Vintage-Format den Standby-Schalter sowie den Netzschalter des Orange AD200.
Rückseite
Die Rückseite ist ähnlich schnell abgefrühstückt wie die Front. Hier finden sich der Stromanschluss, zwei Sicherungen, ein Slave-Out in Form einer Klinke und drei weitere Klinken zum Anschluss der Boxen. Zwei der Speaker-Outs sind für 4 Ohm ausgelegt, der dritte ist für eine 8-Ohm-Box oder eine 8-Ohm-Boxenkombi vorgesehen, an die der Amp dann seine volle Leistung liefert.
Für den Betrieb zweier 8-Ohm-Boxen verwendet man beide 4-Ohm-Anschlüsse, und eine 4-Ohm-Box wird einfach in einen der beiden 4-Ohm-Anschlüsse gestöpselt. Der Line-Out liefert ein Line-Level-Signal von der Endstufe und ist in erster Linie zur Signalweiterleitung an eine weitere Endstufe geeignet. Ein kleiner Wermutstropfen: Auf einen symmetrischen Ausgang zum Aufnehmen oder zum Anschluss an ein Pult muss man auch bei der neuesten Version des Orange AD200 leider verzichten.