Praxis
Wie praktisch alle Alu-Banjos gehört auch das Ortega OBJ350/6 zu den wirklich leichten Instrumenten, allerdings mit bauartbedingter Kopflastigkeit. Die ist mit einem rauen Gurt – von denen Ortega etliche schöne Exemplare im Angebot hat – gut in den Griff zu bekommen. Der Hals liegt angenehm und definitiv nicht zu dünn in der Hand. Er fühlt sich sofort vertraut an. Kein Wunder: Ortega hat eine 62,8 Zentimeter lange Gitarrenmensur benutzt. Dazu kommt, dass das Griffbrett ganz nach Gitarrenart gewölbt ist.
Die ersten Töne zeigen, dass unser Proband zu den tendenziell leisen Banjos gehört. Das ist je nach Umgebung durchaus ein Vorteil. Wem es zu leise ist: Es gibt das OBJ350/6 auch in einer Version mit magnetischem Tonabnehmer. Dann ist eine eventuell fehlende Lautstärke natürlich kein Problem mehr, wobei der verwendete Humbucker dem Instrument einen eher Archtop-ähnlichen Sound verleiht.
Der Grundsound des Banjos ist warm, allerdings auch ein bisschen matt. Hierfür ist sicherlich das schwarze Remo-Fell verantwortlich, das ansonsten gerne mal benutzt wird, um zu scharf klingende Instrumente zu bändigen – zu denen eigentlich keines der asiatischen Banjos mit Alukessel gehört. Wer auf die zugegebenermaßen coole Optik des schwarzen Fells verzichten kann, sollte es mit einem oben rauen, weißen Fell versuchen. Auch ein Kevlar-Fell ist einen Versuch wert; es hat den Ruf, speziell einem Alu-Banjo gut zu tun.
Für dich ausgesucht
Die vergleichsweise kurze Mensur sorgt dafür, dass das OBJ350/6 eher untypisch tönt. Die Attack ist deutlich geringer ausgeprägt als bei einem Instrument mit der üblichen Mensur von rund 67 Zentimetern, wie sie bei 5-String Banjos benutzt wird. Unterm Strich liefert dieses Instrument damit einen Klang, der schon deutlich in Richtung Gitarre weist.
Das führt dazu, dass man das Ortega mit Erfolg auch für ganz normales Strumming einsetzen kann. Für alle Sorten von Flatpick-Akkordarbeit ist es ein williger Partner. Wer es zur Gesangsbegleitung benutzen möchte, sollte dennoch gut bei Stimme sein, denn es mag leiser sein als ein voll ausgestattetes Banjo, aber lauter als eine Gitarre ist es allemal.
Das typische Banjo-Timbre stellt sich dennoch ein, wenn man das passende Material spielt. Mit einem schnellen Picking-Pattern, vielleicht sogar noch mit Fingerpicks, tönt es schon nach Bluegrass, obgleich es natürlich geeignetere Kandidaten gibt. Steht man mehr auf den Clawhammer-Stil beispielsweise eines Pete Seeger, kommt einem der weiche Ton des Ortega durchaus entgegen.
Auch Single Notes tönen zwar durchsetzungsfähig, aber eben recht weich. In einem kleinen Unplugged-Ensemble kann man damit prima die Solospots ausfüllen. Was man definitiv ausprobieren sollte, das sind Powerchords aller Art. Heavy Metal unplugged auf dem Banjo? Warum auch nicht?