Die Ovation Legend Classical 1773AX-4 bringt die Konzertgitarre auf die Bühne. Der vornehm-warme Ton der klassischen Gitarre ist auch in der Popmusik gefragt und wird auch von Gitarristen geschätzt, die ansonsten vornehmlich den Umgang mit E-Gitarren pflegen. Einige Hersteller sind deshalb dazu übergegangen, Instrumente mit Tonabnehmersystemen herzustellen, die den Ton einer Konzertgitarre generieren, sich aber an den Abmessungen einer E-Gitarre orientieren. Ovation sprang schon vor Jahren auf den fahrenden Zug auf, allerdings mit Gitarren im eigenen, klassischen Design.
Die Legend Classical 1773AX-4 ist eine elektroakustische Konzertgitarre und zur Zeit die einzige klassische Vertreterin im Line-Up der Firma. Gitarren aus der Legend-Reihe unterscheiden sich durch ihr rundes Schallloch von den anderen Gitarren der Marke. Unsere aktuelle Testkandidatin sendet aber eine ganze Menge Signale, dass sie trotz Nylonsaiten lieber eine Liaison mit dem Pop- und Rockmusiker eingehen möchte als mit dem Klassiker – eine Botschaft, die wir uns näher anschauen werden.
Details
Korpus
Die Gitarren von Ovation unterscheiden sich lediglich in Bezug auf Farbe, Material, Klang und Ausstattung, aber kaum in der Form. Auch die Legend Classical 1773AX-4 NAT hat das Uni-Format ihrer Schwestern, weshalb die Konstruktion nur noch wenig mit einer Konzertgitarre nach der guten alten Torresnorm zu tun hat, obwohl die Deckenoberfläche einer minimal vergrößerten Konzertgitarre ähnelt. Mit einer Breite von 40,2 cm (28 cm) am Unterbug (Oberbug) und einer Länge von 51,2 cm ist die Decke damit identisch dimensioniert wie die der Westerngitarren aus dem Angebot des Herstellers. Auch sonst haben die Designer von Ovation der Legend Classical ihren Stempel aufgedrückt. Eine Konzertgitarre mit einem rund geschwungenen Cutaway sieht man auch nicht alle Tage, und der für Ovation-Gitarren obligatorische parabolförmige Resonanzkörper, auch “Roundback” genannt, darf ebenfalls nicht fehlen. Dieser besteht aus einem Verbundstoff mit einer Fiberglas-ähnlichen Struktur, der den Produktnamen Lyrachord trägt. Mit einer mitteltiefen Resonanzschale möchte sich unsere Probandin natürlich auch als Vollakustikgitarre empfehlen. Ob die Konstruktion den Klang einer mit Nylonsaiten bespannte Konzertgitarre angemessen generieren kann, lassen wir noch offen.
Jedenfalls leistet das Deckenholz bekanntlich einen nicht zu unterschätzenden Beitrag bei der Klangentfaltung einer Gitarre. Die massive Zederndecke der Güteklasse AA wertet die Legend Classical erheblich auf. Die Zeder prägte schon in den 60er und 70er Jahren den Sound der klassischen Gitarrenmusik (z.B. durch Segovia). Zedernholz ist weicher und elastischer als Fichtenholz und produziert in der Regel einen dunklen, aber vollen Ton. Die perfekt hochglanzpolierte Naturdecke macht einen ausgezeichneten optischen Eindruck, zumal sie mit hellen und dunklen Maserungen attraktiv strukturiert ist. Einen Schlagschutz benötigt die Decke nicht unbedingt, denn die Legend Classical entfaltet ihr Potential erst richtig, wenn sie gezupft wird.
Für dich ausgesucht
Man findet aber noch typische Relikte, z. B. den Rechtecksaitenhalter und die gefensterte Kopfplatte sowie die kunstvoll gestaltete Schalllochverzierung, die einfach zum Erscheinungsbild einer klassischen Konzertgitarre gehört. Der hellbraune, aufgeleimte klassische Rechtecksaitenhalter besteht aus einem Stück Palisander. Das Holz wurde nicht versiegelt und macht einen soliden Eindruck. Dramatische Innovationen findet man dort nicht. Die Nylonsaiten werden – wie bei Konzertgitarren üblich – am Tie-Block verknotet. Eine längenkompensierte Stegeinlage aus ABS-Kunststoff wurde für jede Saite individuell befeilt, sodass sich keine Intonationsprobleme ergeben sollten. ABS zeichnet sich durch eine hohe Reißdehnung und Langlebigkeit aus. Mit Verzierungen hält sich unsere Kandidatin, wie im übrigen alle Konzertgitarren, vornehm zurück. Das beherrschende Element der Decke bildet eine kunstvoll mit wiederkehrenden stilisierten Eichenblättern gestaltete breite Rosette, die das kreisrunde Schallloch in Normalgröße umrundet. Den Deckenrand säumt diskret ein schmaler schwarz-weißer Herringbone-Streifen und die Stoßkanten werden rundum von einem elfenbeinfarbenen Binding geschützt.
Interieur
Üblicherweise unterbaut Ovation die Decken seiner Westerngitarren mit einem sogenannten X-Bracing. Im Gegensatz zu den Angaben auf der Ovation-Homepage bleibt man allerdings bei der 1773AX ganz klassisch bei der traditionellen Konzertgitarren-Fächerbeleistung, wie ein Blick ins Innere unserer Testkandidatin zeigt.
Elektronik
Die elektroakustische Herzkammer der Legend Classical ist ein an der Oberseite integrierter Onboard-Preamp, ein Ovation OP-Pro. Ovation kombiniert diesen Preamp mit Vorliebe mit dem hauseigenen Transducer OCP-1K, der auch hier unter der Stegeinlage parkt. Die Legend Classical befindet sich damit in bester Gesellschaft, denn Ovation bestückt vor allem die teuren Modelle wie die Adamas mit dem gleichen System. Offenbar ist unsere Testkandidatin zumindest in dieser Hinsicht schon im Club der High-End Gitarren angekommen. Das System wurde aber nicht speziell für Nylonsaiten entwickelt. Ob das Konzept aufgeht, werden wir noch hören.
Das Paneel ist mit einem aktiven Dreiband-EQ ausgestattet und drei Schiebereglern, die für die Höhen, Mitten und Bässe zuständig sind und in der Mitte einrasten. Mit einem kleinen Taster wird ein Pre-EQ aktiviert. Dieser wirkt wie eine Loudness-Funktion, die bei niedrigem Ausgangspegel die Bässe anhebt.Mit dem Gain-Poti wird der Pegel am Ausgang eingestellt. Das integrierte autochromatische Stimmgerät wird mit einem kleinen Taster an- bzw. ausgeschaltet, der Signalfluss zum Amp wird dabei aber nicht unterbrochen. Ein Mini-Display gibt dem Spieler eine Rückmeldung beim Stimmvorgang. Bei der Grobstimmung melden sich rotleuchtende Buchstaben und zur Feinstimmung kommen zwei rotblinkende Pfeile (Up und Down) ins Spiel.
Die Batterie findet sich bei dieser Preamp-Variante erst, wenn man die komplette Elektronik aus ihrer Fassung hebt. Ein einfacher Knopfdruck genügt. Der 9-Volt-Block ruht in einem Batteriefach unter dem Paneel. Das Wechseln der Batterie ist zwar Sekundensache, allerdings sollte man dazu zwei Hände frei haben.
Hals, Halsfuß und Griffbrett
Hals und Halsfuß bestehen aus Mahagoni und Ahorn, insgesamt fünf Lagen. Der abgerundete Halsfuß wird bei Ovation mit der Schale stabil verschraubt und verleimt. Mit einem Umfang von 12,5 cm am Sattel ist der Hals wesentlich dünner ausgeführt als der einer “echten” Vollakustik-Konzertgitarre, was dem Westerngitarristen entkommen mag. Das mit schwarzem Binding eingebundene Griffbrett aus Palisander ist mit 4,75 cm am Sattel zwar breiter als das einer Westerngitarre, aber schmaler als das einer “normalen” Konzertgitarre (zum Vergleich: ca. 5,30 cm). Ein guter Kompromiss! Und eigentlich sind Griffbretter von Konzertgitarren ganz flach, dieses hier ist dagegen mit einem Radius von 10″ (25,4 cm) laut Herstellerangaben relativ stark gewölbt, also Größenordnung, wie man sie auch bei E-Gitarren vorfindet. Für mein Dafürhalten ist die Wölbung in der Realität aber weit weniger stark ausgeprägt.
Eigentlich benötigen klassische Konzertgitarren keine Metallverstärkung. Obwohl unsere klassische Legend mit spannungsarmen Nylonsaiten bestückt ist, wird der Hals durch einen Halsstab stabilisiert. Dieser dient natürlich vornehmlich dazu, die Halskrümmung einzustellen. Den Zugang zur Stellschraube verschafft man sich bei Gitarren von Ovationen über das Schallloch. Der passende Inbusschlüssel ist im Lieferumfang enthalten.
Der Hals-Korpusübergang befindet sich am 12. Bund, wie es sich für Konzertgitarren gehört. Ein Paradoxon bildet aber die Tatsache, dass das Gesamterscheinungsbild der Legend Classical trotzdem dem Uniformat der Ovation-Westerngitarren entspricht. Heruntergebrochen könnte man sagen, dass die Legend Classical damit in jeden handelsüblichen Ovation-Koffer passt. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, mussten sich die 19 Bünde über die gesamte Griffbrettlänge mehr Platz verschaffen. Der erste Bund hat z.B. mit einer Weite von ca. 3,7 cm (statt 3,6 bei Normalmensur) spürbar mehr Raum erhalten. Schaut man genauer hin, dann stellt man fest, dass die Designer von Ovation die Mensur nur geringfügig verlängert haben (max. 1 cm). Die Maße “Scale: 26 3/16” auf der Ovation-Homepage sind deshalb fehlerhaft, genauso wie die Angabe, die Gitarre hätte 20 Bünde. Und die dort versprochene Griffbrettverlängerung für die Diskantsaiten gibt es leider auch nicht.
Die im Vergleich zu einer traditionellen Konzertgitarren recht schmalen Bundstäbchen tragen zur Verbesserung der Intonation bei, und das nicht nur, weil sie sauber abgerichtet und poliert wurden. Unverständlich, dass Ovation nur einen einsamen Bundmarkierer im 7. Bund auf dem gesamten Griffbrett platziert und dann auch nur auf der schwarzen Griffbretteinbindung, obwohl sich die Konstruktion ja auch dem Linienspieler öffnet.
Kopfplatte
Die gefensterte Kopfplatte wurde angesetzt, die Verleimstelle kann man an der Unterseite der Kopfplatte erkennen. Die Oberseite wurde mit einem schwarzen Furnier elegant verblendet. Das Design hat sich von der Machart der klassischen Konzertgitarre weit entfernt und entspricht mit der typischen pilzförmigen Kontur weitgehend dem der übrigen Ovation-Gitarren. Die doppelte Fensterung erinnert – wie schon erwähnt – noch an die gute alte Konzertgitarre. Die Nylonsaiten werden um sechs Kunststoffroller gewickelt. Dieses Prinzip hat sich bewährt, denn die Nylonsaiten einer Konzertgitarre reißen damit seltener. Die Goldhardware wertet die Legend Classical optisch auf. Die geschlossenen Gussmechaniken sind, wie bei Konzertgitarren üblich, an der Seite der Kopfplatte verschraubt. Augenscheinlich hatte der Hersteller bei der Planung dieser Konstruktion seine Spendierhosen an, denn auch teure Konzertgitarren gelangen in der Regel nur mit einfachen offenen Mechaniken in den Verkauf. Gestimmt wird mit griffigen Soft Touch Buttons. Auch hier gibt es keinen Grund zur Beanstandung, sie funktionieren tadellos und halten, einmal gestimmt, ihre Position und damit die Stimmung sicher.