Overdrives und Equalizer, zwei Effektkategorien, die viele Gitarristen völlig unterschiedlich wahrnehmen. Schafft man es, sich ganz vortrefflich über die heißesten Verzerrermodelle und den bestklingenden Chip im Tubescreamer auszutauschen, so wird die Gattung der Equalizer doch oft mit Skepsis, aber auch Respekt beäugt. Und das zu Recht, denn beim Rumschrauben an den Frequenzen kann man gravierende Fehler machen und sich klanglich schnell ins Nirvana befördern.
Equalizer können jedoch potente Weggefährten sein, wenn man weiß, wie man sie gezielt einsetzt. Während wir in unserer ersten Folge über den Boss GE-7 eher grundlegende Fragen geklärt haben, wird es nun etwas spezieller. Diesmal geht es ganz konkret um das Nachbilden archetypischer Verzerr-Charakteristika, die wir aus nur einem einzigen Overdrive-Pedal, dem Nobels ODR-Mini, zu gewinnen versuchen. Ob uns dieses Vorhaben gelingt und wo die Grenzen liegen, wollen wir hier ergründen.
Grundsätzliches und Versuchsaufbau
Zu Beginn sei gesagt, dass es natürlich ein ganz schön vermessenes Unterfangen ist, verschiedene Verzerrertypen, deren Sounds sich aus vollkommen unterschiedlichen Bauteilen und Betriebsweisen generieren, aus nur einem Pedal und einem Equalizer gewinnen zu wollen. Immerhin zeichnen sich Overdrives nicht nur durch ein spezifisches Frequenzbild aus, sondern auch durch Spielgefühl, Anschlag, Kompressionsverhalten und Dynamik. Aus diesem Grund sind die Folgebeispiele mit einer gehörigen Prise Salz zu genießen und ich muss auch ganz klar bekennen, dass mir nicht immer ein haargenaues Matchen der Sounds geglückt ist. Aber das Ziel soll eher sein, charakteristische Klangeigenschaften der einzelnen Gattungen herauszukitzeln und euch damit zu zeigen, dass ein gut gesetzter EQ ein sehr kraftvolles Tool sein kann. Wer sich noch stärker für Tipps und Tricks mit einem EQ-Pedal interessiert, sollte sich auch die Liebeserklärung an den Boss GE-7 zu Gemüte führen.
Beim Overdrive, den ich mit dem EQ zu verbiegen versuche, handelt es sich um einen Nobels ODR-Mini. Warum ich dieses Pedal gewählt habe, hat verschiedene Gründe. Einerseits mag ich den Sound des ODRs sehr, andererseits handelt es sich bei ihm um ein relativ erschwingliches Pedal, sodass jeder geneigte Leser den Versuchsaufbau gut nachstellen könnte. Der Hauptgrund liegt jedoch in der Tatsache, dass es sich beim ODR um einen sehr transparenten Overdrive handelt, der von sich aus wenig färbt, sprich, wenig Veränderung im Frequenzgang mit sich bringt.
Für dich ausgesucht
Für den EQ wähle ich einen Boss GE-7 und parke diesen hinter den Nobels Overdrive. Grundsätzlich ist es interessant, EQs sowohl vor als auch hinter der Zerreinheit zu schalten, allerdings entstehen dadurch deutliche Unterschiede in der Funktionsweise. Vor dem Drive arbeitet der EQ eher als ein Gainboost. Gepushte Frequenzen werden bei diesem Setup stärker verzerrt bzw. komprimiert, wobei sich der Pedalcharakter, ja sogar das Spielgefühl ändern kann. Die Platzierung hinter dem Overdrive ist deutlich weiter verbreitet, denn damit wird auf den Gesamtklang Einfluss genommen. Der Zerrcharakter und auch das Gain wird nun nicht mehr stark berührt, denn neben der Frequenzbearbeitung ist die Pegelanhebung jetzt ein reiner Volume-Boost des bereits verzerrten Signals. Dennoch kann ein ordentlich gepushter EQ den Verzerrgrad insofern beeinflussen, als dass nun der nachgeschaltete Amp stärker angeblasen wird und sich zur Pedalzerre noch die Ampzerre gesellt.
Sämtliche Soundfiles werden über eine Stratocaster und eine Les Paul in einen cleanen Fender Bassman Amp gespielt, der über eine 4×12″ Marshall Pre Rola Greenback IR läuft. Die Regler der zu kopierenden Pedale sind immer auf mittigen bzw. Default-Settings und auch den Nobels ODR-Mini habe ich versucht, so oft es ging, in neutraler Position zu belassen. Abweichungen davon werden jeweils in der entsprechenden Rubrik angegeben.
Zunächst hört ihr den reinen Ampsound ohne Pedal sowohl mit Stratocaster als auch Les Paul:
Nun das identische Setting, allerdings mit aktiviertem Nobels ODR-Mini in Mittelstellung aller Potis:
J.Rockett – (Jeff) Archer (Klon Zentaur-Typ)
Am Anfang steht das Nachbasteln eines der wohl legendärsten Drives auf dem Pedalmarkt, nämlich dem Klon Zentaur. Das Original ist zwar nur noch zu horrenden Preisen auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich, aber glücklicherweise bieten genügend Pedalschmieden wie Wampler mit dem Tumnus, Way Huge mit dem Conspiracy Theory, aber auch J.Rockett mit dem Archer sehr gute Nachbildungen der berühmten Vorlage von Bill Finnegan an. Bautechnisch handelt es sich beim Klon um eine Art Zwischending aus Overdrive und Distortion, auch wenn man ihn gefühlsmäßig eher in die Overdrive-Richtung stecken würde. Klanglich findet hier eine klare Mittenanhebung statt, die man mit dem EQ auch gut abbilden kann. Die Zerrtextur so ähnlich hinzubekommen erweist sich allerdings als deutlich schwerer, sodass man hier ganz klare Abstriche gegenüber dem Original machen muss. Beim Nobels musste ich das Gain auf 11 Uhr und den Spectrum-Regler auf 13 Uhr korrigieren, um in die Nähe zu kommen.
100Hz | 200Hz | 400Hz | 800Hz | 1.6kHz | 3.2kHz | 6.4kHz | Level |
+2,5 | +5 | +2,5 | +12,5 | +5 | +7,5 | -2,5 | -1,5 |
Ibanez – TS808 Tube Screamer
Der Ibanez Tube Screamer ist der Klassiker unter den Overdrives und zeichnet sich durch eine natürliche, durch Soft-Clipping erzeugte Zerre aus. Klanglich findet hier eine Bassabsenkung sowie eine Mittenanhebung bei ca. 732 Hz statt. Dieser Sound lässt sich durch die Verwendung unsers EQs relativ überzeugend simulieren, indem man genau an diesen beiden Stellen ansetzt. Mehr Infos zum Tube Screamer findet ihr hier.
100Hz | 200Hz | 400Hz | 800Hz | 1.6kHz | 3.2kHz | 6.4kHz | Level |
-5 | -2,5 | -2,5 | +7,5 | 0 | 0 | 0 | +5 |
Boss – OD-1
Sowohl zeitlich als auch bautechnisch ist der OD-1 gar nicht so weit vom Ibanez Tube Screamer entfernt und eigentlich handelt es sich bei dem gelben Boss-Pedal um einen der ersten echten Overdrives überhaupt, der bereits ab 1977 erhältlich war. Auch klanglich braucht es nur ein paar Handgriffe am EQ, um aus dem Tube Screamer-Setting das OD-1 Setting zu zaubern. Die Produktion des OD-1 wurde leider 1985 eingestellt, allerdings ist der SD-1, bei dem es sich um einen OD-1 mit einem zusätzlichen Tone-Regler handelt, noch erhältlich. Mehr Infos zum Boss OD-1 gibt es hier zu lesen.
100Hz | 200Hz | 400Hz | 800Hz | 1.6kHz | 3.2kHz | 6.4kHz | Level |
-2,5 | -2,5 | 0 | +7,5 | +2,5 | +2,5 | 0 | +2,5 |
Harley Benton – Ultimate Drive (Fulltone OCD-Typ)
Der Fulltone OCD wurde von Mike Fuller im Jahre 2004 designt und liegt klanglich zwischen einem Overdrive und Distortion. Das Kürzel steht hier für “Obsessive Compulsive Drive” und Ziel war es, das Verhalten eines Röhrenamps mitsamt Endstufenkompression gut abzubilden. Daher klingt die Zerrtextur dieses Pedals auch sehr dicht bei gleichzeitig sehr dynamischem Verhalten, was mich persönlich stark an den Sound eines aufgerissenen Marshall JTM45 erinnert. Ein Schalter wählt zwischen High Peak und Low Peak, wobei Ersterer die hohen Mitten stärker betont. Da wir mit Klon, Tube Screamer und OD-1 bereits einige Pedale mit ausgeprägtem „Mitten-Feature” haben, entscheide ich mich hier für das Low-Peak-Setting. In Ermangelung eines OCDs habe ich für die Soundfiles einen Harley Benton Ultimate Drive auserkoren, der den Charakter gut simuliert.
100Hz | 200Hz | 400Hz | 800Hz | 1.6kHz | 3.2kHz | 6.4kHz | Level |
+2,5 | +5 | +2,5 | -2,5 | -2,5 | +2,5 | +2,5 | +5 |
Wampler- Pantheon (Marshall Blues Breaker-Typ)
Brian Wampler orientiert sich beim Pantheon klanglich am Marshall Bluesbreaker-Pedal aus dem Jahre 1991. Wie der Name vermuten lässt, wollte das Marshall-Original den Sound des Bluesbreaker-Combos bzw. des JTM45 Topteils einfangen, der untrennbar mit Eric Claptons Sound der 60er verknüpft ist.
Der Bluesbreaker steht wie auch der „Timmy” für die Gattung der “transparenten Verzerrer”, die wenig färben und dem Sound eine warme, harmonische Zerrung verleihen. Mittlerweile existieren einige Pedale, deren Charaktere sich am Bluesbreaker anlehnen, wie z. B. der JHS Morning Glory, der Analog Man King of Tone oder der Keeley 1962x. Was die Pedalsettings angeht, steht der Pantheon komplett mittig und lediglich Presence auf Minimalwert, da dies das von Brian Wampler empfohlene “Default”-Setting ist. Hier können nach Gusto Höhen hinzugegeben werden, falls der Amp das erfordert. Der Pantheon liefert auch mehr Gain, als z. B. der Bluesbreaker oder der King of Tone, weshalb ich beim Nobels das Gain auf 14 Uhr erhöht habe.
100Hz | 200Hz | 400Hz | 800Hz | 1.6kHz | 3.2kHz | 6.4kHz | Level |
-5 | +5 | 0 | -2,5 | -2,5 | -2,5 | 0 | +5 |
FAZIT
Ich muss gestehen, dass ich selbst vom Ergebnis angenehm überrascht bin und nicht erwartet hätte, dass der Boss GE-7 klangliche Grundzüge so gut aus dem kleinen Nobels herauskitzeln kann. Bei aller Euphorie muss man jedoch auf dem Teppich bleiben, denn vom Frequenzgang abgesehen hat der Equalizer vor allem in der nachgeschalteten Position wenig Einfluss auf die Textur der Zerrung. Dies ist mir vor allem beim J.Rockett Archer, dem Ultimate Drive und auch dem Pantheon aufgefallen. Das Spielgefühl und auch die Auflösung des Overdrive-Tons erweisen sich bei den Originalen doch anders. Hinzu kommt, dass der GE-7 nur an ausgewählten Frequenzpunkten ansetzt und somit keine Punktlandung bei den Zwischenwerten erlaubt. Nichtsdestotrotz ist der EQ in der Lage, deutliche klangliche Unterschiede, die allesamt ihren Platz haben, aus einem beliebigen “Zerrgenerator” zu gewinnen. Wer ein begrenztes Budget oder auch eingeschränkten Platz auf seinem Bord hat, kann sich das zunutze machen!