Bei nicht wenigen Gigs wäre es zweifellos von Vorteil, mehrere Instrumente dabei zu haben. Eine typische Situation wäre z. B. eine Coverband, in der man verschiedene Genres aus unterschiedlichen Epochen und Stilistiken abdecken muss. Doch wer macht sich schon den Aufwand, gleich mehrere Instrumente mit zum Gig zu nehmen? In diesem Artikel möchten wir herausfinden, wie flexibel man mit nur einem Bassmodell in unterschiedlichen musikalischen Situationen agieren kann. Zu diesem Thema gab es vor einiger Zeit schon einmal ein Experiment mit einem Jazz Bass, der aber bekanntermaßen über zwei Tonabnehmer verfügt. Heute gehen wir noch einen Schritt weiter und untersuchen, ob auch der mit nur einem Pickup ausgestattete P-Bass (Precision Bass) diese verschiedenen Herausforderungen meistern kann. Zur Gestaltung der unterschiedlichen Sounds kommen abermals nur unsere Hände und die absolut notwendige Grundausstattung „Bass – Kabel – Amp“ zum Einsatz.
Ein passiver P-Bass als Allzweckwaffe?
Der P-Bass oder Precision Bass definiert sich vor allem durch einen Split-Coil-Tonabnehmer, welcher sich ungefähr in der Mitte zwischen Brücke und Griffbrettende befindet. Dazu kommt eine passive Elektronik mit einem Volume- und einem Tonregler – that’s it!
Marke und Preisklasse des Instruments spielen klanglich erfahrungsgemäß im Mix einer Band eine eher untergeordnete Rolle. Feine Nuancen, die man im Solobetrieb noch heraushören kann, gehen hier gerne schnell verloren.
Für unser Experiment bediene ich meinen Testbass wieder einmal nur durch meine Hände, ein Kabel, sowie einen Verstärker samt Equalizer, wie man ihn an nahezu jedem modernen Amp finden kann.
Für dich ausgesucht
P-Bass im Pop, Funk, R&B, Gospel
In diesen Genres ist zumeist ein eher cleaner Basssound gefragt, der gut im gesamten Mix sitzt, sich aber gleichzeitig nicht zu sehr in den Vordergrund drängelt. Die folgenden Einstellungen sollten diesen Job gut erledigen. Von dieser Ausgangsbasis kann man gegebenenfalls den Sound noch mehr in die gewünschte Richtung individualisieren:
- Pickups: Split Coil 100%
- Tonblende: 100 %
- Position Anschlagshand: Über dem Pickup
- Technik: Fingerstyle
- Equalizer: Bass 1 Uhr – Low Mid 12 Uhr – High Mid 10 Uhr – Treble 12 Uhr
- Hilfsmittel: –
P-Bass im Funk (Slapping)
Gerade in Gospel und R&B kommt bekanntlich des Öfteren die Slaptechnik zum Einsatz. Auch wenn der P-Bass dafür nicht mein persönlicher Favorit ist, besitzt er zweifelsfrei einen eigenen Charme.
Beim Einsatz der Slaptechnik geht leider in der Regel etwas Low End verloren, welches wir jedoch durch einen Boost der entsprechenden Frequenzen am Bass-Regler des Verstärkers wirkungsvoll ausgleichen können. Ein leichtes Absenken der Hochmitten und gleichzeitiges Anheben der Höhen sorgt darüber hinaus für Transparenz und den nötigen Knack!
- Pickup: Split Coil 100%
- Tonblende 100 %
- Position Anschlagshand: Daumen über dem ersten Bund
- Technik: Slapping
- Equalizer: Bass 2 Uhr – Low Mid 12 Uhr – High Mid 10 Uhr – Treble 1 Uhr
- Hilfsmittel: –
P-Bass im Rock
Na, das ist jetzt aber wirklich eindeutig P-Bass-Territorium: Für rockige Sounds erscheint der P-Bass wie gemacht – vor allem im Zusammenspiel mit einem Pick! Das Anheben der Hochmitten sorgt hierbei für etwas mehr Attack und Aggressivität. Bei Bedarf kann man zusätzlich die Höhen noch etwas featuren.
- Pickup: Split Coil 100%
- Tonblende 100 %
- Position Anschlagshand: Über dem Pickup
- Technik: Plektrum
- Equalizer: Bass 1 Uhr – Low Mid 12 Uhr – High Mid 2 Uhr – Treble 1 Uhr
- Hilfsmittel: Plektrum
P-Bass im 60’s-Soul / Motown
Soul, na endlich – auch dies ist eine Stilistik, in welcher der vom genialen Leo Fender ersonnene Precision Bass so richtig zu Hause ist! Am Equalizer des Bassverstärkers bringt hierbei vor allem ein Boost der Tiefmitten ein tolles Ergebnis.
Zusätzlich kann man bei Bedarf Höhen und Hochmitten etwas absenken, falls das Zurückdrehen des Tone-Reglers nicht ausreicht. Auch ein Schwamm bzw. ein anderes Hilfsmittel zum Dämpfen der Saiten ist unbedingt erlaubt!
- Pickup: Split Coil 100%
- Tonblende ca. 30 %
- Position Anschlagshand: Über dem Pickup
- Technik: Fingerstyle
- Equalizer: Bass 1 Uhr – Low Mid 2 Uhr – High Mid 11 Uhr – Treble 12 Uhr
- Hilfsmittel: Schwamm oder ähnliches in der Nähe der Brücke unter den Saiten
P-Bass im Reggae
Obwohl der P-Bass für mächtiges Low End bekannt ist, empfinde ich persönlich ihn für Reggae nicht als erste Wahl. Das ist aber wie so oft reine Geschmacksache – definitiv macht er auch hier einen soliden Job und zahllose P-Bass spielende Reggae-Bassist:innen werden meiner Meinung sicher entschieden widersprechen.
Für das von mir eingespielte Klangbeispiel habe ich die Palm-Mute-Technik (Anschlag mit Daumen, Dämpfen der Saiten mit Handballen) eingesetzt und folgendes Setting am Bassverstärker eingestellt:
- Pickup: Split Coil 100%
- Tonblende: 70 %
- Position Anschlagshand: Über oder leicht hinter dem Pickup
- Technik: Palm Mute / Daumen
- Equalizer: Bass 2 Uhr – Low Mid 12 Uhr – High Mid 10 Uhr – Treble 10 Uhr
- Hilfsmittel: Handballen dämpft Saiten
Video: Der P-Bass in allen Styles im Einsatz
In diesem Video könnt ihr noch einmal alle Klangbeispiele (inkl. J-Bass aus dem letzten Vergleich) hören und sehen:
Fazit
Dieses Experiment zeigt eindrucksvoll, dass mit einem P-Bass zahlreiche Standard-Sounds problemlos realisiert werden können. Neben den vorgestellten fünf Beispielen sind natürlich noch viele weitere problemlos möglich.
Die Kombination aus einem P-Bass, den Händen des Players, verschiedenen Spieltechniken, einigen kleinen Hilfsmitteln sowie natürlich Kabel und Bassverstärker eröffnet uns eine Vielzahl an unterschiedlichen Sounds für eine Viezahl unterschiedlicher Genres.
Wer noch mehr Möglichkeiten zur kreativen Entfaltung sucht: Natürlich lassen sich die Klangfarben durch den Einsatz zusätzlicher Effektgeräte abermals deutlich erweitern. Die Suche nach passenden Zusatz-Tools kann Spaß machen und für einige Bassleute sogar ein tolles Hobby sein. Als wichtigste Erkenntnis dieses Artikel bleibt für mich jedoch stehen, dass man mit einem P-Bass auch auf ganz puristischem Wege glücklich werden kann!
Man darf selbstverständlich nicht unter den Tisch fallen lassen, dass zur Authentizität nicht nur der Sound, sondern auch die Bespielbarkeit, der Look etc. eines Instrumentes beitragen. Bevor wir aber gleich den nächsten Bass ordern, wenn wir mal wieder einen geilen Sound gehört haben, lohnt es sich auszuloten, was für Möglichkeiten einem das zur bestehende Equipment bietet!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt