Panning mit Delay in der Praxis
Statt also in einem der beiden Einzelbusse der Stereosumme ein Signal per Panpot zu verringern, kann man es auch einfach verzögern. Wahrscheinlich lässt sich damit unter Tontechnikern und Musikern das eine oder andere Bier in einer Wette gewinnen. In der Praxis geht es wie folgt: Wenn ein Monosignal vorliegt, muss es in einem Stereochannel wiedergegeben werden, falls es ein Delay unter den Plug-Ins gibt, das einen einzelnen Kanal verzögern kann. Ansonsten muss man das Material zweier Monospuren duplizieren, kann dann dort aber mit Track- oder Region-Delay bearbeitet werden.
Ich habe ein Vocalfile genommen und auf L und R eines Masterbusses geroutet. Die Pegel sind immer identisch, beide Fader stehen auf Unity Gain. Links ist immer unbearbeitet, nur das rechte Signal wird mehr und mehr verzögert:
Wer glaubt, dass da was gemogelt ist, kann gerne einmal einen Blick auf das Meter bei der Wiedergabe werfen. Interessanter werden aber Korrelationsgradmesser und Goniometer/Stereosichtgerät sein.
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So klingt hingegen ein „normales“ Pan per Panpot:
Delay-Panning funktioniert nur in bestimmtem Bereich
Es fällt sicher auf: Spätestens ab den höheren Verzögerungszeiten passiert ortungsmäßig nicht viel mehr. Wir haben zwar auch eine halbwegs passable Möglichkeit zur Hintenortung, aber die benötigt weitere Informationen. Die höher zweistelligen Verzögerungszeiten lassen erkennen, dass sich dann die Signale zu trennen beginnen und separat wahrgenommen werden.
Den Ortungswinkel kann man aus den Ohrabständen und dem Wegunterschied mit der Formel c = r / ∆t ableiten (sollte aber natürlich bedenken, dass Lautsprecher nicht 90° links und rechts aufgebaut werden). C ist die Schallgeschwindigkeit (je nach Dichte/Temperatur 343 m/s), r der Abstand (90° sind ohne Schallumweg um den Kopf etwa 0,17 m und ∆t das Delay. Wirklich wichtig ist das sicher nicht, denn zur Positionierung mittels Panpot bedient man sich auch nicht logarithmischer Pegeldifferenzen, sondern dreht einfach am Knöpfchen.
Wer braucht das eigentlich?
Wer benötigt Delay-Panning, wo es doch einfache Regler gibt? Das ist eine berechtigte Frage – schließlich funktioniert ein Panpot nicht gerade schlecht und ist zumindest häufiger anzutreffen als eine Lösung mit Delay (obwohl, auch das gibt es!). Nun, bedenkt man, dass es immer mehr Konsumenten gibt, die sich nicht um vernünftigen Stereoaufbau scheren, dann macht Delay-Panning durchaus Sinn. Selbst wer eine Box in die Küche stellt und die andere ins Wohnzimmer, bekommt immer noch das gepannte Signal in halbwegs ordentlichem Mischungsverhältnis. Auch bei „Kopfhörerteilern“, bei denen jeder einen Stöpsel abbekommt, kann man dafür sorgen, dass für niemanden ein Signal untergeht oder ganz fehlt. Gleichzeitig funktioniert die selbe Mischung auch unter vernünftigen Abhörbedingungen. Bevor man jetzt dazu anhebt, über Musikhöreigenschaften mancher Menschen zu schimpfen: Im Club oder auch im Café lässt sich zu große Nähe zu einem Kanal aus dem Stereosignal kaum vermeiden. Live gilt das ganz besonders, wo Publikum eben auch mal links neben der linken Box steht. Und die Verzögerungszeiten sind konstant und liegen in einem Bereich, in dem sich rhythmisch noch keine Probleme ergeben. Trotzdem sollte man genau das natürlich kontrollieren.
Nachteil Schwammigkeit kann auch Vorteil sein
Sicher gibt es auch Nachteile gegenüber dem traditionellen Panning per Panpot: Durch die Delays schwimmt das Signal etwas schneller, wird indifferenter und breiter. Andersherum tut das manchen Signalen auch ganz gut, die nicht so messerscharf sein müssen, wie manche Gitarren oder Background-Vocals. Oft versucht man ja mit Effekten, Signale etwas „waberiger“ oder „nach hinten“ zu bekommen. Hier gibt es das quasi umsonst und man spart sich Schmutz durch Early Reflections und Diffusanteile durch ein Reverb. Das ist eine gute Alternative zur Rauminformation, wenn schon viel mit Pannings und Reverb gearbeitet wurde.
Vorsicht aber wegen der Mono-Kompatibilität!
Ein einkanaliges Delay erzeugt jede Menge Korrelationsänderungen. Im Bassbereich sollte man also das Goniometer im Blick halten, insbesondere, wenn man für Vinyl mischt. Und immer schön zum Vergleich „Mono“ in der Abhörsektion drücken, um zu kontrollieren. Und auch perkussive Signale werden besser konventionell gepannt.
Kombinationen sind doch immer gut
Klangfarbenänderungen zur Richtungsbestimmung wurden zu Beginn dieses Artikels angesprochen. Und auch das geht natürlich. Im Beispiel ist nur der rechte Kanal leicht in den Höhen bedämpft (wodurch natürlich ein winziges Stück Gesamtpegel fehlt – zugegeben). Und schon springt das Signal leicht aus der Mitte nach links. Richtig schön und durchaus natürlich klingend ist die Kombination aus Delay, Level-Pan und EQing.
Ich geb`s ja zu: Es ist immer ein höherer Aufwand, als einfach am Panpoti zu drehen. Aber die gewisse Mehrarbeit lohnt sich – und öffnet Horizonte.