Praxis
Ich verbinde den Invective 120 Amp mit meiner 2×12“ Box, die mit zwei Vintage 30 Speakern bestückt ist und nehme sie mit einem SM57 ganz klassisch ab. Das Mikrofonsignal führe ich in einen Telefunken-Preamp und von dort direkt in ein AVID HD i/o Interface, das Ganze natürlich, ohne den Klang weiter zu bearbeiten. Los geht es mit dem cleanen Kanal des Amps und einer Tom Anderson Drop Top mit HSS-Bestückung. Alle Regler des Amps zeigen auf 12 Uhr und ich spiele erst ein paar Akkorde und anschließend eine Picking-Figur.
Der Amp zeigt sich erstaunlicherweise etwas belegt in den Höhen und liefert einen bauchigen Cleansound. Die Attacks treten aber bei härteren Anschläge schön in den Vordergrund. Der Bassbereich zeigt sich recht mächtig, für meinen Geschmack vielleicht ein Hauch zu viel, aber dafür steht ja die Klangregelung bereit.
Für das folgende Beispiel greife ich zu meiner Telecaster, verändere dabei aber nichts an den Einstellungen am Amp.
Die Klangcharakteristik der Telecaster ist deutlich herauszuhören und der Amp liefert einen punchigen, ausgewogenen und fast schon Vintage-anmutenden Cleansound. Das überrascht mich ein wenig, denn der cleane Kanal der Vorbilder dieses Amps, des 5150 bzw. 6505, gehörte sicherlich nicht zu deren Stärke. Das ist hier ganz anders, er zeigt sich je nach angeschlossener Gitarre wandlungsfähig. Zudem präsentiert er sich ausgesprochen übersteuerungsfest, selbst bei ganz aufgedrehtem Pre-Regler lässt er sich nicht zu Verzerrungen verleiten.
Ich aktiviere nun den Boost und behalte die Telecaster bei.
Die Gain-Stufe liefert einen kehligen, stark britisch eingefärbten Sound mit Fokus auf den Mitten. Er ist in den Höhen etwas zurückhaltend, was aber eine willkommene Option zu den Zerrkanälen darstellt.
Da die Boost-Stufe auch einen Gain- und einen Tone-Regler besitzt, drehe ich beide jetzt auf 15 Uhr und greife zur Music Man Reflex.
Wie erwartet, verdichtet sich das Signal aufgrund der höheren Gain-Reglerstellung, dafür kann ich keinen signifikanten Unterschied bei erhöhter Tone-Regler-Stellung heraushören.
Soweit der cleane Kanal, ich schalte nun in den Crunch-Channel, bei dem ebenfalls alle Regler in der Mittelposition stehen. Als Gitarre kommt wieder die Music Man zum Einsatz.
Für dich ausgesucht
Dieser Kanal geht erheblich bissiger ans Werk und besitzt so ein erhöhtes Durchsetzungsvermögen. Der Sound hat zudem genügend Punch und zeigt sich von seiner knochigen Seite.
Was passiert, wenn der Gain-Regler in unterschiedlichen Positionen steht, zeigt das nächste Beispiel. Hierzu drehe ich ihn von 9 Uhr auf 12 Uhr, 15 Uhr und abschließend in die Maximalstellung.
Das Poti zeigt sich recht feinfühlig und ermöglicht bis zur 15-Uhr-Stellung unterschiedlichste Gain-Nuance. Ab 15 Uhr gibt es dann das volle Brett mit langem Sustain und trotz der hohen Zerrdichte klar dargestellten Attacks.
Ich wiederhole den Vorgang, greife nun aber zu einer Cyan-Hellcaster-Baritongitarre.
Mit der auf H gestimmten Gitarre versteht sich der Amp bestens und liefert einen modernen Crunch- und High-Gain-Sound. In den tiefen Frequenzen zeigt er sich auffallend aufgeräumt, was den Bassisten in der Band sicherlich ein Lächeln ins Gesicht zaubern dürfte.
Wie der cleane Kanal besitzt auch der Crunch-Kanal einen Boost, den ich im folgenden Beispiel aktiviere und erst auf 9 Uhr und dann auf 15 Uhr positioniere. Der Gain-Regler zeigt dabei auf 15 Uhr. Ich verwende für das Beispiel wieder die Hellcaster.
Mit dem Boost wird der Kanal zusätzlich angepustet und entsprechend verdichtet sich auch der Sound. Für das Solo zwischendurch sicherlich eine gute Option.
Es wird Zeit für den Lead-Kanal. Wieder kommt die Cyan zum Einsatz, diesmal stimme ich die tiefe H Saite jedoch auf A herunter und drehe den Gain-Regler von 9 auf 12 hin zu 15 Uhr und zum Schluss in die Maximalstellung.
An Gain mangelt es hier ganz sicher nicht! Es ist wirklich sehr beeindruckend, was der Amp abliefert. Für die meisten Anwendungen im härter rockenden Segment sollte er den richtigen Zerr liefern.
Für das nächste Audiobeispiel verwende ich eine Les Paul und aktiviere den Boost. Auch hier drehe ich ihn erst auf 9 Uhr, anschließend auf 15 Uhr. Der Gain-Regler zeigt in die Mittelposition.
Trotz des massiven Gain-Schubs bleibt der Klang klar strukturiert, beim Pumpen auf den tiefen Saiten wird der Klang jedoch breiter. Die Anschläge bleiben bei dem Mehr an Gain aber unangetastet.
Was das Noise-Gate bewirkt, zeigt das nächste Beispiel. Hier stehen Gain- und Boost-Regler auf 15 Uhr, zuerst ohne Gate, im zweiten Durchgang aktiviere ich dann das Gate. Der Regler steht auf ca. 9 Uhr.
Das Gate verrichtet seine Arbeit weitestgehend unauffällig und schon bei dem geringen Reglerwert wird das Signal von störenden Nebengeräuschen befreit. Höhere Reglerstellungen können das Signal anschneiden, was in manchen Situationen sicherlich auch gewünscht ist.
Die nächsten beiden Beispiele befassen sich mit Presence- und Resonance-Regler. Dazu bleibe ich im Lead-Kanal und belasse alle Regler auf 12 Uhr.
Im ersten Durchgang steht der jeweilige Regler auf 9 Uhr, im zweiten dann auf 15 Uhr.
Wieder kommt die Les Paul zum Einsatz.
Auch diese Potis greifen teils drastisch in den Klang ein, ohne sich dabei in den Vordergrund zu stellen. Gerade der Resonance-Regler pumpt den Sound in den unteren Frequenzbändern mächtig auf.
Ich bin gespannt, wie sich der frequenzkorrigierte Ausgang auf der Rückseite des Verstärkers im Klang zeigt. Dazu führe ich das Signal in einen weiteren Telefunken-Preamp und vergleiche ihn mit dem abgenommenen Signal. Erst ist das mikrofonierte Beispiel zu hören, anschließend das frequenzkorrigierte Line-Signal.
Diese Frequenzkorrektur gehört ganz sicher zu den Besten, die ich bisher aus einem Verstärker gehört habe. Der Sound wird sehr natürlich dargestellt und spielt sich auch entsprechend. Natürlich ist bei dem mikrofonierten Ton mehr Raumanteil zu hören, was den Klang etwas plastischer macht, aber grundsätzlich ist das wirklich sehr beeindruckend, was Peavey da entwickelt hat.
Bevor es zum Ende geht, möchte ich herausfinden, wie sich die Leistungshalbierung im Klang niederschlägt. Erst ist der Amp mit voller Leistung, dann mit der halben zu hören.
Wie erwartet wird der Klang mit der Reduzierung komprimierter und dicker, ohne zeigt er sich offener und leicht spritziger im Antritt. Allerdings sind die Unterschiede für meinen Geschmack eher spür- als hörbar.