Praxis
Direkt aus dem Koffer glänzt unsere Testkandidatin mit einer guten Bespielbarkeit und kommt trotz der relativ flachen Saitenlage erfreulicherweise ohne Saitenklirren aus. Die aufgezogenen Saiten könnten für mein Gefühl noch etwas stärker ausfallen, eignen sich andererseits aber für vielseitige Spielweisen und Ausflüge in unterschiedliche musikalische Welten. Leider ist die Oktavreinheit der g-Saite nicht ganz sauber eingestellt, was hin und wieder auffällt, speziell im Akkordspiel. Auch wenn solche kleinen Unsauberkeiten relativ schnell korrigiert sind, wäre es zumal in dieser Preisklasse schön, nicht noch nachträglich Hand anlegen zu müssen. Wie bei der Peerless Renaissance Custom, die ich kürzlich begutachten durfte, könnten für meine Geschmack die Griffbrettkanten abgerundeter verlaufen. Beim Spielen fällt dieser Umstand aber nicht weiter ins Gewicht.
Unser Testmodell ist, genau wie die ES 175 von Gibson, ganz klar eine Archtop für den verstärkten Betrieb, kommt aber dennoch ohne Sustainblock. Aufgrund der Sperrholzkonstruktion sowie des eingelassenen Pickups hat das Instrument verständlicherweise kein großes akustisches Potential, ist dafür aber am Amp (so viel sei schon einmal vorab verraten) auch in höheren Lautstärken recht rückkopplungsfest.
Schaut man auf die Liste der Spieler des Gibson-Vorbilds, fällt aber auf, dass die ES 175 sowohl in den Händen von Jazz-Spielern wie beispielsweise Pat Metheny, als auch von rockigeren Akteuren wie dem britischen Gitarristen Steve Howe eine gute Figur macht, was eine gewisse Vielseitigkeit suggeriert. Ich bin gespannt, wie sich unsere Kandidatin dahingehend schlägt.
Für die Audiofiles verstärke ich die Gitarre mit einem Polytone Minibrute Amp, einem Klassiker unter den Jazzgitarrenamps. Der Verstärker ist mit einem SM 57 mikrofoniert und ich mache mir zunächst ein Bild von den drei Pickup-Einstellungen. Ich beginne mit dem Hals-Pickup.
Der allgemeine verstärkte Sound gibt sich absolut genretypisch mit dem ausgeprägten Bassfundament und der etwas trägen Tonentfaltung. Für das eben gehörte Rhythmusgitarrenspiel gefällt mir dabei der Mix aus beiden Tonabnehmern sehr gut, der sich für mein Empfinden aber auch in “retro-souligen” Gefilden einsetzen lässt.
Ich schalte zurück zum Hals-Pickup und drehe das Tone-Poti fast komplett zurück. Der hier entstehende muffige “Handschuh-Ton” kann sich im traditionellen jazzigen Kontext absolut hören lassen.
Wieder geht es in die Mittelposition, die mir für das Rhythmusspiel mit dem Plektrum auch hier wirklich zusagt.
Den Steg-PU kombiniere ich im folgenden Beispiel mit einem Tremolo Effekt. Auch bei diesen offenen Akkorden kombiniert mit einem schärferen Clean-Ton kann das Instrument in der Tonansprache seine Herkunft nicht verbergen, was dem klanglichen Erscheinungsbild aber in meinen Ohren eine durchaus interessante Note verleiht.
Für dich ausgesucht
Abschließend will ich euch die Archtop aber auch nicht im Bandkontext vorenthalten. Für die Rhythmusgitarre hören wir erneut die Kombination aus beiden Pickups. Die gehörten Sololinien spiele ich mit dem fast komplett geschlossenen Hals-Pickup. Für mein Gefühl bleiben in diesem “Smooth Jazz”-Kontext keine Wünsche offen. Sehr schön!