Praxis
Dank des fehlenden Sustainblocks ist diese Gitarre ein absolutes Leichtgewicht und neigt erfreulicherweise trotz leichterem Korpus nur ganz dezent zur Kopflastigkeit, die sich für mein Gefühl am Gurt nicht negativ auswirkt. Meine Waage bestätigt mir mit 2,8 kg dann auch meinen Eindruck. Die Einstellung ab Werk erlaubt eine problemlose Bespielbarkeit, könnte aber noch optimiert werden. So klappern die Mechaniken hier und da ein wenig und auch die Oktavreinheit ist nicht ganz einwandfrei eingestellt. Dies sind natürlich alles Punkte, die von einem Fachmann in Kürze bewerkstelligt werden können. Dennoch wäre es bei einem Preis von knapp 1000 Euro erfreulich, solche Arbeiten nicht noch nachträglich machen zu müssen.
Beim ersten trockenen Anspielen macht sich das Fehlen des Sustainblocks dann auch bemerkbar. So bekommt der Ton als Rückmeldung vom Body dieses für akustische Jazzgitarren typische weiche “Plopp”.
Der Hals fällt nicht allzu kräftig aus, liegt aber gut in der Hand. Nur die Griffbrettkanten könnten für meinen Geschmack etwas abgerundeter sein. Logischerweise hat das vorliegende Modell mit laminiertem Body und eingelassenen Pickups akustisch deutliche Grenzen. Die veränderte Ansprache des Tons gegenüber semi-akustischen Gitarren ist dennoch nicht von der Hand zu weisen. Ich bin gespannt, wie sich dieser Umstand am Amp auswirkt. Durch die Saitenaufhängung am Tailpiece zeigt sich auch hier das typische Scheppern, das sich aber beispielsweise mit einem Stück Filz zwischen den Saitenenden problemlos in den Griff bekommen lässt.
Die ab Werk aufgezogenen Halfround-Saiten tendieren für mein Empfinden mehr in Richtung Flatwounds, lassen sich aber dank ihrer für Jazzgitarrenverhältnisse geringen Stärke auch für andere Spielweisen nutzen. Zudem sind sie an dem geschilderten akustischen Klangbild ebenfalls nicht ganz unschuldig.
Für die Aufnahmen kommt heute mein Polytone Mini Brute Jazzgitarren-Amp zum Einsatz, der mit einem SM57 mikrofoniert ist.
Hören wir uns zunächst alle drei Pickup-Positionen beginnend mit dem Hals-Pickup an.
Der Hals-Pickup kommt mit viel Fundament und trägt durchaus die typischen Gene einer elektrisch verstärkten Jazzgitarre. Auch der Sound beider Pickups in der Mittelposition sagt mir zu. Hier lässt sich die Gitarre für meinen Geschmack durchaus in sehr individuellen Spielweisen über Jazz, Blues und Soul einsetzen. Der Steg-Pickup kommt dann mit dem typisch quäkenden Ton daher, der in Solopassagen für einen durchsetzungsfähigen Sound sorgt. Insgesamt gefällt mir der Klang und das Auflösungsverhalten der Pickups sehr gut. Nur die Elektronik ist offensichtlich nicht komplett abgeschirmt und deshalb auch nicht frei von Nebengeräuschen.
Ich gehe zurück zum Hals-Pickup und drehe das Tone-Poti auf drei. Weiche und warme Jazzgitarren-Sounds lassen sich mit diesem Setting und der Saitenwahl wunderbar umsetzen. So kann dieses Modell als Jazzgitarre im verstärkten Kontext absolut bestehen. Mit kräftigeren Flatwounds dürfte sich der Spielspaß zudem noch erhöhen.
Für dich ausgesucht
Mein erster Eindruck, dass sich diese Gitarre ähnlich einer 335 durchaus individuell einsetzen lässt, bestätigt das nächste Beispiel. Hier hören wir die Gitarre in einem bluesigen Kontext in der Mittelposition.
Natürlich sorgen die Halfround-Saiten für einen gedeckteren Sound in den Höhen. Sind Jazzsounds unter Umständen nicht die erste Adresse, dürften Roundwound-Saiten Abhilfe schaffen und die schon angesprochene Flexibilität des Instruments untermauern.
Dennoch kann man unsere Kandidatin mit den Saiten ab Werk auch zu Overdrivesounds überreden. So stehen Ausflüge in Fusion-artige Gefilde wie beim abschließenden Beispiel dem Instrument auch recht gut. Obwohl die Gitarre auf einen Sustainblock verzichtet, ist sie auch bei höheren Lautstärken erstaunlich rückkopplungsfest. Sehr schön!