Pioneer DDJ-S1 Test

DETAILS

Echt schick der Bursche und unverkennbar Pioneer. Die 120-Millimeter-Jogwheels und Play-/Cue-Tasten sehen dem CDJ-400 wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich, der Pitch hat eine Gleitnut wie beim CDJ-800 und die Fader erinnern mich an den kürzlich getesteten DJM-2000. Jeder, der schon mal mit CDJs und Clubmixer aufgelegt hat, sollte daher ohne große Einarbeitungszeit klarkommen. Beim Schütteltest wackelt nichts, alle Buchsen sind fest verbaut. Die Bedienelemente beweisen bereits beim ersten Befingern ihre gute Qualität. Auch das Design mit den formschön abgerundeten und abgewinkelten Seiten im besten Starfighter-Look trifft meinen persönlichen Geschmack. Die Konsole ist, bis auf das Unterblech, hauptsächlich aus Kunststoff gefertigt. Schön, dass Pioneer sich für eine matte, nachtschwarze Oberfläche entschieden hat. Das erspart so manchen Poliertuch-Einsatz, denn eine Fingerabdruck-Falle ist der DDJ ganz und gar nicht. An die Kunststoff-Kritiker: Was würde der Bursche wohl auf die Waage bringen, hätte Pioneer ihm ein vollwertiges Metall-Case verpasst? Zwei bis drei Kilo mehr vielleicht? Mag sein, aber so bleibt es bei knapp 5000 Gramm. Die werden jetzt kurzerhand auf den DJ-Tisch gewuchtet, um den Probanden genauer unter die Lupe zu nehmen. Ein Kandidat für die Rucksacktour zur Hüttengaudi ist er bei Maßen von 680 x 95,2 x 317,7 Millimeter sicherlich nicht mehr, daher sollte der Käufer für eventuelle Reisen nach einem geeigneten Flightcase Ausschau halten. Für den T1 gibt es im Online-Handel bereits Schutzbehausungen für etwa 150 Euro. Diese sollten auch dem S1 adäquate Transportmittel sein – wenn es sein muss, auch auf dem Nachbarsitz im Sessellift. Und im Flieger als aufgegebenes Stück, versteht sich – nicht als Handgepäck. Der restliche Kartoninhalt: ein Multinorm-Netzteil, zwei multilinguale Bedienungsanleitungen, eine Installations-CD für die Betriebssoftware und ein USB-Kabel.

Wer hat der hat
Offensichtlich legt Pioneer einen besonderen Fokus auf den Bedienkomfort während der Mixsession – mit viel Raum zum Austoben auf der Oberfläche. Da passt es ganz gut, dass der Hersteller sein Riesenbaby auch mit stattlichen Standfüßen ausstattet, denn sie bieten zudem einer Laptoptastatur Raum. Und in manchen Kanzeln ist es ja bekanntlich nicht nur dunkel, sondern auch schon mal recht eng. Das örtliche 17-Inch-Widescreen-Winbook fand anstandslos Platz und so sollte es wahrscheinlich den meisten Geräten gehen, die nicht allzu hoch ausfallen. Ihr wollt es genauer wissen? Vom Tisch bis zur Unterkante der Kommandozentrale sind es knapp 35 Millimeter. Die Spanne zwischen den beiden Füßen beträgt etwa 47 Zentimeter. Eine Online-Suche beim Notebook-Händler meines Vertrauens ergab, das aktuelle 18,4 Zöller mit einer Displaydiagonale von 46,7 Zentimetern und einer Breite von meist 45 Zentimetern horizontal durchaus für die Aussparung geeignet wären, allerdings fielen die meisten Modelle mit über 35 Millimetern Höhe durch. Bei den 17 Zoll-Typen sieht es schon besser aus. Ein 2,5 Zentimeter flaches MacBook-Pro passt von den technischen Daten her perfekt drunter. Keine Spur von Platzangst. Allerdings könnte dieser Ablageort je nach Computermodell auch zu thermischen Problemen führen, da die Hitze nicht so ohne Weiteres nach oben entweichen kann. Ein weiterer überdenkenswerter Punkt: Gerade bei Hochzeiten, Ramba-Zamba-Parties und Situationen, wo das Publikum nicht gerade geizt, seine individuellen musikalischen Stimmungsmacher einzufordern, ist der Deejay auf eine entsprechend große Library angewiesen. Da sorgt eine verdeckte Tastatur, die eine inkrementelle Suchanfrage unmöglich macht, nicht gerade für Jubelschreie. Workaround? Notebook-Ständer erwerben, USB-Tastatur vor das Gerät legen oder die Alphabet-Search-Funktion nutzen. Auf Letztgenannte kommen wir an späterer Stelle zurück. Zeit, die Schaltkreise im Steuerpult mit Lebenssaft aus der Steckdose zu versorgen.

Backpanel
Der DDJ-S1 hat ein internes Audiointerface im Bauch, das mit 44,1 kHz bei maximal 24 Bit Auflösung arbeitet. Die Verbindung mit der PA und einer Monitoranlage erfolgt über die symmetrischen XLR-Ausgänge, die leider nur dem S1 und nicht dem T1 zuteilgeworden sind, (schaltbar: -12, -6, 0 dB) und via Stereo-Cinch. Dabei handelt es sich um ein geklontes Mastersignal – ein separater Booth-Ausgang ist nicht vorgesehen. Das ist schon etwas schade, denn dann kann der DJ beide Soundsysteme bei Bedarf nicht mal auf die schnelle individuell über den Controller einpegeln. Stattdessen muss er an der Endstufe nachregeln. Tja, und die steht ja manchmal an entlegensten Orten. Damit kämpft der S1 aber nicht allein auf weiter Flur, weil auch der DDJ-T1, Vestax VCI-100 MK2 oder Traktor Kontrol-S4 dieses Säckelchen zu tragen haben. Auch digitale Outputs suche ich vergebens. Neben den beiden Ausgängen ist ein regelbarer Cinch-Eingang für einen Line-Zuspieler platziert. Eine Vinyl-Schallplatte ließe sich demnach nur in den Mix einspielen, wenn externe Vorverstärker zum Zuge kommen oder der Turntable ein Line-Signal ausgeben kann. Interne und eingespeiste Klangquellen werden auf Wunsch als AIFF/Wave-Datei mit 16 oder 24 Bit aufgezeichnet.

Dual Master mit XLR und Cinch
Dual Master mit XLR und Cinch

Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich eine USB-Typ-B-Buchse, welche die Verbindung mit dem Computer herstellt. Ferner sehe ich eine Ausfräsung für eine Kensington-Diebstahlsicherung und einen Netzteilanschluss mit Powerswitch. Der S1 kann sowohl vom Computer als auch extern gespeist werden. Entscheidet sich der DJ für die USB-Variante, muss er allerdings auf das Lauflicht am Jogwheel verzichten und einen deutlichen Abfall der Tastenbeleuchtung hinnehmen. Obendrein ist es nicht möglich, den XLR-Ausgang sowie beide Mikrofonwege und den AUX-in zu betreiben.

Der Rest vom Fest
Der Rest vom Fest

An der rechten Seite findet sich der zweite Mikrofoneingang, der sich den Signalweg mit dem rückseitigen AUX-in teilt. Wer also einen Sampler anstöpselt und mit MIC2 drüber rappen will, schaut erst einmal in die Röhre, denn die angeschlossenen Geräte können nur alternativ betrieben werden. Ein Kippschalter dient dabei der Quellenauswahl. Aber keine Panik! Dem Testkandidaten hat man links oben auf der Schaltzentrale noch eine zweite Mikrofongruppe spendiert, die dynamische Mikrofone mit einer XLR-Klinken-Kombibuchse aufnimmt und sich der zuvor genannten Herausforderung stellt. Beide (!) Signalwege verfügen über eine dreibandige Klangregelung nebst Gain und einer gut eingestellten Talkover-Funktion, die sich bedauerlicherweise nicht an die individuellen Anforderungen von DJ und Umgebung anpassen lässt.

Fotostrecke: 3 Bilder Bei einem Systemcrash funktioniert Mike 2 auch ohne Computer

Das Gros der Itch-Controller ist bekanntlich in der Lage, ein anliegendes Aux-Signal direkt durchzuschleifen – und das ist auch beim Pioneer DDJ-S1 der Fall. Sollte es also während der Performance zum Supergau – sprich Computer- oder Softwarecrash kommen, den ich ehrlich gesagt in den letzten Jahren nicht mehr erlebt habe, lässt sich ein iPod oder CD-Player als Notfallzuspieler einsetzen. Oder der DJ kann während des Reboots ein paar Witze erzählen und das Publikum zum Singen animieren, bis das System wieder hochgefahren ist. Sollte zudem ein Gast mit einem MP3-Player einen Wunsch äußern oder der Brautvater eine CD aus dem Ärmel zaubern, die ihm wohl kaum abzuschlagen wäre, ist man mit dem geeigneten Adapterkabel, respektive Zuspieler, für alle Zwecke gerüstet.

… Starfighter lässt grüßen
… Starfighter lässt grüßen
Nadelstreifen gibt’s nicht nur am Anzug
Unter den Mikrofongruppen ist ein zwölf Zentimeter langer horizontaler Touch-Streifen eingelassen, der quasi als Tonarm-Ersatz dient. Daher auch der Name „Needle-Search“, denn ähnlich wie bei einem Plattenspieler kann der DJ einen virtuellen Needledrop ausführen, indem er mit dem Finger auf eine Stelle des Streifens tippt. Oder er spult damit durch die Wellenform, weil die Audiodatei des zugehörigen Players über die volle Länge des Feldes gemappt ist. Dieses Prinzip kam schon vor zwei Jahren beim Numark NS6 und später beim V7 zum Einsatz und ist nun auch beim Pioneer DDJ-T1 implementiert, nur fehlt ihnen die neunschrittige LED-Anzeige des S1, die ein visuelles Feedback zur ungefähren Position des Wiedergabemarkers liefert. Mir gefällt diese Art der Navigation ganz gut, denn man muss nicht zum Laptop greifen und in die Welle klicken, um mal wieder ein ellenlanges Intro zu überspringen. Zudem ist man viel schneller im Song unterwegs als mit den oftmals verbauten Spul-Buttons oder einem Encoder. Aber nicht unbedingt präziser. Wer nämlich einen bestimmten Frame anfahren möchte, um einen Cuepoint oder Loop akkurat zu platzieren, sollte lieber das Jogwheel nutzen, denn dazu ist der Slider zu grob aufgelöst. Der Streifen hat sogar noch eine zweite Funktion. Neu in Itch 1.8 ist der Alphabet-Browser. Er erscheint, wenn der DJ mit dem Finger über den Touchslider fährt und schaltet durch ein alphabetisches Register. Ein tolles Tool, mit dem man ziemlich flott unterwegs ist. Vor allem, wenn die Tastatur unter dem Controller begraben ist.
Mit dem Streifen durchs alphabetische Register oder als Tonarm-Ersatz
Mit dem Streifen durchs alphabetische Register oder als Tonarm-Ersatz

Mischpultsektion
Der Pioneer DDJ-S1 ist weitgehend nach dem Vorbild klassischer Einzelkomponenten konstruiert, was gerade Umsteiger vom CDJ begrüßen werden. Daher residiert das Zweikanal-Mischpult im unteren Zentrum. Oben befindet sich der Dreiband-EQ mit einem Cut/Boost von wahlweise 6 oder 12 dB (softwareseitig einzustellen) und den gar nicht mehr so obligatorischen Trimmpotis. Wer unterschiedlich laute Musikdateien nicht manuell einpegeln möchte, bedient sich der Auto-Gain-Funktion (-83 bis -98 dB). Die integrierten Equalizer verfügen über eine rastende Stellung bei 0 dB, weisen einen angenehmen Regelwiderstand auf und sind dank geriffelter Potikappen recht griffig. Bedauerlicherweise ist ihnen keine Kill-Funktion zuteilgeworden, was aber eher an der Software Serato-Itch liegt. Denn immerhin ist der Pioneer DDJ-S1 ein MIDI-Controller und kein Stand-Alone-Mixer.
Zwischen den Equalizern sind Master- und Vorhörsektionen arrangiert. Ein Knopf ist für die Hauptlautstärke zuständig, zwei weitere für die Kopfhörer-Lautstärke und den Cue-Mix. Leider sind die Trim-, Master- und Preview-Regler ziemlich klein geraten, was gerade diejenigen DJs bemängeln könnten, die während ihrer Darbietung ständig pegeln und zwischen Preview und Mainout blenden. Hier hätte ich lieber größere Ausführungen gesehen, auch wenn es durchaus der Übersicht zugutekommt.

...etwas kleinere Master/Cue-Potis
…etwas kleinere Master/Cue-Potis

Am südlichen Ende ist die Fader-Sektion beheimatet, die zwei sanft gleitende 50 Millimeter Flachbahnregler und einen verhältnismäßig leichtgängigen Crossfader zeigt. Drei eingelassene Schalter aktivieren Faderstart für die Crossfader-Pole und den Crossfader-Reverse-Betrieb. Schalter vier deaktiviert den Überblendregler ganz oder weist ihm eine von zwei Blendausprägungen (hart, weich) zu. Ehrlich gesagt hätte ich eher ein Poti zur stufenlosen Konturanpassung erwartet. Die Kurvencharakteristik (auch Up-Fader) ist stattdessen in der Software mittels zweier Drehregler festzulegen. Diese Art der Konstruktion hat zur Folge, dass einem hier bei intensiven Scratch-Einlagen nichts im Weg steht. Aber hätte man die Kurveneinstellungen nicht an versenkbare Drehregler an der Vorderseite der Konsole vergeben können?

Zwischen den Fadern bringt Pioneer eine siebenschrittige Pegelmeter-Anzeige unter, welche die Pegelverhältnisse in den Kanälen und das Master-Volume anzeigt. Diese optische Kontrollmöglichkeit ist für mich ein Muss in dieser Preisklasse, beim Traktormodell DDJ-T1 jedoch nicht zugegen, was ich ehrlich gesagt nicht verstehen kann.

Pegelmeter, die die Welt bedeuten...
Pegelmeter, die die Welt bedeuten…

Hoch im Norden ist die Browser-Sektion mit den Tasten Crate, Files, Browse, Prepare, Load- Prepare und Back plaziert. Sie ermöglichen den Zugriff auf die virtuellen Plattenkisten, Playlisten, den Dateibaum und werden von einem Push-Encoder zum Navigieren durch die Listen- und Crate-Ansicht unterstützt. Einige Tasten haben zwar eine zweite Beschriftung verabreicht bekommen, die Funktionen standen allerdings zum Testzeitpunkt noch nicht zur Verfügung.

Deck-Sektionen, Jogdials und Pitch
Ein richtiger Eyecatcher sind die großen hundertzwanziger Jogwheels. Ihre Standard-Betriebsart ist der Nudge-Modus. Dreht der DJ den Teller im Uhrzeigersinn, beschleunigt er den Song kurzzeitig, entgegengesetzt bremst er ihn ab. Der Scratch-Modus wird mittels VINYL eingeschaltet und löst aus, wenn der DJ die Oberfläche des Jogwheels herunterdrückt. Der Teller selbst ist von einem roten Leuchtring umgeben. Das Wheel hat einen angenehmen Widerstand und ist als scratchtauglich einzustufen. Es legt solide Pioneer-Qualität und den typischen Sound beim Drehen an den Tag. Der äußere Tellerrand ist mit Vertiefungen besetzt, die als Fingerführung dienen.

Wo anders als auf dem linken Flügel sollten die beiden silberfarbenen grün und orange beleuchteten Cue/ Play-Buttons Platz gefunden haben? Zu ihnen gibt es nicht viel anzumerken, außer, dass sie einen CDJ-typischen Druckpunkt an den Tag legen. Auf der gegenüberliegenden Seite ist der vierstufig skalierbare 100-Millimeter-Pitchfader mit Führungsmulde plaziert. Er lässt sehr feine Nuancen in der Tempoabstimmung zu. Bei sechs Prozent Pitch-Intervall bewegen sich diese im Bereich von 0,01 BPM, bei zehn und sechzehn Prozent kann der DJ noch gut mit Zehnteln arbeiten, bei 100 Prozent sind es ebenfalls respektable 0,5 Beats. Zudem kommunizieren die beiden Softwareplayer mit den Fadern über zwei Lämpchen und zeigen so an, in welcher Richtung der Schub zu erfolgen hat, um die Songs im Tempo abzugleichen. Hat sich der Beschallungsverantwortliche erst einmal bis auf ein paar Millimeter rangetastet, erledigt er den Rest per Gehör und Jogwheel. Das ist doch was, oder nicht? Oder er drückt einfach auf einen der beiden Sync-Buttons. Ein wenig stört mich allerdings, das die Synchronisierung, oder sagen wir besser der ausgelöste Sync-Lock, jedesmal aufs Neue per Shift-Kombination (jedes Deck nutzt im Übrigen ausschließlich den ihm zugeordneten Shift-Button) abgeschaltet werden muss. Gerade im Genre-Mix eine absolut lästige Sache. Pitchbend-Tasten sind zu meinem Bedauern übrigens ebenfalls nicht an Bord.

Sync oder nicht Sync, das ist hier die Frage
Sync oder nicht Sync, das ist hier die Frage
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selekta sagt:

#1 - 24.06.2011 um 18:57 Uhr

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Hallo erstmal und danke für den ausführlichen bericht.
Meine frage...
Kann man sagen das der ddj-s1 besser ist oder mehr zu bieten hat als der xone dx von allen & heath? Danke schonmal im vorraus.

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