Praxis
Zunächst etwas Vorarbeit: Ist Pioneers DJ-Programm (zum Testmarathon) rekordbox noch nicht auf dem Rechner vorhanden, muss die Software von der Hersteller-Website geladen werden, CDs gehören ja schon lange nicht mehr zum Lieferumfang gängiger DJ-Controller. Meine bereits bestehende Installation meldet: Zeit für ein Update und fordert auch gleich den Download/Install des DDJ-800 Treibers für den Mac ein.
Offiziell lauffähig ist das Programm auf Intel-Core-i-Systemen mit 4 GB Ram und Windows 7 bis 10 bzw. MacOS 10.12 bis 10.14. Die obligatorische Ausschau nach neuer Firmware bringt ebenfalls ein Update für den 800er hervor. Das Audiointerface bietet sechs USB-Ein- und Ausgänge und arbeitet mit 24 Bit und 44,1 kHz. Der DDJ-800 wird automatisch erkannt und eingerichtet.
In-the-Mix
Für den Praxistest macht es sich der Controller zwischen zwei Vestax-Plattenspielern gemütlich, die via Phono-Eingang angeschlossen sind. Neuankömmlingen im rekordbox-Kosmos ist zunächst eine Analyse der Musikbibliothek zu empfehlen, damit sich die volle Bandbreite der kreativen Features nutzen lässt. Das geht je nach Hardware und Sammlung natürlich mit ein wenig „Wartezeit“ einher, doch RB nutzt dabei eine Multicore-Analyse, statt Track nach Track zu berechnen, das bringt einen Geschwindigkeitsvorteil.
Dann landen zwei digitale Tracks in den Decks und es heißt Spaß haben – und das ist hier wirklich wörtlich zu nehmen, denn die Jog-Displays, die bunten Performance Pads, die gut aufgebaute Mixersektion und die zahlreichen FX laden einfach zum kreativen Mix ein.
Die Haptik der Bedienelemente tut ihr Übriges dazu. Die überwiegend gummierten Pots fassen sich gut an und drehen cremig, der Crossfader ist zwar kein Magvel, aber leichtgängig ist er schon, wohingegen die Linefader mit angenehm größerem Widerstand agieren. Die grundlegende Bedienung ist straight-forward. Die „Navigation“ bietet zusätzlich zum obligatorischen Browser-Encoder und den Ladetasten auch den Zugriff auf „related Tracks“, die Playliste-Palette, unterschiedliche GUI-Ansichten, Tagging für die temporäre Playliste und Instant Doubles.
Die Master- und Booth-Lautstärkeregler (mit Vorhöroption) ermöglichen, unterschiedliche Pegel direkt vom Pult einzustellen, zum Beispiel für die Hauptanlage und Monitorboxen. Der Ausgabepegel ist via Preferences für beide Outputs dämpfbar (0, -6 dB, -12 dB) und auf mono schaltbar, ferner dürft ihr festlegen, ob das Mikrofonsignal auf Master, Booth oder beides ausgespielt wird und einen Peak-Limiter sowie Headroom (0 bis -21 dB) aktivieren und einiges mehr.
Ein Cue/Mix-Regler dient zum stufenlosen Blenden zwischen Preview- und Master-Signal und der Level-Regler macht Dampf auf dem Kopfhörer, jedoch beginnt es auf meinen Testkopfhörern von Ultrasone und Sennheiser in Abhängigkeit von der Cuemix-Stellung ungefähr ab 13-Uhr-Reglerstellung zu zerren. Ausreichend laut ist es dann allerdings auch.
Sind die Tracks analysiert und das Beatgrid korrekt, funktioniert die automatische Taktsynchronisation problemlos. Ihr könnt den Taktgeber dabei selbst auswählen/wechseln. Die gut funktionierende Master-Tempo-Funktion behält die Tonart bei, außerdem lässt sich via Key-Sync die Tonart auf den Track gegenüber matchen.
Aber nicht jeder steht bekanntlich auf Beat-Sync und manchmal muss auch nachgeholfen werden, wenn BPM und Grid (Anpassung via Jogwheel möglich) falsch sind, Tracks variieren oder ganz einfach nicht berechnet sind/wurden.
Beim manuellen Angleichen der Tracks kommt man mit dem 100 Millimeter langen Pitch, der in Zehntel-BPM und Zehntel-Prozentwerten am Display angezeigt wird, und den im Laufwiderstand einstellbaren Jogwheels (dazu gleich noch mehr) gut zurecht. Der Tempofader hat aber keine Pick-up-LEDs für den Fall eines Deckwechsels anzubieten. Man kann sich jedoch grob am Screen orientieren, der ja den Pitch-Prozentwert des jeweiligen Decks anzeigt – und klar, Wertesprünge nach einem Deckwechsel gibt es weder beim Pitch noch bei den Fadern oder EQs. Der Cue-Button funktioniert hier auch zum händischen Einklopfen des Tempos (Tap).
Beim Wechsel zwischen Turntables oder internen Decks sind ebenfalls keine Auffälligkeiten zu vermelden. Klar müssen dann nicht selten kleine Pegelunterschiede angepasst werden. Für die grobe visuelle Orientierung sind die achtschrittigen LED-Meter aussagekräftig genug und man hat ja auch noch seine Ohren.
Den -26/+6-dB-Dreiband-Equalizer darf man wohl als musikalisch bezeichnen. Anders als beim aktuellen Flaggschiff-Mixer DJM-900NXS2 setzt der Hi-Q hier jedoch bei 20 kHz und nicht bei 30 kHz an, Mid-Q und Low-Q hingegen packen identisch bei 1 kHz respektive 20 Hz zu. Dreht man alle Regler auf Anschlag rechts, herrscht Stille, so im Software-Panel von EQ auf Isolator umgeschaltet wurde, ansonsten bleibt eine Restsignal zu hören. Wer noch mehr anpassen möchte – die Preferences bieten hinreichend Spielraum von Curves über Klang (DJM-900, 900NXS2) etc.
Standard sind auch die 45 Millimeter langen Flachbahnregler. Nice to have: Bei gehaltener Shift-Taste ist Faderstart des zugehörigen Decks möglich. Schade allerdings, dass es dem leichtfüßigen Crossfader wie schon beim Geschwistermodell an hardwareseitigen Scratch-Bells&Whistles fehlt. Die Anpassung der Flankensteilheit und des Cut-in-Lag (ab 0,5 mm) muss via Software erfolgen. Und wo ich grad beim Thema Scratching/Turntablism bin:
DVS
Der Controller ist außerdem rekordbox-dvs-kompatibel, folglich könnt ihr die Software-Player über passende Timecode-Vinyls (ab 16 Euro Stückpreis) steuern. Dafür muss in das kostenpflichtige „plus pack“ investiert werden. Aktuell sind 99 Euro via Sofort-Kauf fällig oder ihr abonniert das Feature für nen Zehner pro Monat. Für DVS ist mindestens die Firmware V1.01 Pflicht. Das Programm reagiert sehr direkt und echtzeitlastig auf das Handling des Vinyls auf dem Plattenspieler
Jogwheels
Wow – die machen was her. Klar, Displays in Controllern sind ja nun keine Seltenheit mehr, angefangen mit dem S8 oder dem neuen S4, Denons MCX8000 oder auch Numarks Mixtrack Pro, nur wie das Ganze umgesetzt wird, das ist natürlich eine individuelle Sache. Pioneer integriert sie in die Jogwheels und spart damit gegenüber einem XDJ-RX2 beispielsweise Raum ein.“Under fire“ sind die Teller ein echter Eyecatcher. Sie zeigen auf Wunsch Cover-Art, Waveforms, Scope-Display, Cue-Meter, Deck-Status sowie Tonart, Pitch, Sync-Status und dergleichen an, konfigurierbar in der Software. Ein optischer Effekt hier noch: Die äußere Helligkeit ändert sich mit der Channelfader-Stellung.
Die seitengeriffelten Teller fassen sich gut an, es macht Laune, damit zu arbeiten. Mittels Drehregler lässt sich der Widerstand in 13 Schritten von light auf heavy stellen und meiner Meinung nach sind diese Stufen gut gewählt. Die Teller sind mit 150 mm Durchmesser (130 mm Auflagefläche) circa 50 mm kleiner als beim DDJ-1000 und von der Größe her im Grunde identisch mit dem XDJ-RX. Das Display ist scharf, die Anzeigen nützlich, und wenn man damit jetzt noch durch die Playlist navigieren könnte, das wär der Knaller – so ist halt doch ab und an der Blick zum Notebook erforderlich.
Mikrofon
Linker Hand findet sich der Mikrofonkanalzug, dem Pioneer – warum auch immer – versagt hat, mit der Beat-FX-Sektion zusammenzuarbeiten. Eine unnötige Einschränkung, wie ich finde. Wollt ihr auf eine Durchsage oder Moderation mal eben einen Hall- oder Echoeffekt abzufeuern, geht das nur via Effect-Mode respektive Software-Routing, nicht standalone, einhergehend mit einer leichten Verzögerung des Signals je nach Buffer-Einstellungen. Stört einen dies mitunter, ist der direkte „Low Latency Modus“ vorzuziehen. Wegrationalisiert wurde hier die zuschaltbare Standalone-Ducking-Funktion. Im Effect-Mode der Software lassen sich allerdings auch hier Talkover und besagter Feedback Reducer einschalten.
Beide Mikrofone können separat eingepegelt, jedoch nur gemeinschaftlich eingeschaltet und klanglich abgestimmt werden. Dies übernimmt ein Zweiband-EQ, der mit kleineren Reglern auskommen muss, nach wie vor aber mit +/-12 dB bei 10 kHz (Hi) und 100 Hz (Low) arbeitet.
Effekte
Rechts finden sich die Beat-FX ein, die mit Enigma Jet, Mobius Saw und Triangle, MT Delay, Low Cut Echo einige Klangschredder an Bord haben, auf die die DJM-Riege noch warten muss. Ferner sind vertreten Flanger, Phaser, Pitch, Slip roll, Roll, Trans, Reverb, Spiral, Echo. Die FX können manuell via Tap-Taster sowie automatisch zu den Decks synchronisiert werden, mit den Beat-Tasten im Timing angepasst und via Dry-Wet-Regler in der Intensität dem Gesamtsignal zugemischt werden. Das kleine, jedoch ziemlich gut ablesbare Display verrät euch BPM und den eingestellten Effekt-Typus, die Effektzeit und den ausgewählten FX-Kanal (Sampler, Master, Decks 1-4).
Neben den Beat-FX sind noch diverse Color-FX an Bord: Standard: Dub Echo, Pitch, Noise und Filter, steuerbar für die Hauptkanäle. Dazu kommt ein User-Preset, das man in der Software einstellen kann (Jet, Crush, Gate Comp, Space, Sweep). Ein Parameter-Regler fehlt, allerdings lässt sich die Klangcharakteristik weiter im GUI beeinflussen. Das ist auch bei den Beat-FX der Fall, für die zahlreiche Stellschrauben zur Verfügung stehen, sei es im Einzelmodus oder im Dreifach-Modus – richtig gelesen, den gibt es noch, denn es muss ja Kompatibilität zu den älteren Controllern (siehe Einleitung zum Artikel) gewährleistet sein. Wer das braucht, mappt sich ein eigenes Effektbrett dazu, beispielsweise einen Pot-Controller à la Faderfox etc.
Performance Pads und Sampler
Die RGB-Performance-Pads bieten diverse bekannte und weniger bekannte Modi, die ihr mit dem Pad-Editor variieren und sogar mixen könnt (hier genauer besprochen) – dazu ein Screenshot. 25 Millimeter Kantenlänge weisen die gut zu treffenden, ohne Anschlagdynamik ausgestatteten Pads auf. Diverse Farben, das könnt ihr im Software-GUI sogar anpassen, kennzeichnen, welcher Modus gerade aktiv ist.
Die Standard-Belegung ist:
- Hot Cue: 2x 8 Hotcues pro Deck
- Pad FX1: 2x 8 Effekte
- Beat Jump: Sprung im Takt vor und zurück, diverse Größen
- Sampler: 2x 8 Sample Slots
Und via Shift zugänglich:
- Keyboard: hoch/runter pitchen für ausgewählten Cuepoint, 5 Pages verfügbar
- Pad FX 2: weitere 2x 8 Effekte
- Beat Loop: Schleifen von 1/64 bis 512 Beats
- Key Shift: Track hoch/runter pitchen, 5 Pages verfügbar
Neben den Klassikern gefallen mir der Keyboard/Shifting-Mode und die Pad-FX gut, denn sie bringen abseits der üblichen Wiederholzyklen „Farbe ins Spiel“. Zudem kann man bei den Pads auch auf verschiedene Pages und Sample-Banks durchschalten. Der Lautstärkeregler für den Sampler-Modus ist übrigens in die Mixer-Mitte verlegt worden und entbehrt beim 800er der Vorhörmöglichkeit via Cue-Taste. Interessant auch: Entgegen der Serato-Riege und älteren DDJ-Controllern wird Slicer und Rolls keine prominente Position mehr angedacht, aber es lässt sich natürlich über den Pad-Editor ändern, so gewünscht. Zeit für das Fazit.
Bamariku sagt:
#1 - 17.07.2021 um 16:43 Uhr
Achtung - die Effektsektionen sind nicht Standalone und funktionieren, nur wenn der Laptop angeschlossen ist! Klarer Minuspunkt im Vgl. zum DDJ1000/SRT.