Praxis
Profi-Produkte, die für DJs ganz bewusst umgestrickt wurden, gab es schon einige. Manche kokettieren nur mit einem angeflanschten Jogwheel oder interpretieren die Idee eines DJ-Tools so simplizistisch, als ob man die Damen und Herren Plattenschieber nicht so richtig für voll nehmen würde. Pioneer kennt seine Klientel jedoch gut und hat es geschafft, die Grundidee des Toraiz SP-16 in eine zwingend überzeugende Form zu verpacken, die perfekt in die DJ-Kanzel und das eigene Biotop „Pro DJ Link“ passt.
Die Bedienoberfläche ist einfach kongenial designt. Wer sich mit CDJs auskennt, macht auch am DJS-1000 intuitiv die richtigen Handgriffe. Start und Cue sind genau die gleichen großen runden Taster, die wir von den CDJs kennen. Der Pitchfader fühlt sich ebenfalls vertraut an. Und mit den beiden Nudge-Buttons lässt sich sehr intuitiv „feinpitchen“. Tatsächlich braucht es gar nicht unbedingt die Link-Verbindung, denn bei identischen BPM-Zahlen laufen CDJ und DJS ganz klaglos im Gleichtakt nebeneinander her. Deshalb ist der DJS auch Vinyl-DJs wärmstens zu empfehlen: den DJS-1000 zur laufenden Platte dazu starten, synchronisieren, die Platte live samplen und dann im DJS1k gleich remixen und mit eigenen Beats anfetten – das ist jetzt auch mit Vinyl möglich.
Step-Programmierung
Geht auch super-easy. Einfach das entsprechende Pad anwählen, bei mehrtaktigen Patterns das entsprechende Taktsegment und einfach die Steps im 1/16-Grid setzen. Chromatische Patterns gelingen ganz einfach im Scale-Modus. Einfach das entsprechende Pad für die gewünschte Note halten, den Step setzen et voilà. Ebenfalls super: Im Display rot angezeigte Werte wie Lautstärke, Pitch oder Effekt-Parameter lassen sich ebenfalls bei gedrückter Step-Taste super-easy programmieren. Das ist richtig gut und intuitiv gemacht.
Alternativ kann man auch nur einen Takt programmieren und dann per copy/paste durchkopieren. Der entsprechende Fruity-Loops-mäßige Sequencer-Landscape-View ist zwar recht winzig, aber es geht.
Sounds austauschen
Hier hat DJ Zugriff auf die interne Soundlibrary von Loopmasters oder auch die eigenen Sounds auf dem USB-Stick. Die Loopmasters-Sounds sind nach Genre-Packs eingeteilt, für eine Gesamtübersicht, zum Beispiel über alle Kick-Sounds, nutzt man die Suchworteingabe. Beim Durchscrollen durch die Listen lassen sich die Sounds per „Preview“ jeweils kurz anspielen. Das ist sehr praktisch im Studio, aber nicht unbedingt optimal auf der Bühne. Kann man aber auch abschalten.
Sampling
Samplen ist auf zwei Arten möglich: entweder mit dem großen Samplebutton links des Touchscreens. Oder über die „Sampling Edit Page“ des Track-Fensters. Letzteres ist aber nur beim Sampling von einzelnen Sounds sinnvoll. Synchrones Loop-Sampling funktioniert wie folgt: bei laufendem Sequenzer die Sampling-Taste drücken, das entsprechende Performance-Pad drücken und schon wird aufgenommen. Von einem Viertel bis zu 16 Beats (also vier Takten) und „MANUAL“, also ohne feste Beatlänge.
Wie bereits erwähnt dürfen Samples maximal 32 Sekunden lang sein und der DJS kann maximal 256 MB aufnehmen. Die Pattern des DJS-1000 und des TSP-16 sind maximal vier Takte lang. Bei 120 BPM dauern vier Takte acht Sekunden. Der DJS1k bietet bis zu 16 Takte Sampling-Dauer an. Wie easy das Loop-Sampling mit dem DJS-1000 ist, zeige ich hier im Video.
Für dich ausgesucht
Mut zum Mute
Die vier Pad-Modi laden natürlich ganz besonders zum Jammen ein. Mute schaltet wie erwartet die entsprechenden Tracks stumm, Mute und Shift schalten ein oder mehrere Pads solo. Bei erneutem Betätigen eines beliebigen Performance-Pads spielt dann wieder das ganze Orchester. Pad-Akrobatik mit Hot Slice, Slice und Scale lässt sich gewinnbringend aufnehmen. Bei längerem Druck auf diese drei Mode-Taster öffnet sich ein Menü mit weiteren Einstellungen zum Vermurksen der Slices oder zum Anwählen von Scales aus aller Herren Länder.
Rendern
Im Project-Menü findet sich auch der Unterpunkt „Render Audio“. Hier lassen sich die Master-Summe oder einer oder mehrere beliebige Tracks rendern und auf dem USB-Stick sichern. Super, um gelungene Jam-Session-Ergebnisse zur weiteren Nachbearbeitung in den Computer zu exportieren.
A Touch Too Much
Im Laufe des Tests habe ich den Touchstrip vor allem als Note-Repeat genutzt. Shaker und Hi-Hats mit Note-Repeat aufnehmen ist eine typische MPC-Disziplin und macht auch bei DJS-1000 richtig Spaß. Leider habe ich schon böse Vorahnungen von der Rückkehr des klassischen „Snarewirbelbreaks“. Wie sagte schon Tante May zu Spiderman: „Mit großer Kraft kommt große Verantwortung!“
Also liebe DJ-Kollegen: Nur weil Loopsampling so derart einfach geworden ist, bitte missbraucht es nicht. Völlig mit Sechzehntel-Loops zugekleisterte DJ-Sets sind nicht gerade tanzbarer. Use the touchstrip wisely!
Loopen oder nicht loopen
Das ist beim DJS-1000 eine durchaus philosophische Frage. Loops lassen sich timestretchen. Im „RESMPL“-Mode verändert sich die Tonhöhe bei Änderung der Geschwindigkeit, also wie bei einer Schallplatte. Im „M.TEMP“-Modus bleibt die Tonhöhe gleich, so wie beim namensstiftenden Mastertempo Modus der CDJs. Zudem lassen sich Klänge loopen. Einmal im One-Shot-Mode angespielt, loopen sie dann ewig weiter. Das ist zum Jammen schick, kann aber auch zu unrhythmischen Soundclashes führen.
Um den frei dahergaloppierenden Loop wieder einzufangen, gibt es zwei Möglichkeiten: Stopptaste drücken oder das Performance-Pad bei gleichzeitig gedrückter Shift-Taste. Durchaus eleganter kann es sein, den Loop mit einem Impuls auf dem Downbeat des Step-Sequencers zu triggern. In diesem Falle ist es aber sinnvoll, die Loop-Funktion des Samples zu deaktivieren, weil das Sample auch dann durchläuft, wenn der Sequencer-Impuls entfernt wurde: Es loopt ja weiter. Im Slice-Mode werden die Sample-Schnipsel ebenfalls geloopt, wenn „Loop“ aktiviert ist. Kann cool klingen oder auch nerven. You decide!
Was fehlt im Vergleich zum Toraiz SP-16?
Das augenscheinlichste zuerst: Das Prophet-6 Dave Smith Filter fehlt. Das ist wirklich schade, denn die digitalen Filter des DJS-1000 sind beileibe kein adäquater Ersatz. Andererseits wirkt das Dave Smith Filter beim TSP-16 auch immer nur auf die gesamte Summe. Wer also unbedingt etwas Zusätzliches zum Schrauben braucht, hängt einfach ein Hardwaregerät seiner Wahl hinter den DJS1k. Der Toraiz hat acht Einzelausgänge. Wer das zwingend braucht, muss auch nicht weiter überlegen.
Step-Sequencer, Pattern und Scene werden beim TSP-16 ganz TR-8-mäßig mit 1×16 Buttons bedient, während der DJS-1000 mit einer 2×8 Matrix à la Tempest kommt.
Letzteres gefällt mir vom Handling fast besser, Beats lassen sich so noch flotter bauen, Patterns übersichtlicher anwählen, aber das ist natürlich Geschmackssache. Den schicken Fruity-Loops-mäßigen Pianoroll-Editor hat (derzeit?) nur der DJS-1000. Dafür hat der TSP-16 die Arrangment-Liste, in der die vorhandenen Patterns in eine Song-Abfolge gebracht werden, ähnlich wie anno dunnemals der Pattern-Chain-Modus in so mancher digitalen Drummachine. Zum „Songs bauen“ ist das besser.
Dafür ist der DJS-1000 sehr viel Performance-orientierter. Während der Toraiz sich noch ein wenig verschämt als MPC-Alternative aufplusterte, macht sich der DJS1k komplett ehrlich: Er will keine Sampling-Workstation sein, sondern der DJ-Sampler-Standard für die nächsten Jahre. Pioneer ist es gelungen, Loop-Sampling auf das Notwendigste herunterzubrechen. So einfach, dass es jeder checkt, so anspruchsvoll, dass auch der Profi damit Spaß hat.
Der Sampling-Button befindet sich direkt vor der DJ-Nase auf der Oberfläche und ein Loop ist mit zwei Klicks aufgenommen. Kein Rumtauchen in Submenüs, das funktioniert ganz einwandfrei und im Sync mit einem DJ-Setup, kennt man das so eigentlich nur von dedizierten Loop-Samplern oder DJ-Software wie Traktor. Auch den Effect-Send-Knopf hat Pioneer freigestellt, der will benutzt werden. Das Synchronisieren wird mit dem vom CDJ bekannten Sync-Button aktiviert, eine Funktion, die der TSP-16 so nicht hat. Dort findet DJ in einem Extra-Menü diverse Sync-Möglichkeiten, die dem DJS-1000 wiederum fehlen. Aber die Basics hat er drauf: Er kann MIDI-Clock von Drummachines empfangen. Übrigens auch die Noten. Wer das nicht möchte, sollte den Empfang von „NOTE/CC“ im Utility Menü „disablen“.
Abgezogen, Sounds verflogen!
Beim TSP-16 ist es enorm praktisch, dass DJ den USB-Stick erst in den DJ-Sampler einführen, die Sounds in den internen Speicher laden und den Stick danach wieder abziehen und zum permanenten DJ-Einsatz in den CDJ-Player stecken kann. Ein Stick für den ganzen Gig. Das geht mit dem DJS-1000 leider nicht. Sollen Projekte vom Stick abgespielt werden, muss er auch im DJ-Sampler stecken. Vorschlag zur Güte: DJ sollte sowieso stets mindestens einen zweiten Backup-Stick dabei haben. Der kommt dann in den DJS-1000 und steht bei eventuellen Problemen mit den CDJs sofort zum Einsatz bereit.
Neuer Standard?
Andererseits ist das auch der Charme des DJS-1000: Er ist ein „öffentlicher Sampler“. Der Performer lädt seine Sounds in das Gerät, spielt damit, zieht den Stick wieder ab und das Teil ist sofort bereit für die nächsten Performer. So wie ein Plattenspieler. So wie ein CDJ. Der Formfaktor ist ja nicht umsonst an Pioneers Clubstandard-Gerät No. 1 angelehnt.
Der Club-Techniker wiederum freut sich, dass der DJS-1000 genau auf den Platz eines CDJ-2000 passt. Selbst die Kabel sind identisch. Kaltgerätenetzkabel für das interne Netzteil mit international gebräuchlichen 110 – 220 Volt anstatt einem externen Netzteil mit „Leinenlumpi“. Da ist nichts exotisch, sondern alles Clubstandard. In einer DJ-Booth mit drei CDJs kann der Techniker schnell mal einen rausnehmen und dafür den DJS-1000 auf den gleichen Platz stellen. Muss auch keine neuen Kabel legen, höchstens noch den Aux-Send des Mixers mit dem Audioeingang des DJS1k verbinden. Benötigt also ein DJ anstatt eines CDJ einen DJS, geht der Austausch ruckzuck vonstatten.
Tipp: Hat der Mixer keinen Aux-Send, tut’s auch ein Insert-Kabel, das in den Kopfhörerausgang gesteckt wird. Viele Mixer haben ja mittlerweile zwei Kopfhörerausgänge. Das muss ja auch mal für was gut sein! Strom-, Cinch- und LAN-Kabel bleiben ebenfalls gleich. Die Verleiher brauchen keine neuen Flightcases zu kaufen, sondern liefern den DJS-1000 einfach in einem CDJ-2000-Case. Und robuster als der TSP-16 im Landscape-Format wirkt der DJS1k auch. Das mag banal klingen, aber mit solchen Kleinigkeiten werden neue Standards gesetzt.
Für wen ist das?
Kontrahenten wie die neuen Akai MPCs punkten mit DAW-Integration und tieferen Editiermöglichkeiten. Außerdem läuft die kleine MPC Live stundenlang auf Akku und ohne externe Stromzufuhr. Ich würde mal sagen, sie ist der „persönliche Hardware-Sampler“, der DJS-1000 dagegen der „öffentliche Hardware-Sampler“: Ruckzuck kann DJ im Club seine Beats vom USB-Stick auf einen vorhandenen DJS-1000 laden und wieder abziehen, ohne dass irgendetwas auf dem Clubgerät zurückbleibt. Der DJS-1000 ist eine Performance-Sau durch und durch! Ich freue mich jedenfalls schon auf mein erstes DJS-Déjà-vu im Club.
Kommen wir also zu der Frage, ob ich mir den DJS-1000 auch kaufen würde? Nein, ich persönlich würde mir den handlicheren Toraiz SP-16 holen und den leicht überdimensionierten DJS-1000 auf meinen Technical Rider schreiben. Und dann meine Daten per USB mitbringen, so wie ich das auch mit den CDJs mache. Und dann geht der Spaß los, denn dank Pitchfader und Sync-Button und der ausgeklügelten Oberfläche war Loop-Mixing noch nie intuitiver.
Hands on
Ich möchte jedem DJ empfehlen, den DJS-1000 einfach mal im Musikgeschäft seines Vertrauens auszuprobieren. Wer mit USB-Stick über CDJs spielt, sollte sowieso ein bis zwei MS-DOS (FAT32)-formatierte Backup-Sticks dabeihaben.
Kreiert euch darauf mit dem DJS-TSP-Project Creator ein Setup mit ein paar Lieblingsdrums (z.B. Bassdrum auf Pad 1, Clap auf Pad 2, Hi-Hats auf Pad 3 und 4) oder legt euch auf der obersten Ebene einen Folder namens: „PIONEER DJ SAMPLER“ an, darin einen Ordner „Projects“ und da kopiert ihr unser exklusives „bonedo-starterkit.tpkg“-Package rein.
Darauf befinden sich je zwei Bassdrums, Claps, Hi-Hats, Shaker sowie vier zischelnde Ride-Loops zwischen Minmal und Techno. Die Bassdrums sind schon mit dem Insert-Effekt „Distortion“ belegt, der je nach Geschmack reingedreht werden kann. Die Loops haben als Insert-Effekt den „Ducker“, der von Bassdrum No.1 getriggert wird. Außerdem sind alle vier Loops einer einzigen Choke-Group zugeordnet, so dass immer nur einer zurzeit laufen kann.
Die Claps könnt ihr mit dem Performance-Effekt „Reverb“ megagroß pushen. Klingt aber auch auf der Bassdrum gut. Vier weitere Slots sind noch unbelegt, da dürft ihr dann nach Herzenslust reinsampeln. Später das Speichern nicht vergessen und schon habt ihr beim nächsten Auftritt die Loops vom Gig davor ebenfalls am Start. Viel Spaß damit!