Praxis
Ich habe die Pioneer DJ VM-70 in den verschiedensten Szenarien getestet, mehrmals umgeräumt, vom Studio in die DJ-Booth und mitten in den Raum gestellt, denn sie klingen überall etwas anders, auch je nachdem, wie der DSP eingestellt ist.
Bei manchen Boxen macht das Umbauen keinen Spaß und ich bin froh, wenn sie einmal dort stehen, wo sie gut klingen. Obwohl der VM-70 Basslautsprecher nackt und ungeschützt verbaut ist, ist das Handling dieser Boxen jedoch sicher und einfach. Sie wiegen nicht wirklich viel und in der rückwärtigen Bassreflexöffnung findet eine Hand immer einen sicheren Griff. Stromkabel und XLR-Kabel sitzen zwar unverriegelt, aber fest in den jeweiligen Buchsen. Überhaupt ist es lobenswert, dass mit XLR, Klinke und Cinch die drei wichtigsten Anschlussformate möglich sind.
Die Signale der beiden Eingangsbuchsen werden übrigens gemischt, sodass es theoretisch möglich ist, zwei verschiedene Quellen anzuschließen, z. B. den Ausgang der DAW-Soundkarte sowie das DJ-Pult und diese alternativ zu nutzen – oder auch gemeinsam, falls das für irgend jemanden sinnvoll ist. Der große Vorteil: Nur ein Monitorboxpärchen deckt beide Aspekte des DJ/Producer-Lifestyles ab, fest verkabelt und ready to rock!
Sämtliche Bedienelemente sind rückwärtig angebracht. Beim Aufbau der Boxen sollte also darauf geachtet werden, dass die Rückseite zum Bedienen der DSP-Wahlschalter und des An/Aus-Schalters gut zugänglich bleibt. Hat man die Stellungen der beiden DSP-Regler aber einmal verinnerlicht, lassen sie sich auch gut „blind“ von vorne schalten, ohne die Rückseite zu sehen. Mit dem ebenfalls hinten angebrachten Auto-Standby-Schalter kann man die Box nach 25 Minuten ohne empfangenes Eingangssignal in den Standby-Modus schicken (die vorderseitige weiße LED-Leiste leuchtet dann rot), aber ich habe im Laufe des Tests tatsächlich niemals „rot“ gesehen.
Also schalte ich die VM-70 stets aus, wenn ich sie nicht im Gebrauch habe, einerseits wegen ihres leisen, aber trotzdem vernehmbaren leichten Grundrauschens und weil ich es mir schon aus Energiespargründen zur Gewohnheit gemacht habe, alle Geräte im Studio nach der Session komplett vom Strom zu nehmen.
DSP
Der Digitalprozessor dient zur Anpassung der Box an verschiedene Raumbegebenheiten und stellt je einen Drehregler für die Einstellungen der Höhen und Bässe zur Verfügung.
Im Bassbereich (Low DSP) sind das: Room 1, Flat, Room 2 und Club Bass.
Im Höhenbereich (High DSP) heißen die: Room 1, Flat, Room 2 und Bright Treble.
L1 (Room 1) sorgt in den Tiefen für eine relativ starke Absenkung im Bassbereich, analog dazu dämpft H1 die Höhen. L2 und H2 versprechen eine flache Frequenzkurve, während L3 und H3 die Bässe respektive Höhen leicht betonen. L4 und H4 betonen die Bässe und Höhen dann besonders kräftig und entsprechen in etwa dem „Loudness“-Schalter, der früher gern auf HiFi-Anlagen verwendet wurde.
Theoretisch stehen also 16 verschiedene Kombinationen zur Verfügung – und die Frage im Raum, ob sich das Ohr nach dem Speaker oder der Speaker nach dem Ohr richten sollte. Meine Philosophie ist es, das Klangverhalten meiner Speaker so genau zu kennen, dass die Ohren ihnen folgen und vertrauen können. Deshalb habe ich beim Produzieren und analytischen Hören immer der „flat response“ L2/H2 den Vorzug gegeben, beim Auflegen aber gerne auf L4/H4 gestellt, um eine Idee von Clubsound zu bekommen.
Bedroom-Producer mit geräuschempfindlichen Nachbarn können den Bass hingegen mit der L1-Einstellung so absenken, dass der Hausfrieden gewahrt bleibt.
Der Klang am DJ-Pult
Die VM-70 sind eindeutig auf Clubsound geeicht. Die Bässe klingen immer schön straff und geben trotzdem gerade in der Club-Bass-Stellung L4 richtig dicken, runden Bass von sich. Um die einzelnen DSP-Einstellungen auszutesten, habe ich mal wieder meinen Lieblingstrack für solche Fragen zu Rate gezogen: „LFO“ von LFO. Hier gibt es diese hohe zwitschernde Sequenz, die bei zu harten Höhen schnell schmerzhaft klingt und diesen ultratiefen Bassbreak, der jeden Woofer an seine Grenzen bringt.
Die VM-70 löst die Aufgabe gut: in der Flat-Position L2/H2 klingt der Track ausgewogen, die Bässe klingen straff und durchgestimmt und der Bass-Break ist spürbar, wenn auch nicht ultralow. In der „HiFi-Einstellung“ L4/H4 gibt’s dann Bass satt, erstaunlich für so einen kleinen Tieftöner, während die Höhen silbrig, aber auch für mein Empfinden zu spitz aus den Hochtönern spritzen – L4/H2 gefällt mir da besser. In der bassabgesenkten Stellung L1 pustet der Bassbreak dann nur noch sehr beschnitten aus der VM-70.
Als nächstes ließ ich die Original-Versionen von Veinmelter’s „When You Feel It“ und „Pump The Bass“ (Spaceteddy 04, 1993) parallel zum frisch erhaltenen aktuellen italienischen Re-Release (La Bella di Notte, 2021) laufen und kann dem Mastering-Engineer einen guten Job attestieren: Die VM-70 zeigte sowohl Flat (L2) wie mit Bass-Boost (L4) den zusätzlich herausgekitzelten Schub in den Tiefen sehr schön auf, während die HiHats crisp und präsent übertragen werden.
Vor allem aber machte sich die wirklich schnelle Bassübertragung positiv bemerkbar. Gerade Vinyl-DJs, die ohne Sync-Button mixen, profitieren beim Beatmatching von der sehr tighten Basswiedergabe.
Der Klang im Studio
Der Hersteller empfiehlt, dass die Lautsprecher jeweils in einem Winkel von 30° zur Hörposition aufgestellt werden, so dass sie einen Winkel von 50° bis 60° zueinander bilden. Gerade für kleine Produktionsplätze gilt es zu beachten, dass die VM-70 nicht zu nah an der Wand positioniert werden, sonst könnten die rückwärtige Bassreflexöffnung störende Bassresonanzen produzieren.
Auf einzelnen Boxenständern in Ohrenhöhe mit viel Raum drum herum fühlen sich die VM-70 am wohlsten und klingen am besten.
Sie klingen bei der neutralen Stellung L2/H2 sehr nüchtern, klingen homogen und beschönigen nichts. Positiv: Die Tonhöhen von Bassdrum und Bassline konnte ich dank der flotten Membran auch bei geringen Lautstärken gut beurteilen und die richtigen Mixentscheidungen treffen. An die etwas matten Höhen musste ich mich erst gewöhnen, aber freute mich dann über sehr ehrliche Speaker, die zu bass- und höhenbetonter Produktion ermutigen.
Für wen ist das?
Als aktive Monitorboxen sollen sich die Speaker der VM-Serie gleichermaßen für DJ-Plätze wie auch für Produktionsstudios eignen. Es ergibt für DJ/Producer einfach Sinn, ihre DJ-Sets auf dem gleichen System abzuspielen, auf dem sie auch produzieren, um beim Produzieren eine gewünschte Soundsignatur zu erreichen.
Für die Produktions-Suite sind die Lautsprecher dank ihres geraden Frequenzgangs gut geeignet. Hier bietet sich dann die flache DSP-Einstellung L2/H2 an. Und es ist klasse, dass die VM-70 mit wenigen Handgriffen auf Partyclubsound umgeschaltet werden können. Und bei den immer populärer werdenden Livestreams spielt neben dem Sound ebenfalls die Optik eine große Rolle und auch da punkten die VM-70.
Generell sehe ich die ganze VM-Serie vor allem als interessante Alternative zu den populären Monitorboxen von Adam Audio und KRK. Ihre Trumpfkarte ist der DSP, mit denen sie auch ohne großes Vorwissen sehr einfach an verschiedene Szenarien angepasst werden können.
Die VM-70 sind dabei ein guter Kompromiss zwischen den kleinen VM-50 (gut fürs Nahfeld, aber weniger Bass) und den großen VM-80 (mehr Bass, aber in kleinen Räumen schwieriger zu positionieren). Wer auf der Suche nach variabel nutzbaren Monitoren ist, sollte die VM-70 unbedingt in die Listening-Session mit einbeziehen.