Als Gitarrist der Band Mr.Big trat Paul Gilbert ins Rampenlicht. Mit Solo-Veröffentlichungen wie »King of Clubs«, »Get Out Of My Yard« oder seinen frühen »Racer X«-Alben hatte der sympathische Schnellfinger aber zu jeder Zeit weitere, sehr persönliche Asse im Ärmel. Im Folgenden möchte ich euch mit einigen von Pauls ureigenen »Trademark Licks« versorgen Die neun Trainingseinheiten, die sich mit den wichtigsten Aspekte seines Gitarrenstils auseinander setzen, hat Paul mir übrigens im Rahmen eines Interviews, exklusiv für euch mitgegeben. Also, anschnallen und los geht’s.
In unserem ersten Lick verwendet Paul die A-Moll-Tonleiter (C-Dur). Die Linie hat einen stark klassisch orientierten Einschlag. Wen wunderts ?!? War Paul doch in seiner Jugend, neben Yngwie Malmsteen, einer der ernsthaftesten Verfechter des sogenannten »neoclassical« Stils. Wer ihn in dieser Hinsicht mal so richtig aus dem Vollen schöpfen »hören« will, dem empfehle ich mal ein Ohr auf eine seiner frühen Aufnahmen mit der Band »Racer X« zu werfen: Es lohnt sich!!!
Technik: Da der Lick ausschließlich die »alternate picking«-Technik (Wechsel-Schlag) verwendet, eignet er sich ganz hervorragend dazu, die rechte Hand ein wenig auf Vordermann zu bringen. Rein aufbaumäßig besteht der Lauf ausschließlich aus einem einzigen Basispattern, das sich konsequent durch die verschiedenen Positionen der A-aeolischen Scale arbeitet.
Zu Beginn seiner Mr. Big-Karriere sprach Paul einmal davon, nie mehr die kleine Sexte in seinem Spiel zu verwenden. Ich habe ihn während meines Interviews einmal auf dieses Statement hin angesprochen:
Hansi Tietgen: Paul, du hast einmal in einem Interview gesagt, du würdest in deinen Soli nie wieder die kleine Sexte verwenden.
Paul Gilbert: Sag niemals nie, aber eigentlich habe ich mich daran gehalten. Im Blues/Rock-Bereich ist halt ein anderer Sound gefragt. So mutierte ich vom »Moll-Jünger« zum bevorzugten Hip-Scale-Spieler. Und das ist gar nicht so aufwendig, wie man gemeinhin annehmen könnte. Es ist nämlich mit einem ganz simplen Trick möglich, alle Lix die man sich in der Moll-Scale bereits draufgeschafft hat, auch ins Blues-Genre rüber zu retten. Nur durch das schlichte Tauschen eines einzigen Tones: Der kleinen Sexte. Ersetzt man diese durch die große Variante, wird der Lick auch für die Blueser-Fraktion interessant.
Ersetzte ich die kl. 6 der natürlichen Moll-Scale (hier zuzüglich Blue Note abgebildet ) durch eine gr. 6, erhalte ich eine Skala, deren Sound sie zum idealen Partner in Sachen Blues ’n’ Rock Improvisation macht! Sehen wir uns das Ganze jetzt aber endlich mal in der praktischen Anwendung an: Das folgende Beispiel zeigt, wie man das klassisch angehauchte Basis-Pattern aus Übung 1, ins Blues-Genre herüberretten kann. Die Skala die Paul zum Einsatz bringt, ist eine Variante der A-Blues-Scale, plus einer kleinen, aber feinen Zusatz-Note. Der gr. 6.
Auch das nächste Beispiel arbeitet mit der A-Blues-Scale plus gr. 6. Diesmal wird’s heiß. Paul bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit durch das bereits in Übung 2 vorgestellte Skalen-Shaping. Die Bewegung an sich ist sehr simpel. Man könnte sagen, er spielt die Skala einfach nur rauf – und wieder runter. Eigentlich ganz leicht, oder?!? Wäre da nicht das Tempo.
Technik: Um das angestrebte Tempo auch wirklich relativ problemlos erreichen zu können, sollte man sich hier für den puren Einsatz der Ham’ on/pull off-Technik entscheiden. Der Lauf ist so einfach wie aufregend und sollte in »High speed« (so schnell man kann) zum besten gegeben werden.