Eigentlich ist es eine Tragödie: Sie spielen auf unzähligen Radiohits, prägen den Sound ganzer Epochen, sind höllische Instrumentalisten – aber keiner kennt sie: Studiomusiker.
Zwar zeigen Gitarristen wie Steve Lukather oder Michael Landau, dass man auch als Studiomucker Anerkennung und Bekanntheit über Insiderkreise hinaus ernten kann, dennoch gibt es unzählige Gitarristen, die nicht einmal innerhalb ihrer Zunft den Bekanntheitsgrad besitzen, den sie eigentlich verdient hätten. Einer dieser Musiker ist Dann Huff.
Genau wie die Kollegen Landau und Lukather hatte auch Dann Huff seine aktivste Zeit als Sessionmusiker in den 1980er und frühen 1990er Jahren. Er stammt eigentlich aus Nashville, der Stadt, die man am ehesten mit Countrymusic assoziiert, war in jenen Jahren aber ein gut gebuchtes Mitglied der Los Angeles-Studioszene. Dort hatte er das Vergnügen, auf Platten von Künstlern wie Michael Jackson (z.B. “Man in the Mirror”), Madonna, Celine Dion (“My Heart will go on”), Whitney Houston, Peter Cetera, Michael Bolton, Kenny Loggins oder Bob Seger mitzuwirken, um nur einige zu nennen. Im Rahmen dieser Jobs glänzte er nicht nur als extrem kreativer Rhythmusgitarrist, er begeisterte auch mit poporientierten Solo-Licks, die das gewisse Etwas nicht vermissen ließen. Traumhaft auch seine heißen Runs am Ende von in erster Linie songdienlichen, weil melodieorientierten Leadparts. Aber auch seine Statements in den Fade-Outs des einen oder anderen Popsongs outeten ihn schnell als fantastischen Solisten und begeisterten besonders all jene, die genau hinhörten – am besten mit Kopfhörer.
Mehr von seiner wirklich exorbitanten Spieltechnik bekamen Fans des Ausnahmegitarristen bei seinen eigenen Projekten geboten, darunter die christliche Rockband “White Heart” oder seine AOR Hardrockband “Giant”. Mit Letzterer veröffentlichte er drei Studioalben und betätigte sich auch als Sänger, und auch das mit Erfolg. Im Rahmen seiner Tourneen mit Giant hatten Insider Anfang der Neunziger die seltene Möglichkeit, dem Meister in einigen kleinen deutschen Clubs auf die begnadeten Finger schauen zu dürfen. Ein Vergnügen der besonderen Art, denn die Gitarrenarbeit, die man auf den Giant-Alben zu hören bekommt, ist wirklich vom Feinsten und rockt wie die Hölle. Klar, dass es live noch eine Schippe obendrauf gab.
EQUIPMENT
Wie viele Studiogitarristen nennt natürlich auch Huff eine riesige Amp-Armada sein eigen und jede Menge unterschiedlicher Gitarrenmodelle gehören zu seinem Fuhrpark. Abgesehen von Marshall-, Mesa Boogie-, Fender- und Soldano-Topteilen scheint er besonders die Firma Peavey zu favorisieren. Man sieht ihn recht häufig mit einem Classic 50 oder dem 5150 (dem ehemaligen Van Halen Topteil), all das stets in Kombination mit kühlschrankgroßen Racks. Was Gitarren anbelangt, spielte er in den frühen Tagen häufig Schecter, aber auch Instrumente von Fender und Paul Reed Smith gehören zu seinen Lieblingen. Highlight seiner Sammlung sind aber sicher die Custom-Modelle des Gitarrenbauers James Tyler, der übrigens auch die Signature-Gitarren für Michael Landau entwickelte.
In vielen seiner Instrumente finden sich Floyd Rose oder Wilkinson Tremolos. Davon macht er auch sehr gerne Gebrauch, primär, um Töne zu formen – kein Wunder, nennt er doch Jeff Beck als eines seiner größten Vorbilder.
Abgesehen davon haben die Studio- und Fusion-Ikone Larry Carlton und Alternate-Picking-Gott Al DiMeola sein Spiel stark geprägt. Die klassischen Rockgrößen wie Hendrix und Page, von denen in jener Zeit nahezu alle Gitarristen beeinflusst wurden, hat Dann Huff laut eigener Aussage erst viel später für sich entdeckt.
Das Debutalbum der Band Giant erschien 1989 und trägt den Titel “Last of the Runaways”.
Das Riff des Openers ” I’m a believer” möchte ich euch nicht vorenthalten. Versucht hier vor allem, die nicht verwendeten Saiten gut abzudämpfen, sowohl mit der linken wie mit der rechten Hand.
Im Original ist die erste Strophe noch relativ keyboarddominiert, wohingegen die zweite Strophe durch Akkordeinwürfe aufgeblasen wird. Im Soundbeispiel zeige ich euch gleich die Rhythmusgitarre, wie sie in Strophe zwei erscheint. Im Refrain sind einige Gitarrenoverdubs zu hören, die zwei wesentlichen Gitarrenparts hört ihr im Clip, in den Noten ist die zweite Spur in Klammern gesetzt.
In der Mitte des Stückes findet sich ein unglaublich schönes Solo in A-Dur mit jeder Menge klassischer Dann Huff Trademark-Licks: Hier hört ihr seine Tonphrasierung mit dem Tremolohebel, vor allem bei den etwas melodiöseren, langsameren Passagen.
In Takt 4 folgt dann ein typischer gepickter Abwärtslauf, der mit einem F#m9 Arpeggio beginnt. Lasst euch viel Zeit dafür, denn das ist technisch nicht ganz ohne. Den Abschluss des Solos bildet ein absteigender Lauf, der komplett mit Wechselschlag gespielt wird. Die letzten Noten bestehen aus einem Fingershape, das identisch auf alle Saiten übertragen wird. Dadurch mogeln sich zwar jede Menge tonleiterfremde Töne in das Solo, aber so what! Bei dieser Geschwindigkeit nimmt man das als Zuhörer nicht wahr und es stört auch nicht im Geringsten.
Vielleicht könnt auch ihr euch dadurch inspirieren lassen, die ausgetreten Pfade zu verlassen und einfach mal experimentieren, wie viel “Falschheit” ein Solo vertragen kann. Aber Vorsicht, man kann auch ganz schön danebengreifen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Hier das Solo:
Ein ganz ähnliches Beispiel mit einem tollen Dann Huff Solo ist der Song ” I keep prayin'” von der Band “Whitecross”.
Analog zu obigem Beispiel finden sich auch hier Whammybar-Phrasierungen und der obligatorische Am9 Arpeggio/Am Pentatonik-Abwärtslauf, gefolgt von einem Pedaltonlick.
Beachtet die Rhythmik in Takt 8. Huff hat sich natürlich nicht gedacht “Ich spiel jetzt mal 16 über 3”, sondern vielmehr hat er den Lauf so in den Takt gequetscht, dass er zum Beginn der neuen Phrase auf eine schwere Zählzeit rauskommt, was die etwas komplexe Rhythmik ergibt. Ein Verfahren übrigens, das bei Gitarristen wie Malmsteen, Satriani und Co. ebenfalls zur Tagesordnung gehört.
Betrachtet auch mal genau, wie elegant Dann die Modulation des Stückes von Am nach Cm (der Prechorus des Stückes besteht aus den Akkorden Ab Dur, Bb Dur und Cm) vollzieht. Die letzten beiden Noten seines Solos sind Bb und Ab und bereiten die neue Tonart vor.
Hier das Solo:
Ein weiteres Giant Solo, in das er sehr viele seiner Charakteristika verpackt, finden wir in “Stay” auf dem Zweitalbum “Time to burn”. Die Tonart des “Stay”-Solos ist übrigens C#m.
Am Anfangt steht ein schönes lyrisches Motiv. Dan Huff benutzt zwar die Tappingtechnik, aber eher seltener, um lange Läufe damit zu kreieren, sondern vielmehr als Phrasierungsmittel in langsameren Passagen, wie hier zu sehen ist. Einen weiteren Effekt, der auch von den Kollegen Vai und Lukather gerne benutzt wird, ist der “Backslide”. Das heißt, ich slide nicht von einer tieferen zur höheren Note, sondern genau umgekehrt. Unser Held macht in den Takten 5, 6 und 7 davon Gebrauch.
Der schnelle Lauf in Takt 12 besteht wieder aus dem m9 Arpeggio, diesmal auf C#, gefolgt von einer absteigenden C#m Pentatonik. Beachtet auch hier die Rhythmik.
Ein richtig schöner Giant-Brecher ist die Titelnummer des Albums “Time to burn”.
Zu Beginn spielt Huff ein Abwärts-Shape, in dem er ein und denselben Fingersatz beginnend auf der hohen E-Saite (dieses Shape ist eine Mixtur aus F# dorisch und der F# Bluestonleiter – das Stück ist ja auch in F#m) auf die B und G Saite überträgt. Ein ähnliches Phänomen haben wir ja schon bei dem Solo von “I’m a Believer” erlebt. Auch hier sind tonleiterfremde Töne enthalten, aber das stört uns nicht weiter, denn es klingt supercool, und wer gut klingt, hat recht!
Die darauf folgende Rhythmusgitarre würde ich ähnlich wie das Hauptriff von “Thunder and Lightning” mit den Fingern picken. Erst wenn die Drums einsetzen und der F# Powerchord in die II. Lage wechselt, greife ich zum Plektrum.
Als Overdub spielt Huff ein kleines Melodiemotiv. Dieses Thema beginnt mit zwei gegriffenen Flageoletts (VII. Bund der B- Saite und XII. Bund der hohen E- Saite). Das gleiche Thema wird mehr oder weniger zwei Mal gespielt, wobei der zweite Durchgang eine Oktave höher wiederholt wird. Den Schluss der Melodie bildet wieder ein abwärts gepickter Lauf aus der F#m Pentatonik. Ihr seht, auch der Kollege Huff hat seine Trademark-Licks, die er gerne öfters mal spielt. Aber das ist durchaus legitim und schmälert nicht im Geringsten das Können dieses Ausnahmegitarristen. Soundmäßig habe ich auf die Leadgitarre einen leichten Choruseffekt gelegt, was bei den Solospuren dieser Zeit durchaus üblich war (hört euch mal Soli aus dieser Zeit von Steve Lukather und Michael Landau an). Den Choruseffekt generiert dabei ein Pitch-Shifter, bei dem ich die Verstimmung auf 8 Cent eingestellt habe. Dieser Effekt kann natürlich auch mit einem Choruspedal erzielt werden.
Hier der Auszug aus “Time to burn”
Und die Melodiegitarre sieht im Notenbild so aus:
Hier ist euer Playback, einmal ohne Rhythmusgitarre nd einmal ohne die Melodiegitarre:
Zeit, sich auch mal die cleanen Rhythmusgitarrenparts von Dann Huff anzuhören.
Eines ist klar: Huff ist ein Kind der Achtziger und das bedeutet: Chorus, Chorus und nochmal Chorus. In einem Interview sagte er scherzhaft, dass er in dieser Zeit “alle Chorusse aufgebraucht hat, die jemals hergestellt wurden”, aber dass es auch die einzige Möglichkeit für einen Gitarristen war, in jenen Tagen mit den ganzen Keyboardern und ihren gelayerten Stringsounds mithalten zu können. Heutzutage würde er die Sache etwas dezenter angehen. Zwar steht er immer noch auf Modulationseffekte, aber eher zurückhaltend, und außerdem hat der Tremoloeffekt den Choruseffekt zu einem Teil abgelöst.
Betrachten wir eine mögliche Rhythmusgitarre über den Refrain von “Stay”.
Huff nennt diese Art der Begleitung “Jangle Part”. Hinter dem Begriff ” Jangle Pop” verbirgt sich ein Musikstil der 80er Jahre, der sich wieder auf die glockenartigen Gitarrenparts der 60er zurückberuft, dem typischen Rickenbacker 12-String Sound, den z.B. die Band “The Byrds” zelebrierten. Mit Chorus und Delay kann man diesen Klang ziemlich gut faken.
Achtet auf die leere hohe E-Saite, die wie ein Ostinato die ersten Takte durchläuft. Experimentiert selbst, nehmt eine Akkordfolge und probiert, ob ihr Akkordvoicings findet, bei denen die Oberstimme (also die höchste Note) gleichbleiben kann. Manchmal entstehen auf diese Art sehr interessante Akkorde. Typische Voicings, um eine cleane Rhythmusgitarre in einem solchen Kontext einzusetzen, sind vor allem Akkorde, die eine Sekundreibung beinhalten.
Hier Danns Variante:
Ein weiteres Beispiel für diese Voicings ist die Ballade “Glory of Love” von Peter Cetera. Der Song war der Titeltrack des Films “Karate Kid II” (wie ihr vielleicht wisst, wurde der Hauptdarsteller Ralph Maccio ein paar Jahre zuvor im Soundtrack von “Crossroads” von Steve Vai versorgt).
Auch hier kommen Akkorde mit Sekundreibung zum Einsatz, sus2 und sus4. Dabei ist schön zu sehen, wie Huff dasselbe Motiv wie ein Ostinato über wechselnde Akkordchanges beibehält und nur am Ende der Phrase die Voicings den Harmonien anpasst:
Wie eingangs bereits erwähnt, ist Huff zwar in Nashville aufgewachsen, jedoch hat er sich nie wirklich als Countrygitarrist begriffen. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, auf Platten von Countrykünstlern (im weitesten Sinne) mitzuwirken. So spielte er z. B. neben Brent Mason viele E-Gitarrenparts von Shania Twains erfolgreichster Platte “Come on over” ein.
Eines davon ist der Rhythmustrack des Stückes “When”.
Eine Gitarre spielt gemutete Achtel. Achtet darauf, wie die ersten beiden Takte mit Powerchords gespielt werden, danach jedoch nur noch Single Notes mit Slapbackecho (sehr kurzes Delay von z.B. 60 – 90ms Delay Time) zu hören sind, die gedoppelt und im Panning links und rechts auseinandergelegt wurden. Dadurch entsteht fast die Illusion, als würde es sich um Powerchords handeln, aber der Sound ist lange nicht so voluminös – ein Trick, den man sich dann gerne zu Nutzen macht, wenn es nicht zu rockig klingen soll. Die Akkordgitarre spielt mit leicht angezerrtem Sound eine Akkordfigur, bestehend aus E-Dur, Esus2 und Esus4 Akkorden.
Hier zuerst die Singlenotes:
Und die Chords:
Zusammen klingt das so:
Zur Übersicht möchte ich Euch noch ein paar schöne sus2 und sus4 Akkordvoicings mit auf den Weg geben, mit denen ihr jedem Rocksong einen etwas poppigeren oder “jangle”-mäßigen Anstrich verleihen könnt:
Eine systematischere Art und Weise, Akkordvoicings zu lernen, vermittele ich euch übrigens in meinem Voicingsworkshop hier auf bonedo.
So viel für heute zum Kollegen Huff. Ich hoffe, ich konnte euch einen groben Überblick über sein Spiel und seinen Sound vermitteln. Wie man auch zu den Choruseffekten im Gitarrensound und zur Mainstream-Rockmusik der 80er Jahre stehen mag, eines ist Fakt: Diese Zeit hat einige sehr interessante Musiker hervorgebracht, deren Spiel man leicht abgewandelt durchaus auch in die heutige Zeit übertragen kann.
In diesem Sinne viel Erfolg und Spaß,
Haiko
Vicki Sixx sagt:
#1 - 15.04.2017 um 00:09 Uhr
Awesome!