Hört man das Wort “Reggae”, denken die meisten sicherlich sofort an Bob Marley. Der Einfluss dieses bedeutenden Künstlers auf diese Musik, die Kultur im Allgemeinen, sowie auf die Politik und Gesellschaft seiner Heimat Jamaika, sind kaum zu bemessen. Wir richten unser Augenmerk heute jedoch allein auf musikalische Themen – vor allem auf Marleys “Mann für die tiefen Töne”: Aston “Family Man” Barrett, der leider am 3.2.2024 im Alter von 77 Jahren in Miami verstorben ist! Seit 1970 war Barrett der Bassist der Band “The Wailers”, die Bob Marley zu Lebzeiten musikalisch begleitete und auch nach dessen Tod im Jahr 1981 aktiv blieb. Aston Barretts Basslines prägten zahlreiche Hits von Bob Marley, zudem war er so etwas wie der “Musical Director” der Wailers. Wir möchten das Lebenswerk Aston “Family Man” Barretts mit diesem Workshop würdigen!
Aston “Family Man” Barrett – Kurzbiographie
Aston Francis Barrett wurde am 22. November 1946 in Kingston/Jamaika geboren. Als Kind liebte er Musik – vor allem die tiefen Töne weckten sein Interesse. Daher bastelte sich er selbst einen Bass mit lediglich einer Saite, um mit seinem Bruder Carlton an dessen selbst gebautem Schlagzeug jammen zu können – der Beginn einer legendären Rhythmusgruppe, die bis zum Tod Carltons 1987 bestehen sollte!
Bereits Mitte der 60er-Jahre hatte Aston Erfahrung bei verschiedenen Bands gesammelt und konnte sogar auf einige Charterfolge zurückblicken, als die Barrett-Brüder 1969 Bob Marleys Band “The Wailers” beitraten. Diese Kooperation und das erste daraus entstandene Album “Catch A Fire” (1973) wird häufig als Geburtsstunde des “Roots Reggae” bezeichnet.
Bis zu Bob Marleys Tod im Jahre 1981 folgten mehrere Alben sowie eine nahezu beispiellose Karriere, die sowohl die Musik, als auch Popkultur, Politik und Gesellschaft weit über die Landesgrenzen von Jamaika hinaus nachhaltig beeinflussen sollten.
Aber auch nach Marleys Tod blieb Aston Barrett weiterhin aktiv: Neben den Wailers, welche weiterhin tourten, arbeitete er unter anderem Acts wie mit Burning Spear oder John Denver zusammen. Sein reichhaltiges Wissen gab er auch immer als Lehrer weiter; zu seinen bekanntesten Schülern gehört kein Geringerer als Bassikone Robbie Shakespeare von Sly & Robbie! Aston Barrett verstarb im Alter von 77 Jahren am 3. Februar 2024 in Miami, Florida.
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Aston “Family Man” Barrett – Personalstil
Ein Teil von Aston Barretts Genialität lag in der Kunst, mit dem Gesang in eine Art “Zwiegespräch” zu treten. Dieses kann auf mehrere Arten geschehen: Entweder ließ er Bob Marley (bzw. dem Vokalisten) entsprechend Platz und nutzt Pausen, um sein eigenes Statement zu setzen, oder er unterstützte den Gesang zusätzlich, um dessen Aussagen zu unterstreichen. Dies konnte sogar dazu führen, dass Aston die Melodie am Bass mitspielte, wie man in mehreren Songs beobachten kann!
Reggae-Basslines – und insbesondere die von Aston Barrett – sind häufig sehr melodisch im Vergleich etwa zu den im Pop/Rock vorherrschenden Grundtonachteln. Der Bass spielt hier eine ganz andere Rolle und Aston übernimmt neben der rhythmischen auch eine wichtige melodische Funktion.
Bevorzugtes Tonmaterial des “Family Man” waren neben den “Reggae-Klassikern” – der Verwendung von Grundton und Quinte – vor allem Tonleitern und Dreiklangs-Arpeggios. Typische rhythmische Merkmale waren z. B. längere Ketten von Achtelnoten, welche einen guten “Flow” in der Musik erzeugen. Seltener findet man Synkopen – wahrscheinlich, weil diese eher etwas hektisch wirken würden.
Bei vielen der angesprochenen zweitaktigen Loops ließ Aston entweder im ersten oder im zweiten Takt (mitunter auch in beiden!) die Zählzeit 1 aus, was für eine besondere Art von Luftig- oder Leichtigkeit des Grooves sorgt.
Reggae lebt von einem geradezu hypnotischen Feeling, das einen schon ohne das Rauchen von gewissen pflanzlichen Substanzen in eine Art Trance zu versetzen mag. Dies gelingt vor allem durch ständige Repetition, also Wiederholungen ohne große Variationen.
Astons Basslines bestehen daher zumeist aus ein- oder zweitaktigen Patterns, welche sich über den Songverlauf hinaus bzw. über einen Abschnitt wie Vers oder Chorus häufig gar nicht oder nur minimal verändern. Dieser Ansatz ähnelt einem sich ständig wiederholenden Loop und erzeugt die oben beschriebene Wirkung.
Aston “Family Man” Barrett – Bass-Sound
Astons Barretts Favoriten waren seine Fender Jazz-Bässe, welche er mit Flatwound-Saiten bestücke. Um den für Reggae typisch dunklen Sound ohne Attack zu erreichen, stützte er den Daumen der Anschlagshand auf dem Ende des Griffbretts ab und spielte mit den Fingern nah am Hals. Hier liefert die Saite eine größere Schwingungsamplitude, mehr Low End und wenig drahtige Höhen und Hochmitten.
In Sachen Verstärkung vertraute Aston im Laufe der Jahrzehnte mehreren Marken, allen voran natürlich der US-Traditionsmarke Ampeg. Hinzu kamen aber auch der berühmte Acoustic 360 Preamp mit der 361 Aktiv-Box sowie ab den späten 80er-Jahren Boxen und Amps der Firma Eden.
Aston gab an, nur selten Effekte zu benutzen – und wenn, dann fast ausschließlich im Studio. Ein Overdrive und ein Envelope Filter zählten hier zu seine Lieblingen.
Aston “Family Man” Barrett/Bob Marley – Songauswahl
Anhand der nachfolgenden Beispiele könnt ihr euch einen guten Eindruck von Aston Barretts Personalstil machen. Die wichtigsten Stichpunkte habe ich den Beispielen jeweils beigefügt. Viel Spaß!
“Easy Skankin”
Merkmale: Dreiklänge, Achtelketten, Zählzeit 1 auslassen
“Jammin”
Merkmale: Achtelketten, Zählzeit 1 auslassen
“Stir It Up”
Merkmale: Arpeggios von Dreiklängen im Chorus, Dur-Tonleiter im Vers
“Is This Love”
Merkmale: Zählzeit 1 auslassen, Unisono mit Melodie, Moll-Tonleiter
“Natural Mystic”
Merkmale: Zählzeit 1 auslassen, extrem hypnotische Wirkung durch Repetition
“I Shot The Sheriff”
Merkmale: Interaktion mit Melodie, Zählzeit 1 auslassen
“Exodus”
Merkmale: Achtelketten, extrem hypnotische Wirkung durch Repetition, Arpeggios von Dreiklängen
“Trench Town Rock”
Merkmale: Interaktion mit Melodie, Zählzeit 1 auslassen, sehr melodisch, Dur-Tonleiter
Viel Spaß mit den Basslinien von Aston Barrett / Bob Marley und bis zum nächsten Mal,
euer Thomas Meinlschmidt
paul sagt:
#1 - 09.02.2024 um 20:57 Uhr
tja, der lehrer von robbie shakespeare war schon recht einzigartig: um ihn, shakespeare und flabba holt kommt keiner rum, der sich ernsthaft mit dem bass in jamaikanischer musik auseinandersetzt. schon was er bei lee perry/den upsetters abgeliefert hat, war extrem stilbildend für den reggae. ich hab ihn damals rauf und runter analysiert und gespielt- shakespeare und holt natürlich auch, aber er war halt schon der pionier- als ich vor jahrzehnten meine liebe für schwarze musik im sllgemeinen und speziell für diese musik entdeckte. wenn ich heutzutage mit irgendwelchen leuten reggae jamme, sind zumindest die ersten durchgänge einer frisch vereinbarten chord progression immer noch extrem voll mit seinen licks, löchern und seinem stil ganz im allgemeinen und das krieg ich wohl nie mehr aus meinen fingern... rest in power family man.
Damir sagt:
#2 - 19.02.2024 um 07:20 Uhr
Herr Meinlschmidt, vielen Dank für die tollen und inspirierenden Artikel. Für mich ist es immer wieder eine Freude, Ihre Artikel zu lesen und ihre Videos zu schauen.
Thomas sagt:
#2.1 - 19.02.2024 um 10:09 Uhr
Hallo Damir, erst einmal können wir uns sehr gerne duzen, schließlich sind wir ja Kollegen. Und vielen Dank für die netten Worte. Habe mich sehr darüber gefreut. Liebe Grüße Thomas
Antwort auf #2 von Damir
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