Joe Bonamassa wird als Bluesgitarrist mittlerweile häufig in einem Atemzug mit Legenden wie Stevie Ray Vaughn, Eric Clapton oder B.B. King genannt. 1977 in New Hartford (New York) geboren, spielt Bonamassa heute weltweit bis zu 250 ausverkaufte Konzerte pro Jahr. Sein melodisches und technisch versiertes Solospiel und seine atemberaubend schnellen Läufe sind nicht die einzigen Gründe, warum es sich lohnt, seine Spielweise genauer zu beleuchten. Er lebt und atmet den Blues, verfügt über ein außergewöhnliches Timing und sein Spiel wimmelt nur so von ausgefuchsten Pentatonic-Licks und Läufen, die wir uns näher anschauen wollen und natürlich nur allzu gerne in unser eigenes Repertoire aufnehmen.
Mit gerade einmal vier Jahren fing Joe Bonamassa an, Gitarre zu spielen – immerhin war sein Vater Besitzer eines Gitarrengeschäftes – und daran war der Legende nach kein Geringerer schuld als Stevie Ray Vaughn, den er im Radio gehört hatte. Von diesem Zeitpunkt an gab es für den kleinen Joe keine Zweifel mehr, welchen Weg er einschlagen würde.
Im zarten Alter von 12 Jahren spielte er schon im Vorprogramm von B.B. King, der ihm in diesem Stadium bereits eine große Karriere prophezeite und recht behalten sollte. In den darauf folgenden Jahren folgte eine Zusammenarbeit mit Erin Davis, dem Sohn von Miles Davis, Waylon Krieger, dem Sohn von Robby Krieger (The Doors) und dem Sohn des Allman-Brothers-Bassisten Berry Oakley jr. unter dem Bandnamen Bloodline.
Obwohl die Band mit der Single “Stone Cold Hearted” sogar in die Charts einstieg, löste sie sich nur kurze Zeit danach auf und Joe setzte seine Solokarriere fort. 1999 unterschrieb er seinen ersten Major-Plattenvertrag und 2000 erschien sein erstes eigenes Album “A New Day Yesterday”. Seitdem veröffentlicht er kontinuierlich Alben und Singles, die regelmäßig Gold und Platin einheimsen, darunter zahlreiche Livealben und DVDs. Eine der bekanntesten und eindrucksvollsten Aufnahmen ist wohl das Konzert in der Royal Albert Hall in London, die 2009 veröffentlicht wurde. Das Album bekam Platin in den USA und Gold in Deutschland und England und als Stargast stand unter anderem Eric Clapton auf dem Programm.
Im folgenden Workshop möchte ich einige Licks von Joe vorstellen, sein Setup beschreiben und euch ein paar meiner Lieblings-Solostrecken näher bringen.
Sound:
Das Setup von Joe Bonamassa hat in den über drei Jahrzehnten seiner Karriere immer wieder Wandlungen durchlaufen. Da er selbst leidenschaftlicher Sammler alter Gitarren und Verstärker ist, sieht man ihn mit einer Gibson Les Paul genau so wie mit einer Fender Stratocaster. Ab und an kommt auch ein Gibson ES-335 zum Einsatz oder eine Fender Telecaster. Es sind aber immer wieder andere Modelle aus den unterschiedlichsten Jahrgängen. Aber egal, welche Gitarre oder Verstärker er benutzt, das Konzept seines Signalweges ist in den letzten Jahren größtenteils gleich geblieben.
Joe hat vier Verstärker auf der Bühne, von denen meist zwei gleichzeitig angesteuert und mit einem Lehle-Switcher umgeschaltet werden. Er benutzt auch den Lehle P-Split, um das Signal geräuschfrei auf die vier Verstärker zu verteilen. Bis vor wenigen Jahren waren es meist zwei Topteile von Marschall und zwei weitere von anderen Marken. So wurde er mit einem Van Weelden Twinkleland Topteil gesichtet oder auch mit einem Carol-Ann JB 100. Beides exklusive Boutique-Amps und nichts für schmale Geldbeutel. Seit 2015 spielt er aber meistens über jeweils zwei Fender Bassman und zwei Fender Blues Deluxe Combos, die auch immer in Paaren geschaltet werden. Joe benutzt für die Amps unterschiedliche Effekte. So hat er einen Verstärker, den er mit Chorus spielt, einem anderen wird ein Fuzzface und ein Hall vorgeschaltet und einem weiteren wird zusätzlich zur Zerre noch ein Boss DD-3 eingespeist. Ansonsten ist Joe Purist: Ein Signature Wah-Wah-Pedal von Dunlop, ein Dunlop Way Huge Overdrive und ein Fuzzface, ebenfalls von Dunlop, liegen neben seinem Mikrofonstativ.
Alle Amps werden extrem laut gefahren, damit die natürliche Röhrenverzerrung einsetzt. Um die ersten Reihen beim Konzert zu schonen, sind die Verstärker hinter Plexiglaswänden aufgestellt. Wenn ihr also den originalen Bonamassa-Sound zuhause oder im Proberaum nachbauen möchtet, solltet ihr schon einmal eure Nachbarn darauf vorbereiten und Ohrenstöpsel bereitlegen.
Soundtipp:
Ich habe für den Workshop einen Plexi gespielt, teilweise mit einer Fender Jaguar, teilweise mit einer Fender Telecaster. Wie schon erwähnt, greift Joe sowohl live wie auch im Studio auf einen außergewöhnlichen Gitarren-Fuhrpark zurück. Bei mir fiel die Wahl der Einfachheit halber auf diese beiden Gitarren, da sie meine Hauptinstrumente sind. Der Amp wurde mit einem Boostpedal angefahren. Bei Joe kam früher oft ein Fuzzface von Dunlop zum Einsatz. Mittlerweile spielt er ein Way Huge Signature-Pedal von Dunlop, wobei ihr aber auch mit vergleichbarem Equipment wie beispielsweise einer RAT von Proco oder einem Tubescreamer und einem laut aufgedrehten Röhrenamp den gleichen Effekt erzielen könnt.
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Play-Alike:
Ein Erkennungsmerkmal von Joe sind sicherlich die zahlreichen und extrem sauber ausgeführten Bendings. Oft gehen diese nahtlos ineinander über. Ein schöner Effekt ist es, denselben Ton einmal mit Bend und einmal ohne nacheinander auf unterschiedlichen Saiten zu spielen.
Als Beispiel hier der Soloeinstieg von “Just got Paid” auf dem Album “Tour de Force: Live in London” (2:55):
Achtet darauf, dass die Töne sauber ineinander klingen, d.h., der Bend muss genau passen. Dies kann man am besten erst einmal mit einzelnen Tönen probieren.
Auf dem Album “Blues Deluxe” spielt Joe auf dem Song “Man of Many Words” zwei sehr melodische Soli, an denen wir uns viel von seiner Technik und seinen melodischen Ideen abschauen können. Hier ein Beispiel für die Bendingtechnik, erst langsam, dann im Originaltempo:
Hier das komplette Solo (1:13):
Desweiteren tauchen bei Joe immer wieder schnelle und trotzdem sehr saubere Passagen auf, wie im zweiten Solodurchgang auf “Man of Many Words” (2:10):
Hier das zweite Solo komplett. Der Song moduliert zuerst nach A-mixolydisch, dann gegen Ende zu C-mixolydisch. Achtet darauf, wie er in beiden Tonarten sowohl Dur- als auch Mollterz einsetzt. Die entsprechenden Stellen sind im PDF markiert.
Auf “Just got Paid” finden wir noch ein weiteres sehr lohnenswertes Lick (3:46):
Joe spielt gerne die Dur- und Mollterz über Dominantseptakkorde. Das finden wir schon bei “Man of Many Words” im zweiten Solo beim Tonartwechsel. Aber versucht euch doch einmal an diesem Lick von der berühmtesten Liveplatte Live from the Royal Albert Hall . Zusammen mit Blues-Urgestein Eric Clapton spielte Joe den Song “Lonesome Road Blues”:
Zum Abschluss möchte ich euch noch eine meiner Lieblings-Solostrecken von ihm mitgeben. “Sloe Gin” ist auf dem gleich betitelten Album erschienen. Achtet darauf, wie er mit Bluespentatonik und kaum zusätzlichen Tönen ein wunderbar melodisches Solo spielt. Eigentlich bewegt er sich nur in der D-Moll-Pentatonic und fügt die None (hier den Ton E) hinzu. Außerdem spielt er die Quarte (hier den Ton G) sehr oft über die Blue-Note Ab an: