Dass John Mayer ein Tausendsassa ist, beweist er in jedem seiner Songs: Er schreibt einen Hit nach dem anderen, überzeugt als vielseitiger Gitarrist, seine Produktionen glänzen durch hervorragenden Sound, durch Dynamik und innovative Ideen und sein Time-Feel ist außergewöhnlich, genau so wie die schönen Frauen an seiner Seite. Man könnte neidisch werden, obwohl zumindest einiges von dem, was wir hören, auch der Arbeit von guten Produzenten, Engineers oder einfach Vibe-Mastern im Hintergrund geschuldet sein kann. Nicht selten sind es Produzent oder Mitmusiker, die plötzlich die zündende Idee oder Melodie zu einem Song beisteuern, oder ein Engineer, der den Gitarrensound zu dem macht, was er am Ende ist. Aber es ist kein Zweifel, dass John Mayer aktuell zu einer der herausragenden Erscheinungen in unserem Metier zählt.
Zwar begann er ein Studium am Berklee College of Music, merkte allerding relativ schnell, dass er eigentlich lieber Musik macht, anstatt sie zu studieren. Also beschloss er, sich fortan auf die praktische Seite zu schlagen und sich auf das Songwriting zu konzentrieren. Im Rahmen seiner Karriere definierte sich John übrigens immer wieder neu. Hörte man ihn am Anfang als Singer/Songwriter im klassischen Sinne allein mit Gitarre, sah man ihn später in großen Bandbesetzung mit massivem Popsound inklusive Bläsern, Keyboards und zweitem Gitarristen. Schließlich kam das Trio JM3, das seine Qualitäten als beeindruckenden Solisten und Rhythmusspieler in den Vordergrund stellte. Ein gutes Trio ist grundsätzlich eine geniale Besetzung, weil jeder der Beteiligten seinen Raum hat, und wenn er den nutzen kann … Kein Zweifel, dass Namen wie Steve Jordan an den Drums und Fretless-Legende Pino Palladino am Bass in der Lage sind, jeden Raum mit geballter Musikalität zu füllen. Heute nimmt John Mayer in seiner großen Bandbesetzung sogar zwei weitere Gitarristen (Robbie McIntosh und David Ryan Harris) mit auf Tour. Der Mann ist eben flexibel – auch was sein Line-Up angeht.
In unserem Play-Alike wollen wir Johns vielseitige musikalische Qualitäten etwas genauer unter die Lupe nehmen. Den Einstieg werden wir mit einfacheren Gitarrenparts machen, bevor es dann langsam aber sicher immer anspruchsvoller und solistischer wird.
SONGS
Dreaming with a broken heart
Los geht es mit der Ballade „Dreaming with a broken Heart“ (Album „Continuum“). Ab 1:05 beginnt die Gitarre damit, das Klavierpattern zu doppeln. Simpel, aber stark, weil die Stimmführung eng ist. So lässt John bei der Akkordfolge G-A7-C die ganze Zeit das G oben liegen. Und um vom A7 zum C zu wechseln, ändert er nur einen Ton und macht das C# zum C. Einfach, aber schick!
New Deep
Weiter gehts mit „New Deep“ (Album „Heavier Things“).Intro und Haupt-Rhythmus-Part leben von mit Fingern (ohne Daumen) gezupften Achteln auf der E-Gitarre. Um den pumpenden Sound zu kreieren, ist die Tonlänge von entscheidender Bedeutung: Eigentlich sind die einzelnen Chords hier jeweils genau eine Sechzehntel lang! Experimentiert mal mit der Tonlänge: Wir stoppen den Akkord ab, indem wir mit dem Druck der linken Hand auf die Saiten leicht nachlassen (die Finger bleiben auf den Saiten!) und die Finger der rechten Hand (gleichzeitig) auf die Saiten legen, bevor wir sie wieder zupfen. Schaut also, dass Ihr es schafft, in beliebigem Tempo (man kann ja langsam beginnen) Akkord- und Pausenlänge exakt gleich hinzubekommen!
Für die Melodie ist ein wenig Fingerfertigkeit gefragt. Oktaven mit vielen Slides erfordern eine gute Abdämpfung der restlichen Saiten, damit sie nicht mitklingen. Ich spiele Oktaven meistens mit dem Zeigefinger für den unteren Ton und dem kleinen Finger für den oberen. Der Mittelfinger dämpft bei den ersten Oktaven im Song beispielsweise die tiefe E-Saite ab, die anderen Finger sind so angewinkelt, dass auch die ganzen restlichen Saiten nicht klingen können. Man braucht einen kräftigen Anschlag, damit der Ton bei den Slides noch Sustain hat.
Something’s Missing
(Album „Heavier Things“)
Ein sehr feiner Gitarrenpart mit einer offen gestimmten E-Gitarre. Die Stimmung ist von der tiefen E-Saite aus: E-H-E-F#-H-E. Also sind A- und D-Saite einen Ganzton nach oben gestimmt und die G-Saite einen Halbton nach unten. Außerdem sind hier einige Pull-Offs zu bewältigen. Auf die Plätze, Stimmen, Los!!
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Vultures
Ein weiteres Schmankerl der Rhythmusgitarre: „Vultures“ von der Scheibe „Continuum“. Ebenfalls mit Fingern gezupft, diesmal ist der Daumen mit von der Party! Das Hammer-On verlangt nach einem kräftigen kleinen Finger. Ich habe nochmal die IX. Lage als Alternative mit aufgeschrieben (Takt 3&4), weil sie für den einen oder anderen eventuell leichter zu spielen ist. Die höhere Lage klingt einfach fetter, weil die Saiten dicker sind.
Belief
Ebenfalls von der „Continuum“-Platte stammt der Song „Belief“. Sein Aushängeschild ist eine schöne Verbindung der Grundtöne und darüber der Melodie in Sexten. Hier sind einige schnelle Lagenwechsel und kleine Slides gefragt.
Clarity
Kommen wir zum Song „Clarity“ („Heavier Things“). Während die Strophe recht transparent gehalten ist, geht im Refrain den Vorhang auf: Die Drums gehen aufs Ride, die Akkorde wechseln schneller und die Gitarre spielt diese clevere Hammer-On/Pull-Off-Figur, die gleich bleibt, während darunter die Akkorde wechseln. Klasse!
Bei diesem Part solltet Ihr darauf achten, dass Ihr nicht verkrampft. Es ist eine sehr ungewohnte Bewegung und es gilt wie immer, Muskeln und Sehnen zu schonen! So richtig tricky wird’s am Ende. Während die Variation in den letzten vier Takten mit angeschlagenem Fis auf der hohen E-Saite gespielt wird, bleibt das Hammer-On/Pull-Off-Muster darunter gleich. Die schwierigste Aufgabe ist jedoch, die E-Saite anzuschlagen und danach wieder mit einem Finger der rechten Hand abzudämpfen.
Your Body Is A Wonderland
Eine weitere schöne Perle der Popmusik ist in meinen Ohren das kleine, aber feine E-Gitarren-Lick im Hit „Your Body Is A Wonderland“ (Room For Squares), das sich gleich im Intro präsentiert. Dabei sind die Saiten leicht mit dem Handballen der rechten Hand abgedämpft und besonderer Wert wird auf die knackige Kürze der ersten beiden Double-Stops gelegt. Auch die Akustikgitarre aus dem Intro habe ich hier notiert:
Schön auch das später im Stück vorkommende Solo mit geslideten Sexten, das ich Euch nicht vorenthalten will:
Perfectly Lonely
Solistisch geht es weiter mit dem Intro von Perfectly Lonely (Battle Field Studies). Schönes Ding!
City Love
Ein weiteres schönes Solo finden wir in dem Song City Love (Room For Squares):
Who Did You Think I Was (Try!)
Zum Abschluss noch eine deftige Prise geballter Energie! Beim Main-Riff von Who Did You Think I Was (Try!) kommt es einem auf jeden Fall zugute, wenn man schon ein wenig Funkgitarre gespielt hat. Vor allem das Abdämpfen mit der linken Hand ist relevant, um rechts weit ausholen zu können, denn das ist wichtig für den Sound. Bestimmt findet ihr im Internet ein Video mit diesem Titel, auf dem ihr sehen könnt, wie viel Bewegung John aus dem Arm nimmt. Natürlich wird das A im V. Bund der E-Saite mit dem Mittelfinger gegriffen, damit der Slide danach mit den Fingern 1 und 3 stattfinden kann. Rock it!