Praxis
Auf den ersten Blick wirkt der PLAYdifferently Model 1.4 wirklich klein, fast schon wie ein besonders dicker Battlemixer. Das ändert sich schlagartig, wenn man davorsteht und mixt. Dann wirkt er großzügig und aufgeräumt und passt tiefenmäßig genau zwischen zwei horizontal platzierte 1210er. Wer den Model 1 kennt, findet sich sofort zurecht, denn der „Kleine“ folgt exakt dem Mixer-Konzept, das schon der „Große“ vorgegeben hat: mixen mit Filtern, shapen statt boosten, externe Effekte anschließen und per D-Sub hochwertige Soundkarten integrieren. Hier ist keine DVS-kompatible Soundkarte drin und kein USB-Anschluss vorhanden.
Auch Crossfader und Mikrofonanschluss sucht DJ vergebens. Hatte der Model 1 schon nicht, braucht der Model 1.4 also auch nicht. Es gibt lediglich zwei ausgewiesene Phono-Eingänge unter den vier Kanälen, verglichen mit drei beim sechskanaligen Model 1.
Das ist kein unlösbares Problem, denn mittlerweile sind einige Turntables auf dem Markt, die auf Line-Ausgangsimpedanz umschaltbar sind und so ebenfalls angeschlossen werden können, wenn’s denn wirklich drei oder vier Decks sein müssen.
Bauqualität
Hier gibt es absolut nichts zu meckern. Alles fühlt sich total wertig an. Die TKD-Fader gleiten cremig und präzise, die ALPS-Potis bieten einen niveauvollen Widerstand und die hintergrundbeleuchteten Schalter klicken präzise. Ich finde es auch super, dass man die Leuchtintensität der Schalter ganz analog und ohne Menu-Diving regeln kann, schön dezent für den dunklen Club oder klar erkennbar für das Open-Air-Festival. Es sind diese kleinen Dinge, mit denen Ritchie Hawtin und Andy Rigby-Jones schon beim Model 1 ihre Erfahrung aus dem Profibereich eingebracht haben und die alle beim Model 1.4 übernommen wurden. Und natürlich auch das absolute Alleinstellungsmerkmal der PLAYdifferently-Mixer: die einzigartige Filterarchitektur.
Für dich ausgesucht
Contour Filter, Sculpture EQ und Masterfilter in der Anwendung
Ja, hier müssen sich DJs, die bislang nur mit Drei-oder-Vierband-EQs gemixt haben,s wirklich erst reinfuchsen. Dass die Nullstellung (= Flat) beim Lowpass (= Höhen-weg-Regler) ganz rechts ist und die des Highpass (= Bass-weg-Regler) ganz links, das muss erst mal verinnerlicht werden. Was nach der Eingewöhnung auffällt: Die Kombination ist ideal zum schönen Shapen eines Stereosignals. Brachiales Action-Mixing mit schnellen Equalizer- und Filter-Moves geht auch, aber es macht einfach viel mehr Spaß, aus endlosen Tracks genüsslich Frequenzaspekte herauszuschälen und zu isolieren und dann mit anderen Tracks zu kombinieren. Warum? Weil der Model 1.4 es kann! Er verschafft der Musik Charakter und klingt in allen Einstellungen einfach gut. Ein einziger großer Sweet Spot.
Ja, das Tiefpassfilter ist nicht resonanzfähig. Vielleicht möchte PLAYdifferently nicht die Verantwortung tragen, wenn unvorsichtige DJs mit zu viel Tiefpassresonanz die Clubanlage killen. Der Hochpassresonanz-Regler wirkt weniger spektakulär, ist aber ein weiteres effektives Werkzeug zum Shapen des Signals. Bei anderen Mixern macht das Hochpassfilter das Signal einfach nur dünner, hier hat auch ein weggefilterter Track immer noch Substanz.
Drive me home
Bevor ich mich dem Fazit zuwende, noch ein großes Lob an den kleinsten Regler: Drive-beim PLAYdifferently-Mixer ist kein Overdrive. Kein Fuzz und kein Distortion. Es ist eine sehr schön abgestimmte Saturation-Schaltung, die schlappe Platten einfach fetter macht. Aufmerksam eingesetzt klingen damit gerade minimalistischere House- und-Technoplatten besonders crunchy und saftig, ohne dass das Signal matschig oder verzerrt wird. Dass genau dieser geniale Regler sich als kleines schmales Schaft-Poti tarnt, ist pures Understatement.
AUDIO
Bei den Audiobeispielen konzentriere ich mich jeweils immer nur auf einen Regler, außer beim Masterfilter, da gibt es ein Beispiel, bei dem ich das Zusammenwirken von Tiefpass und resonanzfähigem Hochpassfilter zeige. Zuerst mal mit einem Beatloop.
Und hier das gleiche Prozedere noch einmal mit einem Keyboard-Loop. Beide Loops sind übrigens auf dem Irrupt Audio Open Source Loop Doppel-Vinyl enthalten, das Irrupt Audio Mastermind Jay Ahern 2017 auf der Superbooth verteilt hat.
Was fehlt?
Verglichen mit dem Model 1 fehlen zwei Kanäle, der dritte Phono-Eingang, der zweite Masterausgang, der zweite D-SUB-Eingang, der zweite Netzteileingang, einige Zentimeter Gehäuse – und circa 900 Euro Aufpreis. Und damit sind wir schon genau bei der Kaufempfehlung.
Für wen ist das?
Es hätte besser nicht kommen können: ein kleiner Model 1 mit allen wichtigen Features, und diese ohne Einschränkungen. PLAYdifferently-Mixer sind nicht für jeden DJ geeignet. Mit Crossfader und Mikrofoneingang können sie nicht dienen, womit die Hip-Hop-Klientel schon mal raus ist. Wer gerne mit konventionellen Equalizern und Onboard-Effekten hantiert und einen typischen Club-Standard-Mixer sucht, wird lieber zum Pioneer DJM-900NXS2 greifen, der in der gleichen Preisklasse spielt.
Wer analoge Technik mit schönen Filtern günstiger sucht, gibt sich womöglich mit dem anderen De-facto-Club-Standard Allen & Heath Xone:96 zufrieden.
Mark Pohlmann sagt:
#1 - 17.11.2021 um 07:29 Uhr
Danke für den tollen Bericht und die Soundbeispiele! Macht wirklich Lust, das kleine Kistlein mal unter den Händen zu haben. Der Preisunterschied zum Xone 92 bleibt weiter hoch, auch wenn ich nochmal besser verstanden habe, wo eigentlich der Vorteil von den Model 1 liegt.
Mijk van Dijk sagt:
#1.1 - 22.11.2021 um 13:24 Uhr
Danke für das Lob, Mark.
Der Model 1.4 ist halt wirklich etwas besonderes, sicher nicht perfekt für jede/n DJ, aber es ist doch schön, wenn es perfekte Lösungen für spezielle Wünsche gibt, die auch noch einigermaßen bezahlbar erscheinen.
Antwort auf #1 von Mark Pohlmann
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