Praxis
Praxis und Sound
Bevor ich mit dem Bias Distortion versuche, Pedale aus meiner Sammlung nachzubauen, gebe ich euch einen kleinen Überblick über die Standardsounds der Software. Diese enthält einen virtuellen Gitarrenamp, der beim Herumprobieren durchaus hilfreich sein kann. Ich habe mich bei den ersten Soundbeispielen für den 66′ AC Boost entschieden. Bei ihm handelt es sich um die Simulation eines leicht gesättigten Vox AC 30. Die Einstellungen am Amp habe ich bei den unterschiedlichen Pedalen nicht verändert. Im ersten Soundbeispiel hört ihr als Referenz die Ampsimulation ohne einen virtuellen Zerrer. Die Gitarrenspur habe ich vorher über den High-Z-Eingang meines Audiointerfaces in den Rechner gespielt. Somit ist hier also immer das identischen Riff zu hören.
Wie aber wirken sich die unterschiedlichen Transistoren-, Dioden- und Röhrensimulationen auf den Sound aus? Zu diesem Zweck habe ich je ein solistisches Riff, als auch ein paar Akkorde eingespielt und diese mit den unterschiedlichen Verzerrungsarten in je zwei Soundbeispiele gepackt. Als Pedalmodell habe ich mich hier für das Modell Scream Monster entschieden und beim Wechsel die unterschiedlichen Clippingarten gleichzeitig sowohl in der Clipping Stage als auch im Output Module getauscht. Hier gibt es natürlich noch alle möglichen Mischformen, die allerdings den Rahmen dieses Berichtes gesprengt hätten.
Das Nachbauen analoger Pedale
Wie gut kann man mit dem Bias Distortion einen analogen Verzerrer virtuell nachbauen? Um das herauszufinden, habe ich drei Pedale aus meiner Effektsammlung genommen und versucht, deren Sound und Klangverhalten mit der Software zu imitieren. Als Versuchskaninchen kamen ein King Of Tone von Analogman, ein 70er Big Muff und ein Fulltone Fat Boost zum Einsatz. Die Resultate habe ich später in das Pedal transferiert und über meinen realen Vox AC 30 gespielt. Die Audiobeispiele bestehen immer aus drei Teilen. Zuerst hört ihr das Riff ohne Pedal als Referenz. Danach kommt das Riff mit dem originalen Verzerrer und im letzten Drittel mit dem von mir nachgebauten Pedal im Bias Distortion. Eines vorweg: Der A/B-Vergleich kann sich wirklich hören lassen, denn die Ergebnisse klingen verblüffend ähnlich. Beim späteren Abhören der Audiofiles ist es mir selber schwergefallen, die Sounds zu unterscheiden. Was sich aber geändert hat, ist teilweise das Spielgefühl, denn beim Einspielen hatte ich den Eindruck, dass die alten Analogpedale einen Tacken direkter und schneller reagieren.
Wie bin ich vorgegangen?
Beim virtuellen Nachbauen der Sounds habe ich die jeweiligen Pedale ohne Ampsimulation direkt in die Soundkarte gespielt, was natürlich verdammt grauselig klingt. Aber nur so kann man die Färbung durch den Gitarrenamp und den Lautsprecher umgehen. Ohne die natürliche Frequenzbeschneidung eines Gitarrenlautsprechers haben verzerrte Sounds viel Ähnlichkeit mit einem Rasierapparat. Ein gutes Beispiel dafür ist der Anfang des Titels Revolution von den Beatles. Um den Klang eines Verzerrers wirklich in seiner ganzen Bandbreite analysieren zu können, ist das meiner Meinung nach aber der beste Weg. Zur Unterstützung meines Gehörs habe ich außerdem immer einem Analyzer mitlaufen lassen, um die hohen Frequenzen ab 14 KHz auch optisch kontrollieren zu können. Mir ist aufgefallen, das die Frequenzkurve ab etwa 15 kHz im Vergleich zu realen Verzerren viel zu schnell abfällt. Da der grafische EQ nur bis 8 kHz reicht, kann man diesen Effekt auch nicht korrigieren. Ein parametrischer EQ samt High-Shelf-Filter wäre hier sicher eine bessere Wahl gewesen, aber vielleicht kommt das ja noch bei einem zukünftigen Firmware-Update. Um den Abfall im Obertonbereich auszugleichen, musste ich deshalb immer mit dem Pedal-Match arbeiten. Dabei habe ich übrigens ein Weißes Rauschen anstelle eines Gitarrenriffs verwendet, was hier wirklich erstaunlich gut funktionierte. Wer das nachmachen möchte, braucht sich nur ein endsprechendes Audiofile ins Smartphone zu laden und dann mittels eines Adapters in das Pedal zu jagen.
Kommen wir zu den A/B-Vergleichen. Einer meiner Lieblingsverzerrer ist der King Of Tone von Analogman, der für mich so etwas wie die Luxusversion des klassischen Tubescreamer darstellt. Die hier nachgebaute Einstellung bringt eine leichte und bluesige Verzerrung, die das Pedal wirklich erstaunlich gut meistert.
Für dich ausgesucht
Den Fulltone Fat Boost benutze ich gerne für Singlecoil-Gitarren. Hier geht es nicht um das brachiale Bratgeschäft, sondern um ein dezentes Anrauen des Sounds bei gleichzeitigem Anreichern der Obertöne. Auch hier arbeitet das Pedal sehr gut, könnte aber den Obertonbereich für meinen Geschmack noch etwas sauberer auflösen. Aber hört selber.
Zum Schluss hört ihr eine virtuelle Reinkarnation meines alten Big Muffs aus den 70ern. Man darf nicht vergessen, dass man immer nur eine spezielle Einstellung des Pedals nachbauen kann. Sobald man diese variiert, sollte man auch den Pedal Match neu machen, weil sich dabei die Obertonstruktur stark verändern kann.