Praxis
Für den Praxisteil wird der Bias Mini zuerst an eine Marshall 4×12 Box (Celestion G12M) angeschlossen, die von einem Neumann TLM-103 abgenommen wird. Das Signal mit Cab Simulation über den Line Out kommt später an die Reihe. Im Signalweg wird die Cab-Simulation zwar angezeigt, diese hat aber logischerweise keine Auswirkung auf den Speaker-Out, das Signal wird nach dem Transformer abgezweigt.
Auf den 16 Preset-Speicherplätzen des Topteils befinden sich Modelle beliebter Ampklassiker aus den vergangenen Jahrzehnten, vom Fender Tweed Deluxe über den Marshall Plexi bis zum Boogie Rectifier oder den Diezel VH-4 aus der modernen High-Gain-Abteilung. Das Ganze ist sehr stimmig ab Werk vorbereitet: Im grünen Channel sind die Ampsounds mit Clean und Crunch am Start, beim roten Channel haben wir die höheren Zerrgrade – allesamt sehr gut abgestimmt, was die Ausgangspegel der unterschiedlichen Amp-Simulationen betrifft. Die Amp-Modelle sind natürlich nur die Vorschläge ab Werk, alle Speicherplätze sind frei belegbar, und wenn man die Bias-Amp-App angeschlossen hat, stehen auch noch mehr Amp-Modelle zur Verfügung. Hier ist eine Auswahl aus dem Fundus des grünen Channels, ich habe dafür die vorbereiteten Amps angewählt, aber noch etwas Finetuning mit der Bias-Amp-App betrieben.
Die Werksounds bieten eine optimale Ausgangsbasis und mit den Regelmöglichkeiten direkt am Amp kann man das Ganze für den Praxiseinsatz auf die angeschlossene Gitarre einstellen, ohne Tablet oder Computer zuhilfe nehmen zu müssen. Mit der Bias-Amp-App bieten sich natürlich noch wesentlich mehr Möglichkeiten, den Sound zu formen. Das Konzept ist sehr bequem: Man kann sich in Ruhe zuhause mit der App die Presets bis ins Detail auf Maß schneidern, Kleinigkeiten in der Gain/Frequenz-Abstimmung können anschließend im Proberaum oder auf der Bühne direkt am Amp ohne Eintauchen in Untermenüs vorgenommen werden.
Die klanglichen Charakteristiken der Amp-Vorbilder sind recht gut getroffen, auch im Reaktionsverhalten sieht es gut aus. Das konnte man besonders im letzten Beispiel (British J45) gut hören, bei leichtem Anschlag geht der Zerrgrad weit zurück und bei harter Betätigung der Saiten erhält man ein stattliches Rockbrett. Unter der Lupe und im knallharten Direktvergleich, zum Beispiel beim Twin Model mit einem “echten” Fender Twin, muss man natürlich Abstriche machen. Man hört beim Bias Mini die digitale Klangerzeugung, das macht sich vor allem bei höheren Lautstärken im Höhenbereich bemerkbar, da hat das Röhren-Original eben den etwas wärmeren Sound. Trotzdem spielt der Bias Mini klanglich in der oberen Klasse der Modeling-Amps mit, seine Vorteile liegen klar in der klanglichen Flexibilität und dem Angebot an Amp-Modellen sowie seiner kompakten Größe/Gewicht. Schön wäre es natürlich, wenn auch noch ein paar Standardeffekte an Bord wären, damit man tatsächlich mit kleinem Gepäck unterwegs sein kann. Die Lautstärke reicht mit ihren Cleanreserven auf jeden Fall für den normalen Bandeinsatz (Proberaum/Bühne). Wenn es aber richtig laut werden soll, zum Beispiel, wenn man einen kleinen Club von der Bühne aus mit der Gitarre beschallen möchte und die Kollegen mit dickeren Röhrenamps aufwarten, könnte es kritisch werden.
Aber jetzt widmen wir uns den etwas höher verzerrten Sounds, der rote Kanal ist angewählt.
Auch hier werden amtliche Amp-Modelle serviert, die dem Charakter der Originale entsprechen und für Dampf sorgen. Das Noisegate verrichtet übrigens sehr gute Arbeit und sorgt für Stille in den Spielpausen. Weiter geht es mit dem Reverb, hier stehen neun verschiedene Reverb-Algorithmen zur Verfügung, die mit sechs Parametern einstellbar sind. Der Hall kann leider nur über die App eingestellt werden, zumindest ein Regler für das Mischungsverhältnis am Amp wäre nicht schlecht für den schnellen praktischen Einsatz. Außerdem ist die Nachhallzeit schon bei minimaler Einstellung recht lang, aber man kann auf jeden Fall ein etwas räumlicheres Klangergebnis erhalten.
Für dich ausgesucht
Wir kommen nun zum Sound der Cab-Simulation. Der Bias Mini ist jetzt zusätzlich über den Line-Out direkt mit dem Audio-Interface verbunden. Dadurch spart man sich unter Umständen das Mikrofonieren des Amps auf der Bühne, vorausgesetzt, der Sound von Cab-Simulation und angeschlossener Gitarrenbox sind einigermaßen identisch. Für die Audiobeispiele habe ich nun ein Boogie MKIIc Amp Modell genommen und eine Box mit V30 Speakern angeschlossen, die mit einem SM-57 abgenommen wird. In der Cab-Simulation wurde mit ähnlichem Besteck gearbeitet und das Ergebnis ist auf jeden Fall brauchbar für die Direktabnahme auf der Bühne und im Studio. Neben einer stattlichen Auswahl an verschiedenen Lautsprecherboxen und vier Mikrofonen können diese auch in der Position verändert werden, und diese Veränderungen sind klar hörbar. Auch das Kombinieren von zwei Mikrofonen funktioniert sehr gut, und mit dem grafischen Equalizer, den man ans Ende der Signalkette platzieren kann, hat man gute Eingriffsmöglichkeiten, den Klang noch weiter frequenzmäßig zu optimieren.