„Es muss fett klingen!“ – diese Floskel sagen wir eigentlich zu allem: Instrumenten, Effekten, Verstärkern, Boxen, Grooves usw. Oft können wir aber gar nicht definieren, was wir mit „fett“ genau meinen und vor allem, wie wir etwas denn nun wirklich „fett“ klingen lassen können. Zumindest für Basslines haben wir in diesem Workshop eine Lösung für euch: Powerchords (auch: Power Chords)! Ohne diese minimalistischen „Akkorde“ wären viele härtere Genres überhaupt nicht denkbar. Die aus Grundton und Quinte bestehenden Griffe sind sozusagen identitätsstiftend für Rock, Hard Rock und Heavy Metal. Aber auch in anderen Genres findet man Powerchords. In erster Linie kennt man sie zwar von der Gitarre, aber häufiger als man denkt, hört man sie auch vom Bass. Es gibt sogar mehrere Bass-Hymnen, welche vorwiegend aus Powerchords bestehen. Daher wollen wir heute erkunden, wie wir Powerchords für unsere eigenen Basslines nutzen können.
Powerchords: Definition
Die kleinste Einheit, die die Bezeichnung „Akkord“ tragen darf, ist ein Dreiklang. Dieser besteht aus dem Grundton, der Terz und der Quinte. Bei Powerchords wird einfach die Terz weggelassen – folglich bleiben nur noch Grundton und Quinte übrig. Genau genommen sind diese Griffe also gar keine vollen Akkorde, denn diese bestehen per Definition eigentlich aus mindestens drei Tönen. Solche Kleinigkeiten sind dem Musikerslang aber zum Glück grundsätzlich egal!
Gelegentlich gesellt sich zum Grundton und der Quinte auch noch die Oktave. Dann haben wir es zwar mit drei Tönen zu tun, doch die Oktave ist harmonisch gesehen lediglich eine Wiederholung des Grundtons. Eine weitere Variante ist die Umkehrung: Hier wird der tiefe Grundton weggelassen und nur die Quinte und Oktave gespielt. Auch dieser Griff kommt relativ häufig in Basslines vor.
Harmonische Wirkung
Die beim Powerchord fehlende Terz bestimmt das Tongeschlecht (Dur oder Moll). Sie gibt also harmonisch eine ganz entscheidende Richtung vor. Dieses Feature fällt jedoch beim Powerchord weg, weshalb diese Griffe sehr offen und nicht eindeutig klingen. Somit bilden sie eine ideale Plattform, welche man sehr vielfältig interpretieren kann. Ein gutes Beispiel ist die in Blues, Rock, Funk, Soul, etc. beliebte Verwendung beider Terzen (der großen wie auch der kleinen Terz), um den Ganzen den nötigen „Dreck“ zu verleihen. Auch Blues-Pentatoniken mit ihren Blue Notes funktionieren bestens über Powerchords.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Powerchords überraschender Weise mehr „Power“ besitzen. Dur-Akkorde zum Beispiel klingen gerade in härteren Gefilden schnell mal zu brav. Akkorde aus mehr als drei Tönen klingen – obwohl in der Anzahl der Töne überlegen – hier jedoch nicht unbedingt fetter. Im Gegenteil, mehr Töne machen Akkorde schnell eher filigraner und somit „dünner“ im Sound. Powerchords besitzen daher deutlich mehr Kraft und Druck – gerade, wenn sie verzerrt gespielt werden!
Für dich ausgesucht
Powerchords auf dem Bass greifen
Ein weiterer Aspekt für die Beliebtheit dieser Griffe ist, dass sie im Vergleich zu Akkorden sehr einfach zu greifen sind. Die Quinte liegt im Vergleich zum Grundton zwei Bünde und eine Saite höher. Den Grundton können wir also bequem mit dem Zeigefinger, die Quinte mit dem kleinen Finger greifen. Dieses Griffbild kommt unserer Greifhand sehr entgegen!
Für die Variante mit Grundton, Quinte und Oktave gibt es zwei Optionen. Nummer 1 ist, Quinte und Oktave mit dem kleinen Finger als Barré zu greifen.
Option Nummer 2 ist, die Quinte mit dem Mittelfinger und die Oktave mit dem kleinen Finger zu greifen.
Die Umkehrung mit Quinte und Oktave kann man je nach Bedarf mit jedem Finger als Barré greifen, am einfachsten aber sicher mit dem Zeige- oder dem kleinem Finger. Oder man nutzt zwei gegenüberliegende Finger. Meine Favoriten hierfür sind der Mittel- und der Ringfinger.
Anschlag mit Fingern und Plektrum
Spielt man ausschließlich oder hauptsächlich mit dem Pick, ist man in Sachen Powerchords schon mal auf der Gewinner-Seite. Hier muss man an seiner Technik nichts umstellen, sondern nur einfach zwei oder drei Saiten auf einmal anschlagen. Spielt man vorwiegend mit einem Wechselschlag aus Zeige- und Mittelfinger der Schlaghand, so bieten sich zwei Optionen, um Powerchords anzuschlagen.
Variante 1 macht Sinn, wenn Powerchords als einzelne Akzente genutzt werden. Hier muss man schnell zwischen dem normalen Wechselschlag und Powerchords wechseln. Dies funktioniert am besten, wenn wir alle Finger zu einer lockeren Faust ballen und schnell wieder öffnen. So streichen zumindest die längeren Finger an den entsprechenden Saiten entlang.
Besteht die Bassline oder ein Abschnitt davon aus Powerchords, formt man am besten Daumen und Zeigefinger zu einer Art Plektrum. Damit lassen sich einfacher und schneller mehrere Powerchords hintereinander spielen.
Powerchords einsetzen
Eine beliebte Art, um Powerchords für Basslines zu nutzen, ist, mit ihnen einen Akzent zu setzen. Der Powerchord betont dabei eine Note und verleiht dieser entsprechend mehr Energie und Bedeutung. Steve Harris von Iron Maiden nutzt zum Beispiel den Powerchord für Akzente in einem „Galloping Horse Groove“:
Dieser Plektrumgroove bedient sich desselben Tricks, allerdings in einem funky Kontext:
Besonders häufig findet man Powerchords am Ende von Formteilen. Falls der Vers, Chorus etc. auf einer langen Note (z. B. Halbe oder Ganze) endet, ist dies ein idealer Platz für einen fetten Powerchord:
Mehrere Powerchords machen exponierte Stellen (Intros etc.) schön fett. Vor allem, wenn wieder längere Noten im Spiel sind:
Natürlich gibt es noch deutlich mehr Spots für Powerchords. Für heute soll es das aber genug an Beispielen sein, denn schon bald bekommt ihr noch Nachschub von mir: Als Fortsetzung folgt nämlich demnächst ein Artikel zu „10 ikonischen Basslines mit Powerchords“ aus unterschiedlichen Genres. Anhand dieser Beispiele kann man die Verwendung der musikalischen „Dickmacher“ vom den großen Meistern lernen.
Viel Spaß und bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
▶ Hier geht es zu Teil 2 des Bassworkshops zum Thema “Powerchords”!