Presonus kennt man unter anderem von Produkten wie der Central Station und der Monitor-Station, welche wir übrigens schon im Rahmen unseres Testmarathons Monitorcontroller untersucht haben. Auch die Recording-Software Presonus Studio One 2 erfreut sich großer Beliebtheit, sogar Mischpulte wie das Studiolive 1602 und 2442, den DAW Controller Faderport und die Monitorboxen wie Eris 5 und 8 hat der US-amerikanische Hersteller im Angebot.
Nur Mikrofonvorverstärker assoziiert man nicht unbedingt mit der Marke, die ihre (Software-) Forschungsabteilung übrigens in Hamburg beheimatet hat. Und einen vernünftigen Mic-Pre baut man auch nicht einfach mal so, weswegen sich Presonus für dieses Vorhaben auch mit Anthony DeMaria verbündet hat. Und dieser ist kein Unbekannter, was die hohe Kunst der Röhrentechnik anbelangt.
Unter dem Label Anthony DeMaria Labs (ADL) hat er schon tolle Kompressoren wie den ADL S/C/L 1500, den Fairchild-Clone ADL 670, aber auch den Stereo-Preamp Presonus ADL 600 gebaut. Heute widmen wir uns aber der eierlegenden Wollmilchsau ADL 700, dem Mono-Kanalzug mit einem äußerst reichhaltigen Klangbearbeitungspotential!
Details
Der Presonus ADL 700 ist ein sehr umfangreich ausgestatteter Röhren-basierter Mono-Kanalzug bzw. Channel-Strip. Solch eine analoge Gerätschaft zeichnet sich vor allem durch das Vorhandensein eines (Mikrofon-)Vorverstärkers aus, der in unserem speziellen Fall sogar allein schon eine Menge Möglichkeiten bietet. Aber als wäre das noch nicht genug, bietet er außerdem einen FET-Kompressor sowie einen halb-parametrischen, vierbandigen EQ. Doch immer der Reihe nach, am besten von links nach rechts, so wie auch das Signal die 2 HE hohe, rund 10 kg schwere und schwarze 19-Zoll Kiste passiert.
Fangen wir mit dem Vorverstärker auf der linken Seite an: Dessen Schaltungsgestaltung entstammt einer Gemeinschaftsentwicklung von Presonus und dem Röhrenspezialisten Anthony DeMaria, welches man auch bereits in dem Stereo-Preamp ADL 600 hören konnte. Das Class-A-Design verwendet hierbei zwei 6922 und eine 12AT7 Röhre pro Kanal. Das Rauschverhalten ist für ein Röhrengerät übrigens äußerst gering und beträgt gerade einmal -95 dBu (A-weighted, alle Inputs @ Minimum Gain / EIN = -123 dBu (A-weighted)).
Das Übertragungsverhalten ist natürlich auf einem ähnlich hohen Niveau und mit 10 Hz bis 45 kHz innerhalb der +/- 1 dB Grenzen beziffert. Und um die Zahlenspielereien vollständig zu machen: Am 50 Ohm XLR-Ausgang liegen maximal +28 dBu an, der Klirr beträgt dann hier entsprechend 0,5%. Konsequenterweise kommt ein Eingangs- und auch ein Ausgangs-Übertrager zum Einsatz, wobei ersterer von Cinemag stammt.
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Der kräftige Preamp verfügt über bis zu 65dB Gain, wobei dieser mittels eines gerasterten Potis in 5dB Schritten ab 30 dB eingestellt werden kann und von einem weiteren stufenlosen, von -10dB bis +10dB einstellbaren Trim-Poti ergänzt wird. Selbstverständlich gibt es auch eine zuschaltbare Phantomspannung, das Besondere sind aber eher die drei unterschiedlichen Eingänge. Der Mic-In und der Line-In befinden sich dabei auf der Rückseite, sind als symmetrische XLR-Anschlüsse ausgelegt und trafosymmetriert. Der hochohmige Instrumenten-Eingang auf großer Klinke (TS) hingegen ist auf der Vorderseite platziert und unsymmetrisch.
Die Eingangs-Auswahl wird dabei über ein sechsstufiges Poti getroffen, wobei für den Mic-In sogar unterschiedliche Eingangs-Impedanzen (1500, 900, 300 und 150 Ohm) gewählt werden können. Das stellt nicht nur eine weitere Gain-Modifikation dar, sondern führt bei manchen Mics auch durchaus zu einer sehr ansprechenden Klangveränderung. Es soll ja sogar heute noch Preamps geben, bei denen man erst das XLR-Kabel von der Rückseite abziehen muss, um den Front-In unkompliziert nutzen zu können – aber nicht hier! Es hat also wirklich jemand mitgedacht, was auch an dem stufenlosen High-Pass-Filter („Off“ bis 200 Hz, -12dB/Okt.), dem Polarity/Phase-Switch und dem -20dB Pad-Schalter deutlich wird. Diese befinden sich wie auch der Kippschalter für die 48 Volt Phantomspeisung neben dem Instrumenten-Eingang. Die fetten Kippschalter fassen sich hochwertig an und rasten auch sehr „maskulin“ ein. Ihren aktiven Schaltzustand visualisieren sie dabei zusätzlich durch jeweils eine blaue LED direkt darüber.
Der FET-Kompressor befindet sich ebenfalls auf der linken Seite des Gerätes. Er bietet eine Soft-Knee Charakteristik und die klassischen Parameter Threshold (-20dBu bis +30dBu), Ratio (1:1 bis 4:1), Gain (0dB bis 18dB), Attack (0,5ms bis 10ms) und Release (30ms bis 500ms). Das Wechselspiel aus FET (Feldeffekt-Transistor), Soft-Knee und der relativ geringen Ratio von max. 4:1 lässt bereits Rückschlüsse auf das musikalisch-dezente „Tracking-Compression“-Verhalten.
Für den Stereo-Betrieb lassen sich die Kompressor-Einheiten von zwei Geräten auch koppeln, wozu der Threshold auf Links-Anschlag gedreht werden muss, wobei dieser dann entsprechend einrastet. Eine mit „linked“ beschriftete LED leuchtet dann entsprechend blau auf. Abgerundet wird das Ganze von einem Kippschalter für den Bypass. Etwas ungünstig finde ich dabei nur die Belegung, weil bei leuchtender LED (= Bypass aktiv) der Kompressor ausgeschaltet ist. Andersherum – sprich LED an = Kompressor an – hätte ich es durchaus sinnvoller gefunden. Aber das ist nun wirklich absolute Geschmackssache und mit einer entsprechenden Eingewöhnung sicherlich kein ernstzunehmendes Problem
In der Mitte sitzt ein großes, orange-beleuchtetes und analoges VU-Meter. Es kann die Pegelreduktion (Gainreduction, GR) des Kompressors oder aber den Gesamtausgangspegel anzeigen. Für Letzteres ist eine Absenkung der Anzeige um -6dB vorgesehen, damit die Nadel nicht kaputt geht, sollte man die Vorstufe besonders „heiß“ fahren wollen. Direkt unter dem VU-Meter befindet sich auch die blaue Power-LED hinter einer etwas dickeren Abdeckung.
Fehlt eigentlich nur noch ein EQ – und den finden wir auf der rechten Seite. Dieser sogenannte halb-parametrische Equalizer verfügt über vier sich überlappende Bänder, welche jeweils einen Amplitudenhub von -16 dB bis +16 dB bieten. Es gibt dabei zwei Mitten-Bänder sowie ein Höhen- und ein Tiefen-Band, die sich beide zwischen Peak- und Shelving-Charakteristik umschalten lassen. Die Arbeitsbereiche sind dabei wie folgt verteilt:
- Low: 20 Hz bis 250 Hz
- Low-Mid: 160 Hz bis 2 kHz
- High-Mid: 800 Hz bis 8 kHz
- High: 2 kHz bis 20 kHz
Die Filtergüte hingegen ist fix – logisch, sonst würde man ja auch von einem voll-parametrischen EQ sprechen. Der Q-Faktor beträgt somit unveränderbare 0,55 – die Bänder sind also recht breit. Selbstverständlich verfügt der EQ auch über einen Bypass, sogar ein Pre/Post-Kompressor Umschalter ist vorhanden, was bedeutet, dass die Reihenfolge von EQ und Kompressor im Signalfluss vertauscht werden kann. Damit wären dann auch die vier Kippschalter unter dem EQ erklärt, welche natürlich ebenfalls über eine blaue Status-LED verfügen (LF Peak, EQ Bypass, EQ-Comp, HF Peak).
Last but not least findet sich ganz rechts der unbeleuchtete Hauptschalter (Power) sowie der finale Lautstärkeregler (Level), welcher im Gegensatz zu allen anderen Reglern sehr leichtgängig, ja sogar schon fast zu leichtläufig ist. Insgesamt macht die „fette Kiste“ einen sehr hochwertigen Eindruck, wovon sich Firmen wie beispielsweise AMS Neve durchaus mal ein „Scheibchen“ abschneiden könnten.
Matthis sagt:
#1 - 05.02.2014 um 19:37 Uhr
Presonus ist nicht aus Irland. Kommen aus USA ;)
Felix Klostermann sagt:
#2 - 05.02.2014 um 21:15 Uhr
Hi Matthis, gut aufgepasst! Die Hardware Sparte von Presonus kommt natürlich aus den USA, und nicht wie deren Software aus Irland. Danke dir und beste Grüße, Felix.
Markus Galla sagt:
#3 - 11.02.2014 um 15:01 Uhr
Auch die Software kommt nicht komplett aus Irland. Hinter Studio One stecken Hamburger Entwickler, die teilweise früher einmal Cubase entwickelt haben.