Die US-Sängerin und Songwriterin Kesha ist derzeit mit ihrem zweiten Studioalbum Warrior weltweit erfolgreich. Die erste Single Die Young läuft im Augenblick noch auf Heavy Rotation, aber der Nachfolger steht schon in den Startlöchern: Man kann wohl davon ausgehen, dass auch C’mon zum Radiohit wird. Also haben wir den Song für euch auseinander gepuzzelt.
C’mon ist ein Dance-Popsong mit tanzbaren 126 BPM. An den Reglern saßen mit Dr. Luke und Max Martin zwei alte Bekannte: Während Dr. Luke vor allem durch seine Arbeit mit Katy Perry und Kelly Clarkson bekannt wurde, verhalf das Hitgespür des Schweden Max Martin schon in den Neunzigern unter anderem Britney Spears und den Backstreet Boys zum Durchbruch. Zum Hinhörer wird der Song vor allem durch Keshas aufgekratzten (Sprech-)Gesangsstil, der seit ihrer Debutsingle Tik Tok ihr Markenzeichen ist. Die prägnante Stimme können wir zwar nicht imitieren, aber vielleicht schaffen wir es ja, die Musik dazu nachzubauen.
Intro und Strophe
Das Intro zu C’mon besteht aus einem Chor, der mit seinem vierstimmigen Satz fast klassisch daherkommt. Er präsentiert uns die Akkordfolge, aus der mit Ausnahme des Mittelteils der gesamte Song zusammengesetzt ist: E – A – C#m – A. Für Chöre ist Spectrasonics Omnisphere häufig das Tool der Wahl – die Firma kennt sich seit der erfolgreichen Library “Symphony of Voices” bestens mit Chorsamples aus. Ich habe den Chor nachgebaut, indem ich vier einzelne Popgesang-Patches im Multimode geladen habe, die jeweils eine Stimme spielen – so klingt es etwas mehr danach, als stünden tatsächlich vier Sänger(innen) im Raum. Im Original “rutschen” die Stimmen schön von einem Ton zum nächsten. Das geht mit Omnisphere leider nicht, weshalb wir es uns dazu denken müssen. So klingt der Chor:
In der Strophe wird der Chorsatz zerschnitten und rhythmisch gesetzt. Dazu habe ich den Chor als Audiofile gebounct, mir aus jedem Akkord ein Stück herausgeschnitten und auf die Offbeats gesetzt. Der Chor klingt hier ein bisschen danach, als wäre er durch einen typischen Sidechain-“Pump-Kompressor” geschickt worden. In diesem Fall habe ich den Effekt aber dadurch erzielt, dass ich die einzelnen Schnipsel etwas vor der eigentlichen Offbeat-Position beginnen lasse und dafür mit einem Fade-In einblende. Zusätzlich kommt ein EQ zum Einsatz, der den Frequenzbereich des Chors unten und oben beschneidet, wodurch sich ein künstlicherer Klangcharakter ergibt. Die Low- und High-Cut-Filter des EQs werden im Übergang vom Intro zur Strophe per Automation auf die Strophenposition geregelt.
So klingt der zerschnittene Chor:
Gleichzeitig setzen auch die Drums ein. Wie so oft in diesem Genre haben wir es mit einem viertaktigen Loop zu tun, der sich im gesamten Song nicht nennenswert verändert. Die Kickdrum setzen wir einmal mehr aus zwei Komponenten zusammen. Den Anfang macht eine tiefe Dance-Bassdrum aus dem Stylus RMX:
Darauf setzen wir eine zweite, dünnere Kick, die nur für den Attack zuständig ist. Ihr werden mit einem EQ die tiefen Frequenzen herausoperiert. Der schmatzende Bereich um 4,5kHz wird dagegen etwas betont. Im Soundbeispiel hört ihr die Kick zunächst unbearbeitet und dann nach dem EQ.
Gemeinsam durchlaufen die Bassdrums einen Bus, auf dem ein Kompressor und ein leichter Bitcrusher-Effekt ihre Dienste verrichten. Beide Kicks spielen neben dem stumpfen 4-on-the-Floor-Rhythmus noch einige Vorschlagsnoten und eine kleine rhythmische Eskapade, wodurch der Groove alle vier Takte etwas stolpert. Hier muss man sehr auf die richtigen Velocitywerte achten: Wären diese “Extranoten” alle genauso laut wie die Viertelschläge, hätte das mit einem Groove nicht mehr viel zu tun. Die Kombination klingt so:
Hinzu kommt eine Snaredrum, wofür ich ein Sample der guten alten Roland TR-909 genommen habe. Im Vergleich zur Kick ist die Snare relativ leise gemischt. Mit einem EQ wird zunächst der bauchige Frequenzbereich um 200Hz betont (hier ist aber Vorsicht angesagt, im Bereich zwischen 150 und 300 Hz wird es ganz schnell eng und dröhnig, wenn zu viele Elemente im Mix viele solche Frequenzen enthalten). Die Höhen nehmen wir etwas heraus – später folgt ein recht heftiger Bitcrusher, der durch seine Verzerrung wieder Obertöne hinzufügt. Dazwischen sitzt noch ein Kompressor. So klingt die Snare vor und nach der Effektkette:
Nun brauchen wir noch einen Clap, der in jedem Takt auf der “4” spielt. Alle vier Takte, also zum Abschluss des Patterns, ist die ansonsten recht höhenlastige EQ-Einstellung etwas voller und der Clap hat hier mehr Hall. Das kann man entweder automatisieren, oder man nimmt einfach eine zweite Spur mit den entsprechenden Einstellungen. Letzteres geht wohl in der Regel schneller. So klingt der Clap:
Mehr Drums gibt es erstmal nicht. Hier hört ihr den fertigen Groove:
Nach 8 Takten wechselt Kesha in einen Rap. Im Playback ändert sich nicht viel. Allerdings wird der starke High-Cut-Filter auf dem Chor per Automation herausgenommen. Ein paar der Schnipsel werden zudem gemutet.
Außerdem kommt ein Bass hinzu. Hierfür habe ich den Moog Little Phatty genommen. Der Sound beginnt bei einer tiefen Cutoff-Einstellung als Sub-Bass und wird langsam eingeblendet. Im Verlauf der letzten vier Takte vor dem Refrain wird das Filter aufgerissen und der Filter Overdrive erhöht, wofür ich die Reglerbewegungen am Little Phatty über MIDI aufgenommen habe. Gleichzeitig wird die Resonanz herunter gedreht, weil zuviel Resonanz bei hohem Cutoff mit viel Overdrive zu krass war. Das muss man ausprobieren. Anschließend habe ich den Sound als Audio aufgenommen.
Der Sound hat eine lange Glide-Zeit, wodurch die Oszillatoren beim Wechsel von einer Note zur nächsten eine Weile brauchen, um zur neuen Tonhöhe zu “rutschen”. So ist der erste Ton nach jedem Oktavwechsel absichtlich etwas “verbogen”. Und so klingt der Strophenbass:
Nun können wir die Strophe schon einmal zusammensetzen:
Karl Aubaque sagt:
#1 - 28.02.2013 um 19:53 Uhr
Vnice wie eigentlich immer! Nicht ganz mein Musikkgeschmack, aber es macht viel Freude, hinter die Kulisse zu schauen. Vielen Dank an den Autor!!!