GROOVE
Sehen wir uns zunächst den Beat etwas genauer an. Das Ganze wirkt ein bisschen so, als hätte jemand die verschiedenen Elemente im Sequenzer mehr oder weniger zufällig umhergeschoben und übereinandergelegt. Deshalb werden wir diesmal auch patternorientiert vorgehen.
Die Elemente des Grooves gibt es diesmal auch als Download – ein Novum beim Produce-Alike. In dem ZIP-File findet ihr Projektdateien für Cubase und Logic, einen Standard-MIDI-File sowie Samplerprogramme für Halion, EXS24 und Native Instruments Battery 3. Damit könnt ihr nach Herzenslust experimentieren.
Kicks
Sonst ging es an dieser Stelle ja oft darum, aus mehreren Elementen einen Kickdrum-Sound zusammenzusetzen, der dann für den ganzen Song gut war. Für „Run The World (Girls)“ brauchen wir auch mehrere Kicks, aber diese werden größtenteils abwechselnd eingesetzt. Bei diesem Workshop habe ich mich auf fünf (!) verschiedene Bassdrums beschränkt; im Original sind es wohl sogar noch eine oder zwei mehr.
Den Anfang macht eine eher hoch gestimmte Bassdrum, die an eine tragbare Trommel erinnert, wie sie zum Beispiel in Marching-Bands und Spielmannszügen zum Einsatz kommt. Ganz stilecht spielt diese Bassdrum auch ein marschähnliches Pattern:
Unterstützung gibt es von einer unauffälligen, kurzen 808-Kick, die den Frequenzbereich punktuell nach unten abrundet und sich ansonsten nicht weiter in den Vordergrund spielt. Ihr hört sie hier zunächst allein, und dann in Verbindung mit der Marsch-Bassdrum. Auch an anderen Stellen wird diese Kick bisweilen zur Verstärkung eingesetzt, spielt aber nie die Hauptrolle.
Bei der dritten Bassdrum wird es etwas interessanter. Sie besteht aus einer ziemlich kaputt klingenden Kick mit einem lauten, abgeschnittenen Gate-Reverb. Durch die dichte und abrupt endende Hallfahne groovt diese Kickdrum nicht nur mit ihrem Attack, sondern auch mit dem Punkt, an dem sie wieder aufhört – als würde man den Sound an- und ausschalten.
Ich habe eine einfache Bassdrum mit viel Effektanteil durch einen Hall geschickt und erneut gesampelt.Das resultierende Sample habe ich dann recht rabiat so abgeschnitten, dass der Sound im Songtempo genau eine Viertelnote lang ist. Man könnte das auch mit einem Gate machen, aber das erschien mir in diesem Fall wie unnötige Fummelei. Im Soundbeispiel hört ihr zunächst das Ausgangssample, dann die Version mit Hall, und schließlich das gekürzte Endergebnis:
Für dich ausgesucht
Zu guter Letzt benötigen wir noch zwei längere Bassdrums, die ebenfalls an die Sounds der legendären (und partout nicht totzukriegenden) Roland TR-808 erinnern. Die beiden Sounds sind sich recht ähnlich, wobei einer etwas tiefer gestimmt und leiser ist als der andere. Beide Sounds habe ich mit einem Enveloper-Plugin noch etwas knackiger gemacht und den Attack betont. So behalten sie ihre Wirkung zumindest teilweise auch auf Boxen, die den Tiefbassbereich nicht vollständig wiedergeben können. Im Soundbeispiel hört ihr zunächst die etwas dezentere tiefe Kick, und dann die aggressivere und höhere – in dieser Reihenfolge kommen sie später auch im Song vor.
Snares
Wie auch die erste Bassdrum entstammt die Snare in „Run The World (Girls)“ dem Marschmusik-Kosmos. Zum Zwecke dieses Workshops (und für die Files im Download-Bereich) beschränken wir uns auf das Sample eines einzelnen Schlags und einen Trommelwirbel. Wer über eine entsprechende Loop-Sammlung oder eine moderne Sample-Library mit verschiedenen Velocity-Layern und mehreren Spielweisen derselben Trommel verfügt, wird damit sicherlich deutlich bessere Ergebnisse erzielen als wir mit dieser Minimalausstattung. Das Hauptaugenmerk dieser Folge liegt aber nicht auf der Programmierung der perfekten Marschtrommel, sondern dem Aufbau des Gesamtsounds, und dafür kommen wir damit ganz gut hin.
Die Snare spielt verschiedene Patterns. Das einfachere erste nimmt den Rhythmus der Kicks auf und umspielt ihn noch etwas. Das zweite Pattern besteht überwiegend aus Sechzehntelnoten und Trommelwirbeln und wird abwechselnd mit dem ersten eingesetzt.
Percussion
Statt einer Hi-Hat oder eines Beckens wird der Groove des Songs durch verschiedene Percussion-Elemente vervollständigt. Diese erinnern in ihrer Gesamtheit an die Clave-Patterns der afro-kubanischen Musik und halten den Groove auf eine ähnliche Art und Weise zusammen.
Den ersten Sound bauen wir uns aus zwei Samples. Wir beginnen mit einer Art Cowbell. Sie wird mit einer hoch gestimmten, dünnen Snare kombiniert, der ich vorher mit einem EQ alle tiefen Mitten herausoperiert habe. Im Soundbeispiel hört ihr erst die Cowbell einzeln und dann in Kombination mit der Snare-Komponente.
Hinzu kommt ein sehr perkussiver, hölzerner Sound, der über weite Strecken die Zählzeiten 1 und 3 markiert und damit eine Art Ankerpunkt für den ansonsten sehr synkopischen Rest des Beats bildet. Jeweils am Ende des zweiten Taktes spielt dieser Sound eine Achteltriole. Diese ist jedoch interessanterweise nicht genau in time, sondern spielt ein bisschen zu schnell, sodass sich vor dem Beginn des nächsten Taktes immer eine kleine gefühlte Verzögerung ergibt. Dadurch bekommt der nächste Takt automatisch mehr Drive nach vorn. Solche gewollten Ungenauigkeiten machen bei programmierten Beats oftmals den kleinen Unterschied zwischen einem statischen, leblosen Pattern und einem richtigen Groove aus.
Und damit haben wir die Grundelemente des Grooves auch schon zusammen. Für ein paar Akzente benötigen wir nun nur noch drei weitere Sounds. Ein stark verhalltes Tom, ein satter Clap und eine Art Schellenkranz werden punktuell eingesetzt und brechen so den Pattern-Charakter des Beats etwas auf.
Im folgenden Klangbeispiel hört ihr nun verschiedene Schichtungen dieser Pattern, wie sie auch im Song vorkommen. Typische Fills gibt es kaum; vielmehr werden Breaks und Übergänge häufig durch punktuelles Muten einzelner Parts oder des ganzen Grooves markiert. Um solchen Breaks Nachdruck zu verleihen, ist es ratsam, auch den Nachhall zu muten – so ergibt sich eine deutlichere Pause, die automatisch die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Timmy sagt:
#1 - 16.06.2011 um 11:39 Uhr
Hey,
mal wieder ein super Workshop. Sehr freundlich und kompetent erklärt. Jetzt bleibt mir nur noch die Frage, wo ich die ZIP-Datei mit den Projektdateien finde. :-)LG,
Timmy
bonedo-Redaktion sagt:
#2 - 16.06.2011 um 14:35 Uhr
Hallo Timmy,
danke erst mal für dein Lob - freut uns, dass dir der Workshop gefällt. Ein weiteres "Danke" für den Hinweis, dass der Download fehlte. Wir haben den Download nun aktiviert.
Viele Grüße!
fos sagt:
#3 - 21.06.2011 um 23:06 Uhr
Super Workshopreihe, großes Kompliment! Gäbe es evtl. auch die Möglichkeit das Projekt als Pro Tools Session zu bekommen? VG Daniel
Eric sagt:
#4 - 23.06.2011 um 22:32 Uhr
Echt coole Workshopserie! Würde mich freuen wenn ihr sie weiterführen würdet! Aber wo ist die Projekt-Datei für Cubase zum downloaden?
Lg - Eric
Vitalij sagt:
#5 - 23.09.2011 um 01:18 Uhr
Danke für den Workshop!
Man sollte Beyonce aber nicht so übertrieben für dieses Lied loben und sie gleich als total innovativ hinstellen. Sie samplet "Major Lazer's" Beat von "Pon De Floor" einfach.
Zugegeben etwas Mut gehört dazu, ist aber nicht so bahnbrechend wie das hier beschrieben wird.