PRAXIS
Symphobia´s neue Kleider
In Bezug auf die farbliche Gestaltung bleibt Symphobia 2 dem Vorgänger weitestgehend treu. Nach wie vor zeichnet sich die grafische Bedienoberfläche durch eine düster wirkende Schwarz/Rot-Kombination mit grauen Bedienelementen aus – würde der Teufel selbst eines Tages ein PlugIn-GUI entwerfen, dann würde dieses höchstwahrscheinlich in etwa so aussehen wie Symphobia 2. An der Menüstruktur hat sich allerdings einiges geändert. Das im Rack-Bereich von Kontakt angezeigte Fenster ist etwas größer geworden und verfügt nun nur noch über eine einzelne Ansicht, die alle verfügbaren Bedienelemente beherbergt. Ein Umschalten zwischen Hauptansicht, ADSR-Page und Settings wie in Symphobia 1 erübrigt sich damit, und Mausklicks zu sparen, war ja schon immer eine feine Sache.
Mehr Artikulationen
Im Zentrum der GUI werden die für das geladene Instrument verfügbaren Spielweisen angezeigt, was mich ein wenig an das Layout der PLAY-Engine von East West/Quantum Leap erinnert. Je nach Programm sind zwischen einer und sieben verschiedene Artikulationen vorhanden, und alternativ zum klassischen Keyswitch über ein Master-Keyboard können diese nun auch via Point & Click mit dem Mauszeiger ausgewählt werden. Praktisch vor allem zum Vorhören und Kennenlernen!
Sehr schön ist, dass die Spielweisen der Streicher aus Symphobia 1 durch die sogenannten String Ensemble Extensions erweitert werden. So habe ich im Vorgänger vor allem Halbton- und Ganzton-Triller vermisst, die nun Seite an Seite mit einem neuen (kürzer, tighter und lauter wirkenden) Spiccato und unterschiedlich langen Espressivo- und Crescendo-Varianten nachgeliefert werden. Letzterer Punkt ist besonders erfreulich, da die Oberfläche kein Time-Stretching zur Anpassung von Notenlängen bietet. Zusätzlich hat ProjectSAM auch noch einmal das grundlegende Sustain-Programm aus dem Vorgänger integriert. Wer ausschließlich Symphobia 2 besitzt, hat also prinzipiell die Möglichkeit, komplette Streichersätze inklusive gehaltener Töne umzusetzen. Wirklicher Spaß kommt aber vor allem auf, wenn man die Artikulationen beider Teile miteinander kombiniert.
Die Samples für Prequel und Sequel wurden im gleichen Raum aufgenommen und harmonieren klanglich sehr gut miteinander. Gerade vor diesem Hintergrund ist es etwas schade, dass Basis-Set (aus Teil 1) und Extensions (aus Teil 2) nicht ohne Weiteres über einen gemeinsamen MIDI-Channel angesteuert werden können. Es wäre doch schon sehr schön, alle Spielweisen des String-Ensembles über ein Masterkeyboard abrufen zu können, ohne vorher kompliziert mit der Maus herumhantieren zu müssen. Die Keyswitches des Erweiterungspakets liegen aber leider genau in dem Bereich, in dem auch die Keyswitches der alten Artikulationen liegen, und dieser Konflikt lässt sich auch trotz einer neu integrierten KeySwap-Funktion nicht umgehen. Die Steuertasten können so zwar aus dem kritischen Bereich herausbewegt werden, schalten das jeweils andere Programm aber nicht stumm. Auf einem gemeinsamen MIDI-Channel klingen bei Kombination der beiden Programme also immer auch zwei Samples gleichzeitig. So musste ich zum Erstellen des kombinierten Streicher-Beispiels also zur althergebrachten und etwas nervigen Methode über separate MIDI-Spuren greifen. Ich wage zu mutmaßen, dass dies von ProjectSAM problemlos durch ein Update der beiden Libraries vereinfacht werden könnte.
Mehr Instrumente
Nicht nur die Menüstruktur auf der Bedienoberfläche von Symphobia 2 unterscheidet sich vom Vorgänger, auch die Gliederung der Library ist etwas schlanker und übersichtlicher geworden. Statt vieler Programme für einzelne Spielweisen gibt es nun fast nur noch Keyswitch-Programme, die alle vorhandenen Artikulationen für eine Instrumentengruppe in sich vereinen. Auch eine Unterteilung der Patches nach Close- und Stage-Mikrofonierung ist in Symphobia 2 einem einfachen Schalter auf der Oberfläche gewichen, mit dem man zwischen einer trockeneren und einer räumlicheren Variante der Samples wählen kann. Ich persönlich hätte auch nichts gegen einen Slider zum stufenlosen Regeln wie beim Dry/Wet-Parameter eines Hallgeräts einzuwenden gehabt.
Im Bereich der Individual Sections finden sich neben den String Ensemble Extensions von oben auch eine Kombination von Violinen und Violen oder auch Celli als einzelne Stimmgruppe. Besonders interessant sind ein majestätisch klingendes Ensemble aus acht Hörnern sowie Trompeten und Flöten/Piccoloflöten, die jeweils in Oktavdopplungen aufgenommen wurden. Hörner und Trompeten gibt es im nächsten Audio-Beispiel zu hören.
Der Klang ist, wie von Symphobia 1 gewohnt, sehr mächtig und absolut filmreif. Die sehr funktionalen Repetition- und Legato-Scripts aus dem Vorgänger vermisse ich allerdings ein wenig. Statt ersterem gibt es nun eine Möglichkeit, mit der sich der „Round Robin Modus“ deaktivieren lässt, was es letztendlich ermöglicht, einen an sich meist unerwünschten Machinegun-Effekt heraufzubeschwören. Ob dieses Feature wohl oft Verwendung finden wird? Das Legato-Script wurde dagegen ersatzlos gestrichen. Dass dies bei den neuen Spiccato- und Crescendo-Samples der Streicher keinen Sinn machen würde, mag einleuchten, im Falle von schnell gespielten Melodiebögen entpuppte sich die Funktion in Teil 1 jedoch als äußerst hilfreich. Trost finden wir in den bereits angekündigten True-Legato Ensembles, für die ein entsprechendes Script natürlich nicht notwendig ist.
True-Legato im Gruppenformat
Vor allem, wenn bei der Arbeit mit Sample-Libraries gebundene Melodiebögen wiedergegeben werden sollen, ist der Übergang zwischen den Tönen ein Knackpunkt, der sich deutlich auf den klanglichen Realismus auswirken kann. Die althergebrachte Methode, kurze Überlappungen zwischen aufeinanderfolgenden MIDI-Noten zu erzeugen, um einer Linie einen fließenderen Charakter zu verleihen, findet auch heute noch Anwendung. Wenn eine Software Legato-Scripts (wie das bereits erwähnte) anbietet, kann die Authentizität in vielen Fällen deutlich erhöht werden, die glaubhaftesten Ergebnisse erhält man aber durch die Verwendung echter Legato-Samples.
In Sachen True-Legato leistete die Vienna Symphonic Library Pionierarbeit. Erstmals wurden hier nicht nur die Töne selbst, sondern auch die Übergänge dazwischen aufgenommen. Die im Hintergrund arbeitende Software erkennt den Intervallabstand zweier aufeinanderfolgender Noten und fügt automatisch das entsprechende Legato-Sample in den Fluss der Melodie ein. Was am Ende dabei herauskommt, ist eine Linie mit butterweichen Übergängen – eben genau so, wie es sein soll.
Diese Technik macht sich auch Symphobia 2 zu Nutze. Der bemerkenswerte Unterschied zu anderen Libraries ist, dass nicht nur einzelne Instrumente oder Stimmgruppen, sondern ganze Ensembles nach dieser Methode aufgezeichnet wurden und abrufbar sind. Hier handelt es sich um ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das die Freiheit beim Instrumentieren zwar beschneidet, andererseits aber ein höchst authentisches Klangbild liefert.
Für dich ausgesucht
Neben vier Solo-Instrumenten (Flöte, Horn, Low Whistle und Uilleann Pipes) sind die Zusammensetzungen der acht weiteren Legato-Ensembles so gewählt, dass sie nicht allzu exotisch wirken. Erste und zweite Violinen bzw. Celli und Kontrabässe in Oktaven gehören genauso wie unisono gesetzte Hörner und Posaunen zum vielverwendeten Handwerkszeug beim Orchestrieren. Ein wenig außergewöhnlicher wird es beispielsweise mit der Kombination von Hörnern und leise begleitenden Violinen und Bratschen.
Egal, ob nun auf Basis von künstlichen Scripts oder echten Samples – eine charakteristische Eigenheit von Legato-Programmen ist, dass sie fast immer nur monophon spielbar sind. Um mehrstimmiges Spielen aus dem gleichen Patch heraus zu ermöglichen, hat ProjectSAM also auch polyphone Spielweisen in die Legato-Programme gepackt (immer Sustain, zum Teil auch Staccato). Umgeschaltet wird wie gewohnt über Keyswitches oder aber auch über das Sustain-Pedal des Master-Keyboards. Solange dieses gedrückt wird, bleibt Symphobia 2 im Legato-Modus – egal, ob Noten nun perfekt gebunden gespielt werden oder nicht. Legato-Übergänge stehen dabei generell bis zum Abstand einer Oktave bereit, und auch die Prime (also das gebundene Wiederholen des gleichen Tons) wurde gesampelt. Laut Handbuch funktionieren die Legato-Ensembles bei gespielten Viertelnoten bis zu einem Tempo von 150 bpm. Zur Längenanpassung der Legato-Samples an das Projekttempo gibt es zudem eine Autospeed-Funktion.
Im Player hört ihr ein Beispiel, für das ich ausschließlich True-Legato-Programme verwendet habe. Die Melodie der Solo-Flöte wird von der Kombination Hörner/Violinen/Bratschen und Celli/Fagotte begleitet. Gegen Ende kommen Celli und Kontrabässe im Oktavabstand dazu. Die Steuerung der Lautstärke läuft über die Anschlagstärke und auf Wunsch auch über das Modulationsrad. Auch wenn die Programme sehr schwerfällig auf solche dynamischen Veränderungen reagieren, wirkt der letztendliche Klang wirklich ganz hervorragend auf mich. Die Melodiebögen werden weich gezeichnet und vor allem die leichten Bebungen zwischen den Stimmgruppen haben eine enorme Wirkung.
Einzig wirklicher Kritikpunkt zu den Legato-Ensembles ist, dass durch das Loslassen einer Taste bzw. das Ende einer MIDI-Note immer ein Release-Trail getriggert wird. Dies stört beim Spielen von geloopten Sounds nicht und ist natürlich prinzipiell auch abschaltbar. Bei „unlooped“ Samples kann es aber vorkommen, dass ein Ton bereits abgeklungen ist, bevor die Taste losgelassen wird. Die dadurch ausgelöste Hallfahne aus dem Nirgendwo hat nun wirklich nichts in einem Arrangement zu suchen. Auch hier könnte ein Update auf Version 2.1 sicher Abhilfe schaffen.
Die Orchester-Programme
Wer an dieser Stelle bereits den Eindruck hat, dass Symphobia 2 eine Library wäre, bei der man sich nicht viel mit Detailarbeit herumschlagen muss, der darf im Folgenden die Bedeutung der Phrase „Mit breitem Pinsel malen“ neu für sich definieren! Der Unterbereich Full Orchestra bietet Patches an, für die eine komplette Orchester-Besetzung gesampelt wurde.
Aus Symphobia 1 kennt man dies vor allem aus den emotional höchst wirkungsvollen Orchester-Effekten (Cluster und Texturen), und von diesen gibt es gehörigen Nachschub. Im Player hört ihr einen Effekt-Track, der auch die stark verfremdeten Orchester-Sounds aus dem Bereich Dystopia verwendet. Von alledem ist reichlich vorhanden, und in den fünf Minuten, die ich zum Erstellen dieses gruseligen Audio-Beispiels gebraucht habe, spielte vor allem die schiere Willkür eine große Rolle.
Was es in Teil 1 der Library nicht gab, ist ein spielfertiges Orchester in Tutti-Besetzung. Genau dies erhält man mit dem „Full Orchestrator“ – sozusagen dem Terminator der sinfonischen Filmmusik. Die Instrumentierung variiert dabei je nach Anschlagstärke. Ein vorsichtiges Antippen im hohen Register lässt sanftes Blech und Streicher erklingen, ein Hämmern im Bassbereich unterlegt dagegen Blech, Holz und Streicher mit Pauken und einzelnen Klaviertönen. Das Ganze gibt es in Form von Liegetönen, zwei unterschiedlich instrumentierten Staccato-Varianten und einer Artikulation, die auf Tastendruck einen eindrucksvollen Turm aus Tutti-Oktaven abspielt.
Die kantigen Switches zwischen Registern und Velocity-Bereichen können beim Spielen des Full Orchestrators etwas grobmotorisch wirken, und ob dieses Programm sehr praxistauglich ist, muss jeder selbst entscheiden. Für erste Layouts macht es sicher Sinn und vor allem eine Menge Spaß! Das Beispiel im Player besteht aus einem einfachen drei- bis vierstimmigen Satz, der Schlussakkord ist ein einzelnes Sample.
Weitere Bearbeitung
Mit dem Master-EQ stößt man in Symphobia 2 auf einen weiteren alten Bekannten aus dem Vorgänger. Dieser ist standardmäßig aktiviert und fügt den Samples mehr Druck in den Bässen und Glanz in den Höhen hinzu. Ein weiteres neues Feature ist dagegen die DSP-FX Sektion. Hier stehen sechs Effekte bzw. ganze Effekt-Ketten zur Auswahl. Neben Delay, Lowpass-Filter und einem Tool zur Stereobasisverbreiterung gibt es auch eine Reihenschaltung von Kompressor und Limiter sowie zwei Pad-Effekte, die Filter und Delay bzw. Filter, Delay, Kompressor und Limiter kombinieren. Die Effekte bleiben dem nicht gerade detailverliebten Konzept von Symphobia treu, bieten jeweils zwei Parameter und funktionieren in manchen Fällen sicher gut. Mit guten PlugIns in der DAW ist man aber erwartungsgemäß flexibler.