Im ersten Teil meiner Workshop-Serie Psytrance produzieren habt ihr erfahren, wie ihr das Fundament für einen Psytrance-Track aus Kick und Bass aufbaut. In diesem Artikel beschäftigen wir uns nun mit dem Aufbau der Synths und dem passenden Sounddesign. Denn die richtige Kombination aus kreativen Melodien, interessanten Sounds und gezieltem Einsatz von Effekten wird den größten Teil eurer Produktion ausmachen.
Der Klang und Aufbau der Synths machen dabei den wohl größten Unterschied zwischen den Subgenres aus. Auch wenn das Sounddesign teils stark variiert, lassen sie sich aber dennoch grob in zwei Kategorien einteilen: Leads & Grids.
Leads & Synthlines
Die Leads – oder auch Synthlines genannt – sind die zentralen Synth-Elemente und stehen daher eher im Vordergrund. Sie machen die allgemeine Stimmung aus und erzählen gewissermaßen die Geschichte des Tracks. Dafür müssen wir einen genaueren Blick auf den Rhythmus, die Melodie und das Sounddesign der Lead-Synths werfen. Rhythmus und Melodie gehen dabei Hand in Hand, da eine gute Melodie stets einen passenden Rhythmus braucht. Die Stimmung wird dabei vor allem mittels der Tonart bestimmt. Gerade modale Tonleitern (Dorisch, Phrygisch, Lydisch etc.) sind ideal, um eine spezielle Stimmung zu erzeugen. Je nach künstlerischer Vorliebe und Subgenre können diese Melodien jedoch sowohl einfach, als auch sehr komplex ausfallen. Auch hier ist jede Menge Freiheit geboten. Doch natürlich gibt es einige Tools und Vorgehensweisen, die zur Inspiration genutzt werden können.
Arpeggiator
Die wohl bekannteste und weit verbreitetste Methode zur Erstellung von Melodien sind Arpeggiatoren. Sie sind in vielen Synthesizern oder auch DAWs bereits integriert und ermöglichen das Erstellen von einfachen Melodien anhand von Akkorden. Mit einem Arpeggiator wird ein Akkord in eine Abfolge der einzelnen Noten des Akkords umgewandelt. Verschiedene Einstellungen für die Wiedergabe der einzelnen Noten, wie Geschwindigkeit und Reihenfolge der Noten, können die daraus entstehende Melodie dabei stark beeinflussen. Hier ein paar Beispiele, wie Arpeggiator eingesetzt werden können.
Viele Psytrance-Melodien werden auch über Step-Sequencer von analogen Synthesizern programmiert, weshalb sie oft auf monotonen Abfolgen von Sechzehntelnoten basieren. Rhythmus und Melodie entstehen hier durch die Notensprünge einzelner Steps. Derartige Melodien können selbstverständlich auch ohne analoge Hardware einfach per MIDI in der DAW erzeugt werden. Eine solche Melodie könnte beispielsweise wie folgt aussehen:
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Eine weitere Inspirationsquelle bieten Random-Generatoren, die zufallsbasierte Rhythmen und MIDI-Noten generieren können. Mit ihrer Hilfe erzeugt ihr außergewöhnliche Melodien, indem ihr eine längere Passage der zufallsbasierten Noten aufzeichnet. Diese wird anschließend auf die interessantesten Parts reduziert und zusammengeschnitten. Die daraus resultierende Melodie kann dann als Ausgangspunkt dienen und weiter verfeinert werden.
Psytrance produzieren
Damit die Leads ihre Psytrance-typische Wirkung entfalten können, ist neben der Melodie vor allem das Sounddesign wichtig. Für die eigentliche Klangerzeugung gibt es allerdings keine konkreten Richtlinien, hier kommt es lediglich auf möglichst kreative Klänge an.
Beim Umgang und der Nachbearbeitung der Synths sind einige Aspekte zu beachten. Ein wichtiger Punkt sind dabei Automationen, die dafür sorgen, dass sich die Melodien über einen gewissen Zeitraum aufbauen und für Bewegung im Track sorgen. Am häufigsten findet die Filter-Cutoff-Automation Verwendung, bei der das Filter des Synths langsam geöffnet wird und so für mehr Energie im Klang sorgt. Aber auch hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. So können zum Beispiel auch Phaser, Flanger, Distortion, Pitch-Shifter und nahezu jeder andere existierende Effekt moduliert werden, um Abwechslung und Spannung zu erzeugen.
Mithilfe von Hall und Delays entfalten die Lead-Synths anschließend ihre psychedelische Atmosphäre. Typische Einstellungen sind dabei Ping-Pong-Delays mit punktierten Viertel oder Achtelnoten, da diese durch ihren leichten Versatz und dem Stereo-Effekt den psychedelischen Klang am besten unterstützen. Eine solche Synthline könnte dann in etwa wie folgt klingen:
Neben herkömmlichen Melodien werden im Psytrance häufig auch sogenannte Fraktal-Sounds verwendet. Genau wie die geometrischen Fraktale, weisen auch die Fraktal-Sounds eine gewisse Selbstähnlichkeit auf. Das heißt, sie bestehen aus vielen einzelnen sich ähnelnden, aber nicht identischen Klängen. Fraktale-Sounds können dadurch sehr unterschiedliche Charakter besitzen, daher hier einmal vier Sound-Beispiele.
Sample & Hold
Um derartige Sounds zu kreieren, gibt es viele Wege. Ein häufig verwendetes Tool ist dabei ein Sample & Hold, der vereinfacht gesagt zufällige Werte in einer vorgegebenen Geschwindigkeit erzeugt. Diese Werte können anschließend für Modulationen jeglicher Art genutzt werden. Einer der einfachsten, aber dennoch häufig genutzten Fraktal-Sounds wird mit einem resonanzreichen Bandpass-Filter erzeugt. Dabei steuert das Sample & Hold die Cutoff-Frequenz des Synth-Filters in einer sechszehntel Rate. Die Schwingungsform des Oszillators kann dabei frei gewählt werden, nehmen wir hier beispielhaft eine Sägezahnschwingung. Da der zugrundeliegende Klang stets gleich ist, besitzen auch alle erzeugten Sounds einen ähnlichen, stets auf den Obertönen der Sägezahnschwingung basierenden Klang. Die sich ändernde Cutoff-Frequenz des Filters sorgt anschließend für den fraktalen Charakter. Um einen solchen Sound in Xfer Records Serum zu erzeugen, kann der Chaos-Oszillator als Sample & Hold verwendet werden.
Doch nicht nur mit Bandpass-Filtern können Fraktale-Klänge umgesetzt werden, es können zum Beispiel auch Wave-Tables oder Effekte über das Sample & Hold moduliert werden. Dabei gilt: Je kreativer die Nutzung des Sample & Holds, desto einzigartiger können die erzeugten Fraktale ausfallen.
Zu guter Letzt gibt es noch die aggressiven FM-Leads, die auf einem obertonreichen, frequenzmodulierten Sound basieren. Sie spielen dabei schnelle, meist monotone Rhythmen und erhalten durch eine Highpass-Filter-Modulation ihren unverwechselbaren Klang.
Natürlich sind das nur einige Inspirationsansätze, um eine fesselnde Psytrance-Synthline zu kreieren. Für eine möglichst abwechslungsreiche Produktion sollten die unterschiedlichen, hier beschrieben Techniken idealerweise kombiniert werden. Je kreativer diese umgesetzt werden, desto spannender wird der finale Track ausfallen.
Psytrance produzieren: Grids
Die Aufgabe der Grid-Sounds ist es, die Haupt-Synthline so gut es geht zu unterstützen. Sie bestehen meist aus kurzen Synth-Shots, die gemeinsam den Rhythmus des Tracks verstärken. In der Regel sind die Grid-Sounds aus einer Mischung aus sehr prägnanten FM-Synths, Chord-Stabs und Pluck-Elementen aufgebaut, die gemeinsam einen eigenen Groove erzeugen. Wie bereits bei vorherigen Track-Elementen, gibt es auch hier keine direkten Regeln für das Sounddesign, schauen wir uns dennoch einmal ein paar typische Soundbeispiele an:
Chord-Stabs
Die Chord-Stabs bestehen, wie der Name bereits suggeriert, aus kurzen Synth-Akkorden. Dabei ist es egal, ob der Akkord anhand der gespielten Noten oder bereits im Sounddesign des Synths selbst entsteht. Um einen Akkord bereits im Sounddesign zu erstellen, können die einzelnen Oszillatoren des Synthesizers einfach unterschiedlich getunt werden, sodass zum Beispiel der zweite Oszillator sieben Semitöne höher erklingt als der Haupt-Oszillator. Am häufigsten werden dafür Super-Saws verwendet, welche mittels Unison und Detuning einer Sägezahnschjwingung erzeugt werden.
FM-Shots
Die klassischen FM-Shots sind recht simpel zu erzeugen, da sie meist keine aufwendige Modulation benötigen. Sie bestehen lediglich aus sehr präsenten FM-Synths, die nur kurz angespielt werden und so ihren Groove entfalten. Für die Frequenzmodulation lässt sich dabei nahezu jede Schwingungsform nutzen. Je stärker die Frequenzmodulation ausfällt, desto aggressiver klingt der finale FM-Shot.
Plucks
Plucks sind kurze Synth-Sounds, deren Klang-Charakter an Gitarrensaiten erinnert. Erstellt werden sie, ähnlich wie auch der Psytrance-Bass, durch Lowpass-Filter-Envelopes. Sie werden genau wie die FM-Shots zur Untermalung des Grooves verwendet.
Der Aufbau eines fertigen Grids könnte in etwa wie folgt aussehen, beziehungsweise klingen:
Damit steht nun die Grundidee für dein eigenen Psytrance-Track. Im nächsten Teil werden wir uns mit den FX-Sounds und Atmosphären beschäftigen, um dem Track auch den gewünschten psychedelischen Klang zu verpassen.