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Querschläge: Ist Streaming der Untergang der Kunst?

You’re just like an old guy yelling at fast trains”, sagt Moby über Thom Yorke. Und meint damit aber auch David Byrne, David Lowery, Nigel Godrich, Justus Köhncke, Sven Regener und überhaupt all jene, die in Spotify (und co.) das Böse schlechthin sehen wollen. Man kann das lustig finden. Man kann sich aber auch wundern und fragen, warum über eine Technologie wie Streaming derart kontrovers gestritten wird. 

Der Zahn muss gezogen werden! (Bild: © Fotolia / Montage bonedo)
Der Zahn muss gezogen werden! (Bild: © Fotolia / Montage bonedo)

Offensichtlich handelt es sich einmal mehr um ein klassisches Missverständnis. Wer, wie Byrne und seine Brüder im Geiste, in Streaming-Anbietern wie Spotify vor allem  eine neue Einnahmequelle für die kommerzielle Nutzung ihrer Musikprodukte sieht, der kann sie aus dieser Perspektive betrachtet quasi folgerichtig des Kulturramsches bezichtigen: Verglichen mit traditionellen Erlösmodellen, bleibt von den Ausschüttungen der Streaming-Anbieter bei den Künstlern tatsächlich nur herzlich wenig hängen. Der Talking Head rechnet vor, das Daft Punks „Get Lucky“(mit bis zu 1,5 Millionen Streams pro Tag einer der meistgestreamten Spotify-Songs 2013) den beiden Daft Punkern gerade einmal 26.000 Dollar eingebracht hätte. Byrne und Co. fühlen sich und ihre Produkte weit unter Wert verkauft. Und das stinkt ihnen. Man mag ihnen das auch gar nicht so richtig übelnehmen. Das Ding ist nur: Es ging Spotify nie um die Künstler. Ebenso wenig, wie es bei vielen Medien um Inhalte, sondern um Anzeigenkunden zu gehen scheint. Schlimmes und schönes berichtenswertes gibt es im Überfluss. Anzeigenkunden nicht. Aber ich drifte ab…

Um den Nutzer geht es: Gerade weil Streaming nie das Wohl der Künstler, sondern immer nur das der Nutzer im Blick hatte, musste diese Technologie (die digitalen Konsum so bequem wie möglich und so legal wie nötig machte) sich auch in Sachen Preismodell nach den Konsumenten richten. Und – wenn überhaupt – erst in zweiter Linie nach den Produzenten. Wenn David Byrne Spotify jetzt an den Pranger stellt, dann vergisst er dabei mindestens drei Dinge: 

1. Kein Mensch auf der Welt interessiert sich für nicht greifbares digitales Gut, also im Prinzip Nullen und Einsen – schon gar nicht, wenn dem Nutzer hinsichtlich dieses “Eigentums” eine Vorschrift nach der anderen gemacht wird – Stichwort: Digital Rights Management. Streaming ist demnach die einzig sinnvolle Alternative.

2. Bricht man die Tantiemen und Ausschüttungen terrestrischen Rundfunksauf einen Pro-Kopf bzw. Pro-Hörer-Betrag, ergibt sich Erstaunliches: Noch die niedrigste Pro-Stream-Rate auf Spotify liegt mehr als doppelt so hoch 

3. Nur David Byrne hält es für einen Unzustand und kulturellen Mangel, wenn David Byrne und seine Musik nicht auf Spotify verfügbar sind. Ok: ich drifte wieder ab…

Damit outen sich seine Sympathisanten nicht nur als harmlose alte Männer, die auf schnelle Züge schimpfen. Sie entpuppen sich als fundamental reaktionär und bigott. Eine überwältigende Mehrheit der Streaming-Gegner ist Kind der alten Musik-Industrie-Schule. Mehr noch: Sie gehörten zu deren privilegierten Nutznießern, zu einer kleinen, aber feinen Elite, die unablässig und nimmermüde die böse Musik-Industrie geißelte, während sie gleichzeitig davon profitierte. Jetzt, da die Macht und kulturelle Relevanz von Musik längst auf einem anderen Niveau angekommen sind, schnallt auch David Byrne, dass er höchst selbst davon betroffen ist. Der Jammer-Reflex ist ganz normal, ändert aber nichts daran, dass er sich auf Strukturen bezieht, in denen der individuelle Hörer sehr viel weniger Möglichkeiten des selbstbestimmten Hörens hatte. Ob das für alle gut oder schlecht ist, vermag ich in letzter Konsequenz nicht zu beurteilen. Aber eines steht fest: Mir von jemandem, der früher schon alles scheiße fand, während er sehr gut davon leben konnte, heute erzählen zu lassen, früher wäre alles besser gewesen, obwohl jeder Hörer es besser weiß – äääh: geht’s noch?

Unser Kolumnist Thomas Kühnrich ist seit 2011 Redaktionsleiter bei Joinmusic.com. Dieses Online-Magazin und Label-Portal will getreu des Mottos “Good Music Only” eine Anlaufstelle für Labels und Musikinteressierte abseits der Top 20 Playlists sein. Und weil Justizia zwar blind, nicht aber taub ist, gibt sich Joinmusic subjektiv, voreingenommen und parteiisch. Mit News, Track-Tweets, Reviews und Hintergrund-Geschichten informiert das Magazin über Künstler, die den Unterschied machen. Das einzige Genre, das für sie wirklich zählt, heißt „großartige Musik“. Mit diesem Hintergrundwissen gewappnet, wird uns Thomas ab sofort mit seinen “Querschlägen” ein wenig Pfeffer in den Alltag bringen…

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