Querschläge: Part-Time Mucker – Auch Musiker haben das Recht auf ein Hobby

Franka Potente muss es wissen.

Viele Musiker können von der Musik nicht leben – Beruf als Hobby!? (Bild: © Fotolia)
Viele Musiker können von der Musik nicht leben – Beruf als Hobby!? (Bild: © Fotolia)

Sie, die als Schauspielerin, Regisseurin, Drehbuch-Autorin, Musikerin und nicht zuletzt Schriftstellerin tätig war oder ist, personifiziert die kreative Branche wie sonst nur Katja Riemann. Für die Kampagne „Mein Kopf gehört mir“ hatte sich Potente mit folgendem Statement zitieren lassen: „Auch im Youtube-Zeitalter gilt: ohne Urheberrechte gibt es in Film und Fernsehen keine Qualität. Deshalb sind sie unverzichtbar.“ Obwohl debattierbar bleibt, in welcher Kausalbeziehung Urheberrechte und künstlerische Qualität zueinander stehen und warum ausgerechnet Film und Fernsehen davon betroffen sein sollen – der Co-Autorin eines Fitness-Ratgebers namens „kick Ass –  Das alternative Workout“ ist kein Vorwurf zu machen. Lautet der Tenor ihrer Aussage doch: ohne professionelle Kreative geht es nicht.

Sportsoldaten vs. Genie-Kult – zwei Lösungen für ein und dasselbe Problem


Und tatsächlich ist genau das der Punkt. Bob-Fahrer, Ringer und Eisschnellläufer werden durch ein System gestützt, dass man am besten als Sportsoldaten-Armee zusammenfasst. Wie man im Falle Claudia Pechsteins gut nachvollziehen konnte, erwartet niemand, dass Sportsoldatinnen und –Soldaten außer ihrem Sport anderen Formen des Broterwerbs nachgehen. Wenn aber ein Musiker 300 Konzerte im Jahr spielt und klamm bis auf die Knochen bleibt, dann „hätte er halt was Richtiges lernen sollen“.  Staffel-Rodeln zum Beispiel. Geradezu pervers aber ist, dass sich insbesondere im Hinblick auf Musiker hartnäckig das Klischee behauptet, die Unabhängigkeit von der eigenen Profession sei quasi ein Garant für Authentizität. Genie-Kult  – ick hör Dir trapsen. Anders ausgedrückt: Nicht in der Lage zu sein, das zu machen, was man am besten kann, soll  (vor allem für Musiker) die beste weil authentischste Voraussetzung dafür sein, das zu machen, was man am besten kann! 

Center-Stage und Fans bis an den Horizont gibt es nur für die Wenigsten... (Foto: ©bonedo)
Center-Stage und Fans bis an den Horizont gibt es nur für die Wenigsten… (Foto: ©bonedo)

Tour statt Ferien – wenn man für das Hobby Urlaub einreicht

Der mehr als offensichtliche Widerspruch hindert nur wenige daran, ihn nicht zu übersehen. Der Hobbyisierung eines ganzen Metiers wird dadurch entscheidend Vorschub geleistet. Eine Tendenz mit Folgen: Hobby-Musiker veröffentlichen auf Hobby-Labels. Die engagieren Hobby-Regisseure für die Hobby-Videos. Und die werden dann auf Hobby-Blogs gezeigt. Hobby-Remixe werden von Hobby-DJs kredenzt. Bis zum Hobby-Instrumenten-Bauer ist es nicht mehr weit. So genannte Street-Teams gelten mittlerweile als einigermaßen unverzichtbar; dabei sind sie nichts anderes als Hobby-Promotoren. Bitte nicht falsch verstehen: Niemandem soll das Steckenpferd Musik vergällt werden. Auch geht es nicht um die Diskreditierung des viel-zitierten DIY-Ansatzes. Aber: Diese Option zur Prämisse, die Alternative zur conditio sine qua non zu stilisieren, ist nicht nur unverhältnismäßig. Professionalität mit unterschiedlichen Maßstäben zu messen, ist ungerecht und falsch. Ist eine Welt, in der die, die gerne Panzer fahren, Berufssoldaten heißen und diejenigen, die Musik machen und ihr Gehör verschaffen wollen, dazu Urlaub einreichen müssen, die beste aller möglichen? – Vorsichtig formuliert: Zweifel bleiben angebracht. Rock on!

Du möchtest über dieses Thema diskutieren? Sehr gerne, hier geht es zum entsprechenden Thread auf dem Musiker-Board!

Über Joinmusic

Unser neuer Kolumnist Thomas Kühnrich ist seit 2011 Redaktionsleiter bei Joinmusic.com. Dieses Online-Magazin und Label-Portal will getreu des Mottos “Good Music Only” eine Anlaufstelle für Labels und Musikinteressierte abseits der Top 20 Playlists sein. Und weil Justizia zwar blind, nicht aber taub ist, gibt sich Joinmusic subjektiv, voreingenommen und parteiisch. Mit News, Track-Tweets, Reviews und Hintergrund-Geschichten informiert das Magazin über Künstler, die den Unterschied machen. Das einzige Genre, das für sie wirklich zählt, heißt „großartige Musik“. Mit diesem Hintergrundwissen gewappnet, wird uns Thomas ab sofort mit seinen “Querschlägen” ein wenig Pfeffer in den Alltag bringen…

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Viele Musiker können von der Musik nicht leben – Beruf als Hobby!? (Bild: © Fotolia)

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Profilbild von Fritz Koenig

Fritz Koenig sagt:

#1 - 23.07.2013 um 10:24 Uhr

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Meiner Meinung nach kanibalisiert sich die ganze Branche - wie viele andere auch - selbst aus 2 Gründen:1. Bedingt durch die neuen (meist technischen) Möglichkeiten ist es jedem ein Leichtes sich zu "veröffentlichen". Durchaus nichts schlechtes. Aber es wird halt auch leicht die in Musik notwendige Emotion durch nackte Selbstdarstellung zu ersetzen. Ergebnis ist dann Masse statt Qualität und nur mehr Masse bringt Geld.2. Durch die jederzeit und überall kostenlose Geräuschkulisse namens Musik verliert diese enorm an Wert. Wer kennt heute noch die Spitzenstars vom Vormonat oder vom letzten Jahr. Da bleiben grad eine Handvoll über. Auffallend dabei, daß viele in einem eher schlechten "Seelenzustand" zu Spitze durchdrangen - also von starken Emotionen geprägte, authentische Musik machen.
Die diversen - oder sollte man besser perversen - Castingformate tun ihr übriges um die "Ware Musik" an der billigen "Quängelmeile" knapp vor der Kasse zu verramschen.Vor ein paar Jahrzenten konnte mit einem Musiktitel noch was bewegt werden, wurden Menschen bewegt. Heute singen bedauernswerte, gecastete Freaks (nicht immer, es gibt auch fantastisch gute darunter) bekannte Titel und werden dann einer seelischen Leibesvisitation vor versammelter Festgemeinde unterzogen. Musik dient dabei nur als unterhaltendes Hintergrundgeräusch bis zum nächsten Kanditaten-Striptease.Vor einigen Jahren musste man für einen Abend Livemusik ordentlich Geld hinlegen. Da kamen dann auch ein paar Mann "Musiker" an. Heute hat jeder sein "Karaokekasterl" dabei und macht auf Alleinunterhalter und das für oft nicht mehr als € 200.- pro Abend. Die kleine Preise und kleine Qualität gewöhnte Klientel bekommt Ausschlag wenn sie daran denkt für fünf Musiker wenigstens € 2.500.- auf den Tisch zu legen - ausnahmen bestätigen die Regel.So schliesst sich der Kreis wieder und wir sind bei den Casting-Shows die ja auch mindere Qualität liefern. Schliesslich gehts da ja auch schon lange nicht mehr um Musik. Genau so wenig wie bei "Jungelcamp" oder "Big Brother".Ich bin alerdings zuversichtlich, daß das ganze sich zu Tode-Kanibalisiert und dadurch wieder auf den Boden kommt.

Profilbild von Enrico Glomm

Enrico Glomm sagt:

#2 - 24.07.2013 um 16:05 Uhr

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Musiker sind Maler die mit Worten und Melodien Bilder aus Emotionen erschaffen!
Um darin gut zu sein, muss man nicht unbedingt berühmt werden. Von seiner Kunst zu leben,egal welcher, war glaube ich noch nie ganz einfach und auch nur wenigen vorbehalten.
Viele der Dinosaurier aus den sogenannten goldenen Zeiten sind irgendwann böse abgestürzt weil Sie mit dem Ruhm und der Kohle nicht klar kamen. Der eine oder andere würde heute sicherlich einiges anders machen.
Vielleicht wurde damals auch zu schnell, zuviel verdient, was den unterschied zu heute so eklatant erscheinen lässt.
Trotzdem muss Musik das bleiben was Sie ist,
"eine Kunst" und darf nicht verramscht werden.
Vielleicht sollte es so etwas wie eine Einstufung geben, bei der sich Künstler einem Gremium vorstellen müssen und die Qualität ihrer Darbietung eine Beurteilung bekommt.
Z.B. Amateur,Semi Profi oder Profi.
Diese Einstufung wäre dann an einen Tarif gebunden, den die Veranstalter den Musikern/Bands mindestens zahlen müssen.
Andererseits könnten die Veranstalter diese
Bewertungen in die Preise ihrer Tickets und in die Werbung bei der Qualitätsstufe Ihres Events einfließen lassen.
Der Gedanke ist sicherlich nicht neu, denn in der DDR gab es ähnliche Einstufungen.
Diese waren allerdings von Zensur und staatlicher Kontrolle geprägt.

Profilbild von Alex (bonedo)

Alex (bonedo) sagt:

#3 - 25.07.2013 um 12:41 Uhr

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Hey Fritz König und Enrico Glomm und alle anderen die sich gerne zu diesem Thema äußern möchten!Aufgrund dieser ersten beiden sehr interessanten und starken Kommentare und der Brisanz, die in diesem Thema steckt, haben wir nun einen Thread auf dem Musiker-Board zu diesem Artikel erstellt. Dort möchten wir mit euch weiter diskutieren und hoffen auf eine angeregte und vor allem sachliche Diskussion!Hier entlang!
http://www.musiker-board.de...

Profilbild von DJ Nameless

DJ Nameless sagt:

#4 - 25.07.2013 um 17:53 Uhr

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Bin gerade zufällig beim Surfen auf diesen Artikel gestoßen.Im Artikel steht: "Bob-Fahrer, Ringer und Eisschnellläufer werden durch ein System gestützt, dass man am besten als Sportsoldaten-Armee zusammenfasst."Ich weiß es nicht genau, aber ich könnte mir vorstellen, dass das daran liegt, dass diese Sportarten vielleicht noch recht beliebt sind, und dadurch entsprechende Einnahmen generieren. Mein sportinteressierer Vater sagte mal, viele "exotischere" Sportarten wie Gewichtheben interessieren so wenige Leute, dass selbst Olympiasieger da nicht von leben können. Die könnten auch Tausende Gewichte im Jahr stemmen, und kämen nicht über die Runden.
Genau dasselbe haben wir bei populäreren Sportarten wie Fußball und Tennis genauso - ein Kreisliga-Spieler kann auch von 100 Spielen nicht leben.
Ich vermute, dass es bei Musik auch so ist.Und das von Enrico vorgeschlagene Gremium nützt auch nichts: Bei vielen spezielleren Musikveranstaltungen zahlen die Veranstalter schon drauf (machen es also quasi auch als Hobby), selbst wenn die Musiker auch gar keine Gage kriegen. Würde man hier auch einen "gesetzlichen Mindestlohn" einführen, würden Veranstaltungen mit speziellerer Musik wie Samba, Salsa, afrikanische Choräle, Drum & Bass etc. schlichtweg gar nicht mehr stattfinden. Dasselbe gilt für nur lokal aktive Bands / DJ's etc.Auch heute noch gibt es immer wieder Musiker, die mit dem Ruhm und Geld nicht klarkommen und abstürzen, wie Whitney Houston und Amy Winehouse. Ich wäre daher ja schon lange für eine gesetzliche Flop-/Unrentablitäts-Versicherung für alle Musik- bzw. Kulturschaffenden - analog zur gesetzlichen Krankenkasse. In der heutigen Zeit ist Erfolg oder Misserfolg in der Musik genau so unvorhersehbar wie eine Krebserkrankung, da es heute fast keinerlei musikalische Anstrengung mehr braucht, um erfolgreich zu sein - Platten wie "Schnappi" oder "Eins Zwei Polizei" beweisen das. Aber über eine derartige Versicherung denkt ja bislang keiner nach.DJ Nameless

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