Als Gitarrist von Rammstein ist Richard Z. Kruspe ein vielbeschäftigter Mann. Erst 2024 hat die Band eine längere Tournee beendet und zeitgleich wurde dem NDH-Saitenhexer mit der ESP/LTD RZK-III ein weiteres Signature-Modell auf den Leib geschneidert. In unserem Gespräch gibt der Musiker tiefe Einblicke in sein neues Instrument, aber auch in sein Studioequipment und seine Recordingprozesse. Darüber hinaus spricht er überraschend offen über seine Zukunft, die von „Rammstein“ und seinem Soloprojekt „Emigrate“.

Du hast dieses Jahr mit der ESP LTD RZK-III eine neue Signature-Gitarre erhalten. Die Korpusform basiert auf der ESP Phoenix. Wie kam es dazu, dass du dich für diese Vorlage entschieden hast, und was zeichnet dein Modell aus?
2021 habe ich für das Video von „Freeze my Mind“ von Emigrate eine Gitarre gesucht, die optisch etwas mehr den 70er-Jahre-Vibe ausstrahlt. Daraufhin hat mir Stefan Kühn (vom deutschen ESP-Vertrieb „Sound Service“) die Phoenix-Gitarre mitgebracht. Das Firebird-mäßige Shape hatte ich zwar ursprünglich nicht im Kopf, aber beim Spielen empfand ich die Konturen als sehr maskulin. Sie hat Ecken, Kanten, und man kann so richtig schön losrocken. So ein Teil musste ich dann in meiner Kollektion haben und damit entstand der Gedanke zum Signature-Modell.
Dafür wollte ich einerseits diese neue Form, allerdings auch eine andere Bridge. Ich war immer Floyd-Rose-Spieler und, vor allem in Bezug auf den Auflagepunkt der rechten Hand, dessen Handling gewohnt. Wir haben dann drei verschiedene Prototypen durchprobiert: Stop-Tail, Floyd-Rose und String-Thru-Body. Die Stop-Tail-Variante war dann klanglich der Sieger. Allerdings hat man hier eine andere Saitenführung und Saitenlage. Auch der Auflagepunkt des rechten Handballens ist anders. Also schwebte mir eine Kombination aus dem Sound des Stop-Tails und dem Spielkomfort eines Floyd-Rose-Tremolos vor. Das Ergebnis war dann, die Bridge tiefer im Korpus zu versenken.
Das nächste Problem war, dass mir die Gitarre wegen des Phoenix-Headstocks insgesamt zu lang war. Ich wusste allerdings auch, dass sie das für die Balance braucht, da die Gitarre einen extrem schweren Body hat. Am Ende entschied ich mich dennoch für meinen Original-Headstock und wir haben es geschafft, die Gewichtsverteilung ausgewogen zu halten. Beim Korpusmaterial war die Entscheidung einfacher – da habe ich mich auf meine bekannten Holzarten konzentriert (Anm. d. Red.: Erle).
Dein Modell kommt mit einem schaltbaren, invertierbaren Kill-Switch. Warum wolltest du die beiden Varianten in der RZK-III?
Im Grunde genommen ist die amerikanische Version, dass das Drücken des Killswitches den Sound stummschaltet. Ich nenne die invertierte Version auch die „deutsche“ Variante, bei dem durch Drücken der Sound erst aktiviert wird. Dadurch entsteht eine neue Art des Spielens, aber auch ein anderes Rhythmusgefühl. Das ist analog zur Sprache: Amerikanisch klingt immer so „in between“, während in Deutschland alles sehr direkt und „1“-basiert ist. Das liegt mir einfach mehr, vor allem, wenn man mit Feedback spielt. Ich benutze aber tatsächlich beide Varianten, sowohl live als auch im Studio.



Du benutzt Signature Fishman RZK Fluence. Worin unterschieden sich diese von dem Standard-Fluence-Modell?
Mein Signature-Set hat im Prinzip zwei Unterschiede. Einerseits wollte ich, dass man die Pole-Pieces der Humbucker sehen kann, aber auch der Frequenzverlauf weicht etwas ab. Ich booste gerne bei 1,5 kHz, was sicherlich auch meinen sich ändernden Hörgewohnheiten geschuldet ist. Fishman-Pickups bieten, verglichen mit den aktiven Pickups anderer Hersteller, eine sehr konsistente Qualität und es gibt klanglich keine Streuungen innerhalb einer Serie.
Ich erinnere mich an ein Interview vor einigen Jahren mit Native Instruments, in dem du über dein Studio-Setup mit automatisierten Mikrofonständern und deine Rectifier-Amps sprichst. Hat sich daran irgendetwas geändert?
Das Native-Instruments-Interview entstand zu einer Zeit, als Profiling noch in den Kinderschuhen steckte. Mittlerweile arbeite ich eng mit Christoph Kemper zusammen und führe mit ihm viele Diskussionen über Profiling. Ich hatte lange das Problem, dass mir dabei immer etwas die Dreidimensionalität gefehlt hat. Ich wollte hören, wie sich der Speaker bewegt. Das ist digital noch nicht ganz umsetzbar, aber das wird kommen! Mir war es dennoch wichtig, für Live meine eigenen Profile erstellen zu können. Durch den Profiler habe ich dann auch sehr viele Freunde in der Crew gewonnen (lacht). Dennoch benötigt man natürlich die analogen Amps für das Profiling.
An meinem Studio-Setup hat sich aber eigentlich nichts geändert. Ich habe nach wie vor meine Lieblings-Rectifier, unter anderem sehr frühe Modelle aus den 90ern. Auf der letzten Tour hatte ich z. B. meine alten Rectifier mitgenommen und etwas an der Mikrofonierung gearbeitet. Ich benutze ein Neumann M149 als Haupt-Mikrofon sowie ein Microtech Gefell CMV 563, das mir ein bisschen mehr Mittenpräsenz gibt. Das dritte ist ein Neumann U87, um mehr Low-End zu erhalten. Meine Preamps sind ein Neve 1081, ein Neve Shelford Channel und kürzlich habe ich Great River-Vorstufen für mich entdeckt, die ich superschön finde. Das ist es aber eigentlich auch schon.
Verwendest du auch manchmal Boost-, Drive- oder EQ-Pedale? Im Metal ist es ja durchaus üblich, z. B. einen Tube Screamer oder Boss SD-1 vor den Amp zu hängen, um das Low-End etwas aufzuräumen?
So etwas mache ich gar nicht. Wenn, dann erledige ich das im Channel-Strip bei der Cabinet-Abnahme. Vieles passiert auch durch die Mikrofonierung. Ich besitze nach wie vor meine Mikrofonroboter, bei denen ich die Mike-Ausrichtung vom Controlroom aus steuern kann. Das ist im Prinzip ein Pult mit drei Regelknöpfen und ich kann sogar verschiedene Presets abspeichern. Insofern entsteht auch viel EQing am Speaker selbst.

Wie läuft der Recordingprozess der Rammstein- und Emigrate-Alben ab? Spielst du die Gitarren komplett in deinem eigenen Studio ein? Ist ein Produzent anwesend oder läuft das komplett in Eigenregie?
Mittlerweile sitzt Sky Van Hoff bei mir, dem ich vertraue und mit dem ich auch die ganzen „Emigrate“-Alben gemischt habe. Im Gitarrenbereich sind unsere Vorstellungen ziemlich auf einer Linie. Bereits bei den letzten beiden Rammstein-Alben haben wir die Gitarren zusammen recordet. Ich hasse das Editieren und er hilft mir dabei sehr. Soli mache ich immer alleine. Früher musste man das ja alles komplett im Kopf haben und dann spielt man eben ein paar Takes. Mittlerweile improvisiere ich einfach drauflos und recorde sofort. Dann kann ich mir aus einzelnen Takes bestimmte Passagen raussuchen und daraus entsteht dann eine Melodie oder ein Solo, auf das ich anderweitig niemals alleine gekommen wäre. Das Ganze ist für mich ein sehr kreativer Prozess, der sehr spannend ist.
Neben Rammstein hast du noch dein eigenes Side-Project „Emigrate“, dessen letztes Release 2021 war. Arbeitet ihr an einem weiteren Album und wie sieht die Zukunft der Band aus?
Ja, geplant ist immer etwas, aber es gibt ja den schönen Spruch: „Wenn du Gott zum Lächeln bringen willst, dann erzähle ihm von deinen Plänen“. Es gibt immer wieder Ideen, aber ich bin glücklicherweise in der Situation, dass ich weder von außen noch von mir selbst irgendeinem Druck ausgesetzt bin. Ich habe auch das Gefühl, dass die kreative Zeit sich im Alter etwas ändert und auch weniger wird. Vieles hat man bereits gemacht, und daher warte ich auf den Moment, bis etwas kommt, was ich wirklich umsetzen will. Einfach ein Album aufzunehmen, nur weil es zeitlich anstehen würde – dafür fehlt mir die Motivation. Im Moment gibt es noch keine zündende Idee, die es wert wäre, weiterverfolgt zu werden.
Früher habe ich mir diesen Druck gemacht und das war für meine Gesundheit extrem schädlich. Keinen Druck oder Deadlines zu haben ist natürlich manchmal auch ein Problem, weil man oft wahnsinnig viel Zeit hat. Ich besitze zwei Studios und manchmal spiele ich auch einfach nur „just for fun“ mit meinem Equipment. Dabei stelle ich mir auch oft die Frage, ob Musikmachen überhaupt das ist, was ich noch weiter machen will bzw. etwas, das zukünftig Bestand in meinem Leben hat – worauf ich allerdings noch keine abschließende Antwort gefunden habe.
“Rammstein ist ein Haus, das vor langer Zeit gebaut wurde. In dem Haus gibt es sechs Wohnungen und momentan sind ein paar ausgezogen. Vielleicht kommen die wieder zurück, vielleicht auch nicht – aber das Haus wird es immer geben.“

Auf was können sich Rammstein-Fans in der nahen Zukunft freuen? Sind neue Releases in der Pipeline?
Konkret ist nichts in der Planung. Ich erkläre das immer so: Rammstein ist ein Haus, das vor langer Zeit gebaut wurde. In dem Haus gibt es sechs Wohnungen und momentan sind ein paar ausgezogen. Vielleicht kommen die wieder zurück, vielleicht auch nicht – aber das Haus wird es immer geben. Wir arbeiten allerdings seit zwei Jahren an einer Live-DVD, die wir in Mexiko aufgenommen haben. Die wird bald kommen und wir sind gerade am Mixing. Alles andere liegt in weiter Zukunft und ich bin auch froh, dass ich nicht weiß, was passieren wird. Das ist eine offene Geschichte, was ein sehr schönes Gefühl ist.
Man muss auch dankbar sein für das, was man im Leben erreicht hat. Das ist nicht immer einfach, weil man Musik auch immer macht, um sich wertig zu fühlen. Fällt das weg, kommen andere Probleme, die man lösen muss, z. B. stellt man sich die Frage: „Was bin ich denn noch wert?“ Man sollte diesem Druck nicht nachgeben. Aber das sieht natürlich jeder anders. Ich bin jedenfalls gerade auf einer Suche und weiß noch nicht, was ich finden werde. Ich habe es z. B. auch noch nicht geschafft, ein echtes „Hobby“ zu finden. Das steht auf jeden Fall auch noch auf meiner Liste (lacht).