Jetzt wird’s künstlich: Nachdem sich der letzte Teil des Workshops mit dem Einfangen natürlichen Raumklangs bei der Aufnahme beschäftigt hat, geht es in dieser Folge primär um künstliche Nachhallerzeugung. Das müssen nicht unbedingt Plug-Ins und digitale Hallgeräte sein.
Elektrische Maßnahmen
Es gibt viele Beispiele für elektrische Maßnahmen zur Veränderung des Raumklangs. Als sich Chris Kimsey entschieden hatte, die Rolling Stones ihren Song “Start Me Up” gemeinsam in einem Raum einspielen zu lassen, schickte er die Signale der Nahmikrofone durch eine kleine PA, um den Raumklang auf Charlie Watts’ Snare zu verstärken. Dadurch passte die Snare besser zum räumlichen Sound mehrerer lauter Gitarrenamps. Auch wenn keine anderen Instrumente dabei sind, wird diese Technik von vielen Produzenten angewendet: Steve Churchyard verstärkte die Snare mit einer PA, als er die Pretenders aufnahm. Chris Fogel und Jack Douglas erwähnen beide, dass sie Subwoofer verwendeten, um die tiefen Frequenzen der Bassdrum hervorzuheben.
Mittels Dynamikbearbeitung kann man den aufgenommenen Nachhall noch formen. “In neun von zehn Fällen wird der Raum zumindest ein bisschen komprimiert”, sagt Joe Barresi. “Manchmal komprimiere ich ihn hart mit einer Einstellung, die ich ‘Full Canadian’ nenne – alle Knöpfe gedrückt und alle Regler ganz nach rechts. Ich mag den schnellen Attack des EMI Compressors. Oft verwende ich Raummikrofone statt eines digitalen Hallgeräts.”
Auch Gates haben sich als Dynamikwerkzeuge für Raummikrofone bewährt. Der Sidechain-Eingang des Gates wird von einer der nah aufgenommenen Spuren gespeist. Das berühmteste Beispiel für dieses Verfahren kennt jeder: Phil Collins’ “In The Air Tonight”. Aber der Effekt wurde etwas dezenter auch auf vielen anderen Alben eingesetzt. Bill Price verwendete bei “Never Mind The Bollocks” von den Sex Pistols die trockenen Schlagzeugspuren, um Gates auf verschiedenen Sets von Raummikros zu steuern. Bei “Some Great Reward” von Depeche Mode bearbeitete Gareth Jones Synthesizer mit einer ähnlichen Technik: “Mir gefiel der Raumklang von den Kugelcharakteristik- und Grenzflächenmikros, und die Schichten von Raum auf den Synthesizern waren ein Schritt weg von der in den 80ern so beliebten Gated Snare. Wir verwendeten viele Gates, weil wir besessen davon waren, das Bandrauschen loszuwerden und den Raumklang zu kontrollieren, auch wenn wir ihn nicht abrupt abschnitten. Der Nachhall war immer maßgeschneidert, sodass er kontrolliert ausklang, wenn die Instrumente oder der Gesang aufhörten.”
Und falls ihr immer noch davor zurückschreckt, echten Raumklang auf euren Aufnahmen zu verwenden – vielleicht weil ihr glaubt, euer Raum sei nicht gut genug: Jack Douglas besteht darauf, dass gerade das ein guter Grund sei es zu probieren. “Sucht im Haus nach interessantem Nachhall. Allein durch den Charakter wird die Spur im Mix hervorstechen, weil sie ganz anders klingt als alles andere. Wenn ihr euch in der Garage in eine Ecke mit Zementwänden stellt, wird es dort wahrscheinlich eine interessante stehende Welle geben. Jeder Ort mit merkwürdigen stehenden Wellen ist ein guter Ort um Gesang aufzunehmen, weil es einfach anders klingen wird.”
Künstlicher Hall bei der Aufnahme
Bevor wir das Thema “Nachhall bei der Aufnahme” verlassen, um uns den Mix-Techniken zuzuwenden, sollten wir noch kurz eine alltägliche Situation streifen, in der der Hall auch mit aufgenommen wird: Effektgeräte, die wichtig für den Sound des Tracks sind, aber im Mix vielleicht nicht mehr zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund nehmen viele Profis Impulsantworten analoger Hallgeräte wie Kammern, Platten und Federn auf. Als Tom Elmhirst Amy Winehouse mischte, konnte er auf Mark Ronsons Archiv vieler Sammlerstücke zu beiden Seiten des Atlantiks zurückgreifen und hatte dadurch eine Bandbreite von Retro-Reverbs zur Ergänzung seines eigenen Arsenals zur Verfügung.
Knifflig wird es aber, wenn der eingebaute Federhall eines Amps ein unverzichtbarer Bestandteil des Sounds ist, aber nicht getrennt aufgenommen und deshalb im Mix auch nicht separat kontrolliert werden kann. Während Jim Abbiss bei den Arctic Monkeys auf Kompression zurückgreifen konnte, um die Hallfahnen eines zu leise aufgenommenen Federhalls anzuheben, ist es so gut wie unmöglich, zu viel aufgenommenen Hall nachträglich zu reduzieren.
Dafür gibt es einen Trick, den Ken Nelson sehr effektiv einsetzte, als er den Coldplay-Gitarristen Johnny Buckland aufnahm: “Johnny hat einen Fender Twin Reverb und verwendet jede Menge Bodeneffekte. Ich überlegte, wie ich damit umgehen sollte – ich wollte einfach die Option haben, es nachträglich etwas trockener zu machen. Es stand ein zweiter Twin Reverb herum, eine etwas andere Version, und ich sagte zu Johnny ‘Es wäre toll wenn du beide Amps benutzen könntest, den einen mit all deinen Effekten und den anderen komplett trocken.’ Seine Effekte kamen aus dem einem Amp, den wir mikrofonierten, und wir nahmen den zweiten Amp parallel auf. Im Mix haben wir das dann einfach ausbalanciert. Das hat sehr gut funktioniert.”
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Natürlicher Nachhall im Mix
Obwohl natürlicher Nachhall zumeist mit der Aufnahmephase assoziiert wird, machen sich überraschend viele Profis auch im Mix diese organischen Umgebungen zunutze, indem sie Räume mikrofonieren und Sounds vom Mischpult über Lautsprecher darin abspielen. “Ich nutze den Aufnahmeraum auch gern im Mix”, sagt S. Husky Höskulds. “Ich nehme meistens zwei kleine PAs und noch ein paar Monitorboxen und habe oft alle drei Räume des Studios mikrofoniert. All das kommt über einen kleinen Submixer neben dem Mischpult in die Mischung zurück, sodass ich eine Auswahl von Sounds habe: ein Stereo-Mikro im Hauptaufnahmeraum, ein Pärchen Nahmikrofone und ein paar seltenere Mikros an einer PA in einem weiteren Raum. Ich werde oft gefragt, wie ich meinen Raumklang erzeuge, und die einfache Antwort ist: indem ich den Raum benutze! Echte Räume haben viel mehr Charakter und tragen kein Schild vor sich her, auf dem ‘Reverb!’ steht.”
Tony Visconti verwendete echten Raumklang in der Mischung von David Bowies “Reality”, um die Räumlichkeit des vorangegangenen Albums nachzubilden, das in einem anderen Studio aufgenommen worden war: “Wir stellen die Monitore exakt dorthin, wo zwei Jahre zuvor das Schlagzeug gestanden hatte, und richteten sie in einem 45-Grad-Winkel nach oben aus. An die Dachbalken, etwa acht Meter über den Lautsprechern, hängten wir ein Paar Earthworks-Mikrofone – genau so, wie sie bei den Sessions zu “Heathen” über Matt Chamberlains Drumkit gehangen hatten. Die schickten wir durch denselben Preamp und der Sound war sofort da. Das haben wir in Logic aufgenommen, mit ins Looking Glass Studio genommen und im Mix verwendet. Vielleicht klingt es ein bisschen anders, aber insgesamt bekommt man den Eindruck, als ob die Drums in diesem Raum gestanden hätten. Er hat einen schönen Nachhall von etwa einer Sekunde, der ideal für Drums ist.”
Engineers, die regelmäßig mit natürlichem Nachhall arbeiten (wie etwa Bob Clearmountain, Jason Corsaro, Simon Dawson und John Fry), richten sich oft spezielle Hallkammern ein. Das spart Zeit und erlaubt es ihnen, die akustischen Charakteristiken des Sounds zu beeinflussen, ohne erst Mikrofone und Akustikelemente im Aufnahmeraum umher zu räumen. Natürlich ist das genau das, was die Spitzenstudios taten, bevor es gute Hallgeräte gab, und einige der berühmtesten Hallkammern locken noch heute Kundschaft in diese Studios.
Die gleichen Techniken, die während der Aufnahme zur Beeinflussung des Nachhalls eingesetzt werden, lassen sich auch in Hallkammern anwenden. John Fry verkürzte die Nachhallzeit einer seiner Hallkammern mit Rollen aus Glasfasern, während Tony Platt den Nachhall des riesigen Aufnahmeraums der Galaxy Studios gatete, um auf verschiedenen Spuren der Industrial-Band Die Krupps seine scheinbare Größe zu verändern. Manche meinen, dass die Faltungshall-Technologie den Klang von Hallkammern mittlerweile perfekt nachahmen kann. Diese Art von Maßnahmen zu simulieren ist aber viel komplexer, sodass ich davon ausgehe, dass noch eine ganze Weile mit PAs und Mikros gemischt werden wird.
Analoge Hallgeräte
Um bei der Mischung eine Hallkammer einzusetzen, braucht man natürlich Mikrofone, Lautsprecher, einen geeigneten Raum und vielleicht auch verständnisvolle Nachbarn, wenn man das System laut genug machen möchte, um Hintergrundgeräusche auszublenden. In kleineren Studios ist das Verfahren daher oft nicht einsetzbar. In diesem Fall bleibt nur die Möglichkeit, zusätzlichen Hall auf künstlichem Wege herzustellen.
Bevor die digitalen Hallgeräte aufkamen, gab es im Wesentlichen zwei Verfahren zur Erzeugung von Hall: Hallfedern und Hallplatten. Beides sind analoge Gerätschaften, die Vibrationen in Metallobjekten erzeugen und die internen Reflexionen über Tonabnehmer aufnehmen. Obwohl beide nicht sonderlich natürlich klingen, wurden sie in den 1960ern und 1970ern enorm viel eingesetzt und immer weiter optimiert. Das Ergebnis waren Sounds, die unter musikalischen Gesichtspunkten – weniger unter technischen – extrem erfolgreich waren.
Vor allem der Federhall wird für die einzigartige Farbe geschätzt, die er einer Aufnahme geben kann – typischerweise eine Präsenz in den oberen Mitten, kombiniert mit einer basslastigen Nachhallphase und vielen starken Resonanzen. Auch wenn er heute einen deutlichen Retro-Charakter hat, setzen einige Produzenten ihn vielseitig ein, weil sein unverwechselbarer Klang einzelne Spuren im Mix hervorheben kann – eigentlich genau das Gegenteil von dem, was man von einem Hall erwarten würde. “Man kann den Hall mit einem Gate kurz und tight machen und er fügt dem Sound Farbe und Tiefe hinzu, ohne ihn zu verwaschen”, erklärt Manny Marroquin. “Wenn ihr in einem dichten Mix ein Element hervorheben möchtet und EQ zu scharf wäre, schickt es durch einen Federhall.”
Was die spezifischen Geräte betrifft, so mögen sowohl Ben Hillier als auch Flood die Hallspirale im EMS VCS3 Suitcase Synth, während Steve Albini und Dave Fridmann von AKGs seltenem BX20 Spring Tower schwärmen. “Zu seiner Zeit war das der Hit für lange Reverbs”, so Albini. “In den späten 60ern und frühen 70ern kostete er zwischen 5000 und 10000 Dollar. Das Ding ist ungefähr 1,80 m hoch, hat zwei Hallspiralen und klingt großartig.” Andere bekannte Modelle sind zum Beispiel Furman RV1, Great British Spring und Geräte von Master Room und Touched By Sound. So mancher schickt Spuren im Mix durch einen Gitarrenamp, um den eingebauten Federhall zu nutzen, und einige Produzenten haben sich auch ihre eigenen Geräte gebastelt.
Hallplatten bedeuteten in vielerlei Hinsicht eine Verbesserung gegenüber dem Federhall, etwa durch einen viel gleichmäßigeren Frequenzgang und einen geschmeidigen Ausklang. Mit ihren dichten Hallfahnen, ihrem Mangel an erkennbaren frühen Reflexionen und ihrem hellen Sound hatten sie jedoch immer noch einen auf einzigartige Weise unnatürlichen Charakter, in den sich viele Engineers in den 60ern und 70ern verliebten. Beim Durchstöbern des Interview-Archivs war ich überrascht, wie stark diese Liebe auch im digitalen Zeitalter noch anhält. Produzenten wie Gil Norton, Eddie Kramer, Phil Ramone, Elliot Scheiner und Stephen Harris arbeiten noch heute viel mit analogen Hallplatten.
Die EMT140 gilt gemeinhin als die Königin unter den Hallplatten, und wenn jemand von Plattenhall spricht, wird sie meist im gleichen Atemzug genannt. “Ich benutze nur EMT-Platten”, sagte Stephen Harris, als wir ihn zu seiner Arbeit an einigen aktuelleren Hits von U2 befragten. “Wenn ein Studio keine EMT Plate hat, kann ich dort nicht arbeiten.” Hugh Padgham sieht das ähnlich: “Ich setze beim Mischen gern die EMT140 ein. Anscheinend benutzen viele jüngere Engineers nicht mehr so gern Hallplatten – die EMTs im Townhouse waren jedenfalls immer frei, wenn ich eine brauchte. Ich bin einfach kein großer Fan von digitalem Hall. Die Plates haben eine schöne Wärme und Breite.”
Digitale Klassiker
Von allen digitalen Hallgeräten, die mir bei meiner Recherche begegneten, wird keines so häufig erwähnt wie Lexicons ehemaliges Flaggschiff 480L – ein Gerät, das für viele Jahre einer der verlässlichsten Studiostandards war. Die Liste seiner Fans liest sich wie ein Who’s Who der gefragtesten Mixing Engineers auf diesem Planeten: Tom Lord-Alge, Elliot Scheiner, Spike Stent, Tony Maserati, Manny Marroquin und viele mehr. Auch viele andere Geräte von Lexicon werden von den Profis geschätzt, nicht zuletzt der Vorgänger 224XL und Lexicons derzeitiges Spitzenmodell 960L. “Ich habe bisher noch kein Plug-in finden können, dass auch nur annähernd so gut klingt wie das 960L”, meint Serge Tsai. “Es ist eine unglaubliche Maschine.” Auch die PCM-Serie hat viele Fans, darunter Steve Albini, Flood, Tom Lord-Alge, Pierre Marchand und Tony Maserati. Neben den bekannten Studio-Arbeitspferden PCM80 und PCM90 sind auch die älteren PCM60 und PCM70 gefragt. “Es klingt dreckig und hält alles zusammen”, sagt Jason Goldstein über das PCM70. “Eine Zeitlang kam auf fast alles, was ich gemacht habe, ein bisschen PCM70, mit einem Setting namens ‘Tiled Room’, einem ganz kurzen Raum.” Erwähnt werden muss auch das Lexicon M300, dem Chris Lord-Alge “einen sehr schönen, eigenständigen und sauberen langen Hall” attestiert und das Chuck Ainlay als eines seiner Standard-Effektgeräte bezeichnet: “Es schimmert mehr. Es hat einen helleren Hall mit mehr Glanz, fast wie eine Plate.”
Auch Yamaha ist in der Liste prominent vertreten. Besonders das REV7 wird erwähnt, beispielsweise von Craig Bauer, Marius DeVries, Tom Lord-Alge und Al Stone (“Ich nehme normalerweise einen langen Hall vom 480L und einen kurzen vom Yamaha REV7, einem guten alten 12Bit-Reverb.”) Auch die SPX-Serie von Multieffekten taucht überall auf, wobei das konkrete Patch nur selten erwähnt wird, sodass wir nicht wissen können, ob nun Hall oder doch eher Autopan verwendet wird. Das gilt im Übrigen auch für die Eventide Harmonizer Serie, die jeder im Rack zu haben scheint, wobei nur selten klar ist, welche Patches benutzt werden.
Eventides alter SP2016-Hall wird hingegen von David Pensado geschätzt: “Mein liebster Hardware-Reverb ist wohl das Eventide 2016. Ich mag seine Dunkelheit. Ich habe die alte und die neue Version und ich schaffe es, sie in fast jedem Mix unterzubringen. Ich benutze das Stereo Room Preset. Es ist der Hall auf den frühen Alben von Mariah Carey, und ich liebe einfach den Sound.” Jack Joseph Puig setzt es gern auf Strings ein: “Ich nehme ein Eventide 2016 mit dem Stereo Room Preset, 3,2 Sekunden Decay-Zeit, davor ein Predelay von 92-100ms. Dieses Setting nehme ich fast immer für Strings. Stell es so ein und lass es rocken, es gibt nichts Besseres.”
Ein weiterer altgedienter Digital-Hall, der offenbar noch viel eingesetzt wird, ist das AMS RMX16, das Humberto Gatica als besten Vocal-Reverb bezeichnet. “Das AMS hat dieses nicht lineare Setting und den klassischen, langen Hall, den man nicht verändern kann, und nichts kommt daran heran”, ergänzt Chris Lord-Alge. Auch das EMT250 – ein Gerät, das wie ein Roboter aussieht und wahrscheinlich das erste kommerzielle digitale Hallgerät war – hat prominente Freunde, darunter Tom Lord-Alge und Chuck Ainlay. “Im Grunde war es ein sehr, sehr kurzer Hall”, erklärt David Tickle. “Man konnte ihn fast nicht hören, aber es war genug, um die Vocals und die Snare anzuheben.” In jüngeren Jahren hat Sony mit dem DRES777 die Entwicklung von Hardware-Faltungshallgeräten angeführt, aber für Fans wie die Lord-Alge-Brüder ist das ältere DRE2000 der wahre Star. “Ich nehme das Sony DRE2000 für Drums und Percussion”, sagt Chris, “und diesen Sound haben sie nie verbessern können.” Mit dem R7 steht ein anderer Sony-Hall aus der Vor-Faltungshall-Ära bei Pierre Marchand hoch im Kurs. Auch Roland haben seit dem SRV330 und SRV2000 vieles weiterentwickelt, aber es sind diese älteren Gerätschaften, die unter anderem von Chuck Ainlay, Glen Ballard und Craig Bauer erwähnt werden.
Besonders interessant ist aber, dass viele Profi-Engineers trotz Racks voller High-End-Gear und Sammlerstücken ganz bewusst zu Consumer-Geräten von Firmen wie Alesis, Boss, Digitech, Ensoniq und Zoom greifen. Der unangefochtene Spitzenreiter muss hier das Alesis Quadraverb sein, das bei den Jerry Boys, Glen Ballard, Marius DeVries, Spike Stent (“sehr empfehlenswert”) und vielen anderen zum Einsatz kommt. “Es ist kein Lexicon 480L”, gibt Ballard zu, “aber es gibt ein paar Dinge, die ich daran sehr mag, und ich hasse es, Sachen wegzugeben um sie dann fünf Jahre später wieder auf eBay suchen zu müssen.”
Viele Top-Producer haben eine eindeutige Präferenz für ganz spezielle Vintage-Reverbs. Justin Niebank sagt dazu: “Wenn man Hall einsetzt, muss man darauf achten, die Vocals nicht zu stören. Dabei helfen die Vintage-Sachen sogar, denn sie haben nicht den gleichen Frequenzgang wie die neueren Geräte. Deshalb bedeckt der Hall nicht das ganze Frequenzspektrum des Tracks.”
Mitchell Froom empfindet den Stereocharakter moderner Reverbs als irritierend und zieht den sparsamen Einsatz von Hallplatten oder -federn vor. “Ich mag keine hellen, zischenden Digital-Reverbs, erst recht nicht, wenn mehrere davon zur gleichen Zeit stattfinden. Dazu sind sie meistens stereo, und es passieren Dinge mit der Musik, die man überhaupt nicht vorhersehen kann. Die Klangfarbe des Instruments geht verloren.”
Jimmy Douglass verzichtet aus einem anderen Grund zumeist auf digitale Hallgeräte: “In der analogen Welt verbringt man viel Zeit damit, Sachen herauszuschälen und hervorzuheben. Im Digitalen sticht alles sofort heraus und die Herausforderung besteht eher darin zu glätten und Elemente in den Hintergrund zu stellen, ohne Brei entstehen zu lassen. Deshalb verwende ich nicht so oft digitalen Hall – im Digitalen klingt alles gleich und dieser herausstechende Charakter wird verstärkt. Stattdessen versuche ich ungewöhnliche Effekte zu finden, die nicht bloß eine Spiegelung der gleichen Frequenzen sind, wie etwa bei Justin Timberlakes ‘Sexyback’.
Im letzten Teil unseres Specials wird es um die Frage gehen “Wieviel Hall ist richtig?” – und natürlich um noch mehr!