Praxis
Bevor es ins Detail geht, gibt es gleich mal ein großes Lob an Reason Studios. Das sogenannte „Onboarding“, also der Moment, in dem man das Programm zum ersten Mal nach der Installation startet, ist eines der besten unter den gängigen DAWs. Audio-Interface erkannt und eingerichtet, MIDI-Controller gescannt und eingerichtet, Bildschirm-Auflösung erkannt und darauf eingestellt, direkt Lernvideos in der Companion-App eingeblendet – man fühlt sich direkt willkommen. Anderes DAWs blenden trocken eine Change-Log oder einfach gar nichts ein, weisen nicht auf neue Features hin, stolpern beim Controller oder Interface. Reason 12 macht hier alles richtig.
Sampler Mimic – Sounddesign-Maschine
Mimic bringt von Haus aus recht wenige Sounds mit. Ganze einundzwanzig Presets sind dabei. Aber der „Creative Sampler“ ist eben vor allem zum Abspielen und Verarbeiten von eigenen Samples gedacht. Eine verpasste Chance für den schnellen Sound-Design-Workflow ist die fehlende Möglichkeit, Audio-Clips direkt aus dem Sequencer in Mimic ziehen zu können. Das geht nur vom Browser aus oder direkt aus einem Ordner. Was praktisch ist: Mimic erkennt die Tonhöhe des Samples an der ausgewählten Stelle und bietet über „Set“ oben links an, den Grundton umzustellen.
Mimic ist im Sampling-Alltag einer der am besten klingenden Sampler auf dem Markt. Die Time-Stretching-Algorithmen liegen qualitativ bei monophonem Material (Bass, Gesang, Blasinstrumente) ganz vorne. Vocal-Chops klingen selbst zwei Oktaven über dem Grundton nicht nach Micky-Maus-Stimme. Was leider wirklich fehlt: temposynchrones Abspielen. Da kann der tollste Time-Stretching-Algorithmus am Werk sein. Wenn ich den Drumloop nicht zum Projekttempo abgespielt kriege, wird das ein mühsames Ausprobieren mit dem „Speed“-Regler, bis beide einmal parallel laufen.
Combinator 2.0 – Instrumente blitzschnell selbst bauen
Mit dem rundumerneuerten Combinator reiht sich Reason in die Riege der DAWs ein, die den Austausch von Presets und Instrumenten großschreiben. Ein eigenes Reason Refill zu erstellen, kommt für die meisten nicht in Frage. Ein Multi-Layer-Instrument mit eigener Oberfläche, bestehend aus mehreren Reason-Geräten, ist da schon schneller erstellt. Neben Instrument-Combis (so der offizielle Name) sind auch Effekt-Combis, also Multi-Effekte ganz einfach möglich.
Im Combinator lädt man beispielsweise einen der MIDI-Devices („Players“), wie den „Pattern Mutator“, dahinter einen „Europa“-Synth und danach noch einen „The Echo“-Delay und einen „RV7000“-Reverb. Öffnet man oben im Combinator den „Editor“, wird unter dem Kopfbereich mit vier voreingerichteten Potis ein hellblaues Editor-Fenster aufgeklappt. Dort sind alle Devices, die gerade abgelegt wurden, zu sehen. Nun wählt man zum Beispiel links im Editor „Europa“ an, dann „Control 1“ als „Source“ im rechten Bereich und anschließend bei „Target“ „Freq“ als Filter-Parameter. Direkt darunter nun das gleiche Spiel, nur wählt man dieses Mal „Resonance“ beim „Target“. Nun steuert der Regler „Control 1“ die beiden Parameter „Freq“ und „Resonance“ fern.
Wem die vier Regler nicht reichen, der kann im Editor rechts unter „Configure“ insgesamt 32 Buttons und Potis hinzufügen. Dieser Modus funktioniert ähnlich wie die „Panel“-Ansicht bei Reaktor: Alle Potis und Buttons können verschoben und umbenannt werden. Außerdem können mehrere Regler ausgewählt und horizontal oder vertikal auf eine Linie gebracht werden. Dazu kann aus zweiundzwanzig Poti- und Fader-Symbolen und zehn verschiedenen Buttons ausgewählt werden.
Rechts im „Configure“-Bereich kann noch auf Wunsch ein eigenes Hintergrundbild in den Combinator eingefügt werden. Klappt man dann wieder alles zu, befindet sich unter der Haube ein sehr mächtiges Instrument. Oben drauf ist nur der Kopf des Combinator mit ein paar Reglern und Buttons zu sehen. Der allgemeine Simplifizierungstrend im Musiksoftwarebereich ist also auch an Reason nicht spurlos vorüber gegangen. Schaut man sich viele der fertigen Combinator-Module in den Sound-Packs an, lautet auch hier der Device: viel Sound mit wenig Knöpfen.
Was fehlt: VST3-Unterstützung, MPE und M1-Kompatibilität
Das eigene Plugin lediglich als VST3 anzubieten und dann selbst nur VST2.4-Plugins laden zu können, wird einige Neuinteressierte vergraulen. Da das VST2-SDK seit 2018 nicht mehr ausgeliefert wird, wird die Anzahl der nur als VST3-Version existierenden Plugins in den nächsten Jahren rapide zunehmen. Reason-User bleiben da außen vor. Wer außerdem einen MPE-Controller von Roli oder Sensel besitzt, kann deren um ein Vielfaches komplexere Spielweisen in Reason nicht nutzen. Auch der kaum vorhandene Support für Videodateien ist schwer nachvollziehbar, lädt die DAW doch zu Klangkollagen und epischen Sounds für Filmmusik ein.
Außerdem: Noch ist es nicht dringend, aber Reason Studios sollten sich schleunigst dranmachen, ihre DAW kompatibel zu Apples M1-CPUs zu gestalten. Andernfalls fährt ihnen hier in den nächsten Jahren der Zug der neuen ARM-Prozessoren davon. Für den Test bin ich bald auf das Macbook Pro (2016, 2,5 Ghz i7) umgestiegen. Denn auf dem Mac Mini mit M1-CPU geriet Reason 12 gehörig ins Stottern. Auf dem Macbook lief alles ohne Probleme, auch bei hoher Spuranzahl und vielen Instrumenten ging dem Rechner nicht die Puste aus.
Laut Patrick Sundberg und Mattias Häggström Gerdt von Reason Studios stehen die VST3-Unterstützung und die volle M1-Kompatiblität für die nächsten Updates bereits ganz oben auf der Prioritätenliste. Man arbeite mit Hochdruck an der Umsetzung, könne sich aber nicht auf konkrete Zeitangaben festlegen, so die beiden auf Anfrage.