Praxis
Der Mixer ist mit den CD-Playern und Turntables verkabelt und ich bringe ohne Musikeinspielung nach und nach die Fader und Volume-Regler auf Anschlag, dann den Master (der Regler spricht zu Beginn etwas stark an, wie ich finde). Das Rauschen hält sich hier absolut in Grenzen. Auch sind keine digitalen Störgeräusche (Stichwort „Grillenzirpen“) zu vernehmen. Die Phono-Preamps machen ihre Sache gut und klingen rauscharm und detailliert.
Beim Mixen hat man mit den sanft gleitenden langen Fadern und den EQs das Klanggeschehen gut im Griff und das pro Kanal getrennt regelbare Filter lädt zum Filtermixen ein. Aber es gibt ja noch ein paar weitere Sound Shaping Tools …
Effektsektion
Möchte man seine Tracks mit Effekten befeuern, stellt die rechte Flanke allerhand nützliche Komponenten bereit. Selektiert wird das Effektprogramm, abzulesen am Display, mittels Encoder statt Positionsschalter. Die Zuweisung kann auf den Master, die Einzelkanäle, die Crossfader-Seiten und das Mikrofon erfolgen. Mittels Drehgeber wird das Timing festgelegt (manuell, automatisch, Tap). Level/Depth regelt das Mischungsverhältnis oder einen anderen Parameter wie Pitch-Wert oder Bit-Auflösung. Bei Noise darf on-top der LFO getunt werden. Einige Soundbeispiele dazu nachstehend.
Zwei Beat-Tasten (beim RMX-80 gab es hier feste Größen von ¼ bis 4 und eine TAP-Taste) bestimmen in Abhängigkeit vom gewählten Effekt beispielsweise Loop-Längen, LFO-Taktungen etc. Was mir gut gefällt: Die Effektsektion lässt sich vorhören, bevor sie aufs Publikum abgefeuert wird. Prima auch, wenn man mit den Reloop-Effekten nicht vertraut ist oder erstmalig auf den RMX-90 trifft. Russisches Roulette fällt hier also weg.
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RMX-90 und Serato DVS
Die Vollversion von Serato DJ erlaubt das Auflegen mit bis zu vier digitalen Decks und 8 Sample-Slots, die sich auf den Master oder die Einzelkanäle des RMX-90 DVS schicken lassen. Zu beachten ist hier: Die Kanalbezeichnung weicht von der DVS-Bezeichnung ab.
Zur Steuerung der Software-Decks liegen zwei Timecode-Vinyls bei. Nach Aktivieren des DVS-Plug-ins in den Preferences erscheint das Trägersignal im Konfigurationspanel, wo ihr es gegebenenfalls feintunen könnt. Sollen mehr als zwei Decks gesteuert werden, benötigt ihr entweder
- zwei weitere Turntables mit Line-Ausgang und die erforderlichen Timecodes
- zwei DJ-Mediaplayer mit HID oder zeitcodierten CDs im Bauch, das Serato Control CD-Signal kann auf der Homepage heruntergeladen werden
- einen MIDI-Controller zum Bedienen der übrigen Decks
- die Bereitwilligkeit, mit der Maus oder Tastatur zu arbeiten
Serato DJ bietet eine USB-Recording-Funktion, für die müsst ihr allerdings ein Software-Deck opfern. Außerdem gibt es zahlreiche Kreativwerkzeuge und Effekte. Sollen Videodateien gemixt und ausgegeben werden, bedarf es des zusätzlichen Video-Plug-ins (rund 100 Euro). Auch das Effektrepertoire kann kostenpflichtig erweitert werden. Ferner ist es selbstverständlich möglich, die Software über nativ unterstützte Controller wie Reloops Neon zu befehligen oder einen anderen MIDI-Controller über das GUI anzulernen.
Wer ein iOS-Device besitzt, darf auch Seratos Remote App verwenden, ein praktisches Zusatztool, wenn ihr mich fragt. Damit ließe sich unter anderem auch der Slicer „freischalten“. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf unsere Serato Workshop-Serie hinweisen, die einige Erklärungen, Tipps und Tricks zur Software bereithält.
Die beigelegten Serato Timecodes sind im One-Minute-Split Verfahren gefertigt. Eine Scrollzone gibt es nicht, Seite A hat 10 Splits (10 min. Laufzeit, 33 rpm), Seite B kommt auf 15 Unterteilungen. Die Software-Decks gehorchen den Timecodes gefühlt in Echtzeit und Bewegungen werden akkurat umgesetzt. Da gibt es nichts zu meckern. Auch Tempoänderungen der Decks folgen auf den Fuß, was uns zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung führt:
Beatcounter
Zwei Beatcounter zeigen beim RMX-90 DVS das Tempo an. Der erste ermittelt die Geschwindigkeit des ausgewählten Cue-Kanals, der Channel/FX-Beatcounter 2 kennt zwei Verfahrenswege. Entweder manuell durch viermaliges Tappen im Takt oder durch zwei Sekunden Drücken und Halten des Tap-Tasters (auto), woraufhin das Tempo aus dem via FX-Channel-Schalter selektierten Kanal extrahiert wird. Der Beatcounter gibt Geschwindigkeiten unterhalb von 80 BPM mit doppeltem Wert aus (also 75 bpm = 150 bpm) – alles über 160 hingegen wird halbiert. Der ausgelesene Wert bildet die Basis für die tempobasierten Effekte.
Im Test stellte sich heraus, dass der Beatcounter seine Informationen aus den Serato Decks unverzüglich erhält, also auch wenn der Track noch nicht läuft und gerade mal ins Deck geladen ist. Das gilt sowohl für den Cue-Kanal wie auch für den Master. Dieser allerdings nimmt wohl immer das letzte Glied in der Kette (Deck 4), und nicht den Wert, der tatsächlich aus den zu hörenden Decks ermittelt werden müsste. Ganz anders, wenn man mit Traktor oder Mixvibes arbeitet. Hier war das jeweilige (!) BPM-Display minutenlang am Blinken, ohne dass ein Wert ausgegeben wurde. Was die Treffsicherheit bei Schallplatten angeht, so zeigte sich der Beatcounter als ziemlich wankelmütig.
Aux-Eingang
Der vorderseitige Aux-Input ist ein praktisches Feature, möchte man „auf die Schnelle“ einen mitgebrachten Zuspieler wie Sampler oder Smartphone einschleifen. Die nachgelagerte Klangregelung nimmt man hier gern mit, allerdings läuft der Aux-Kanal grundsätzlich nur alternativ zum Mikrofon – das wäre auch anders möglich gewesen. Monotone Schamanengesänge auf die „einge-auxte“ Trommelmaschine muss man sich folglich von der Backe putzen, aber schnell ein Set vom iPhone einstarten, derweil man den Rechner bootet, Timecodes auspackt oder sich sonst wie für die Mixsession präpariert, ist natürlich auch ein nicht zu unterschätzender Nutzwert. Und klar kann hier auch „mir-nix-dir-nix“ ein Tablet als Sample/Loopschleuder angeschlossen werden und im Idealfall mit Serato via Ableton Link im Takt schwingen.
Im Praxischeck stellte sich heraus, dass man mit einem AUX-Boost von 9 dB genug Reserven hat. Richtig gelesen: Schwachbrüstige Endgeräte wie iPhone/iPad-Signale lassen sich via Mischpult Utility-Modus in 3-dB-Schritten von 0-12 dB anheben. Eigentlich wäre es doch prima, wenn man Aux und Mike simultan nutzen könnte und nicht nur alternativ.
Was noch?
Vor dem Schluss möchte ich noch folgendes loswerden: Es würde mich ehrlich gesagt ein wenig wundern, wenn mit dem RMX-90 DVS bei Reloop das Ende der Fahnenstange erreicht wäre. Zweifelsohne stellt Reloops neuer Flottenkapitän einen großen Schritt im Mixer-Lineup der Münsteraner dar, die nun endlich einen vollwertigen DVS Serato Clubmixer im Programm haben. Die „ausgewiesene Premium Line“ – ein Zertifikat, das passt.
Mit 999 Euro ist der Testkandidat doppelt so teuer wie der Reloop RMX-60, liegt außerdem über dem Preis eines Serato DVS-kompatiblen Allen&Heath Xone:43C oder Mixars Duo, die für rund 750 Euro Ladenpreis den Besitzer wechseln, aber deutlich unter dem, was ein DJM-900NXS2 (2.249 Euro) oder Xone:PX5 (1.399 Euro) aktuell kosten (Stand: April 2017).
Im Vergleich zur Luxusklasse der Konkurrenten fehlen dem RMX-90 noch ein paar Ingredienzien, um mit der Creme de la Creme mitzuhalten, darunter Effekt Send/Returns, MIDI-I/OS und – sollte Reloop seine CD-Player dem allgemeinen Trend nach Vollfarbdisplays und Lan-Sync nachkommen – Netzwerkfähigkeit oder vielleicht auch ein paar MIDI-Controller, wie sie Mixars Duo zu bieten hat.
Dass dann mehr Kohle fällig ist, dürfte klar sein und auch dem direkten Vergleich zu den Topmodellen der Konkurrenz muss das dann standhalten können. Ein steiniger Pfad, den nun auch Denon DJ mit der „Prime-Serie“ betreten hat. Doch bis dahin dürfte noch etwas Wasser den Rhein runter rauschen und der RMX-90 DVS – der Name ist Programm – definitiv seine Käufer finden.