Der kanadische Bassbauer und Innovator Sheldon Dingwall ist derzeit auf einer europaweiten Workshop-Tour. Dreimal macht er dabei Station in Deutschland. Am 4. April besuchte er das Musikhaus Thomann und bonedo nahm die Gelegenheit wahr, Sheldons Vortrag zu lauschen und ihm im Vorfeld persönlich ein paar Fragen zu stellen. Das fast zweistündige Event war übrigens nicht nur für Fans von Dingwall-Bässen interessant, sondern generell höchst informativ zum Thema Bassbau. Natürlich bekam man beim Event auch mehrere Dingwall-Bässe zu hören und zu sehen. Dafür brachte Sheldon Dingwall eigens den deutschen Bassisten Philipp Rehm mit, der eindrucksvoll die Soundpalette der kanadischen Multiscale-Bässe demonstrierte.
Sheldon Dingwall und das Konzept der Multiscale-Bässe
Sheldon Dingwall – diesem Mann hört man einfach gerne zu! Der Kanadier wirkt tiefenentspannt und bescheiden und erzählt voller Leidenschaft von seiner Reise als Bassbauer. In seiner Zunft gilt er bekanntermaßen als Innovator.
Auch wenn Dingwall das Prinzip der Multiscale-Instrumente nicht erfand, so hat er es dennoch nahezu im Alleingang in der Basswelt populär gemacht. Am Anfang stand die Suche nach einer perfekten B-Saite. Dafür baute Sheldon eine mechanische Vorrichtung, auf der er unterschiedliche Mensuren verwirklichen konnte. Schon die Verlängerung von 34 auf 35 und 36 Zoll brachte eine deutliche Verbesserung. Den „Sweetspot“ sollte Sheldon Dingwall aber erst bei einer Mensur von 37 Zoll entdecken!
Darauf folgte jedoch die Ernüchterung, dass diese Mensur-Länge leider klanglich für sämtliche höheren Saiten ein Nachteil wäre – und dass wohl niemand einen Bass mit 37 Zoll kaufen würde. Die Lösung brachte ein Treffen mit Ralph Novak, der ein Patent auf Multiscale-Instrumente angemeldet hatte. Sheldon konnte Ralph dazu bewegen, dass er sein Patent nutzen durfte. Seitdem baut Dingwall ausschließlich Multiscale-Bässe. Ihr auffälligstes Merkmal ist die schräge Anordnung der Bünde (Fan Frets).
Dingwall – vom Außenseiter zum Mainstream
Lange Zeit wurde Sheldon für seine Kreationen in der Szene belächelt – über Jahrzehnte fristete er eher ein Außenseiter-Dasein. Erst vor einigen Jahren jedoch konnte Dingwall dann auf voller Linie richtig durchstarten, was mehrere Ursachen hatte. Gerade in der NuMetal-Szene fand damals eine Art „Paradigmenwechsel“ statt und ein neues Soundideal etablierte sich. Für dieses eignen sich die Dingwall-Instrumente mit ihrem pianoartigen definierten Low End hervorragend.
Immer mehr Bassisten aus diesem Genre griffen in der Folge zu Dingwall-Bässen. Speziell die Kombination mit Preamps und Effekten der finnischen Company Darkglass wurde ausgesprochen beliebt und zu einer Art neuem Sound-Standard. Daher suchten beide Companys auch eine Kooperation (siehe Darkglass Tone Capsule Preamp in Dingwall-Bässen). Ein weiterer Grund war das neue Dingwall Combustion Modell, welches auf Anhieb sehr erfolgreich wurde.
Schließlich lief im Jahr 2009 das Patent von Ralph Novak aus und auch andere große Hersteller (wie Ibanez, Cort etc.) widmeten sich dem Thema Multiscale. Auf diese Weise fanden die Instrumente mit den gefächerten Bünden den Weg in den „Bass-Mainstream“.
Bestechende Detaillösungen
Natürlich erzählte Sheldon Dingwall auch viel über die bautechnischen Details seiner Schöpfungen. Sein Motto dabei lautet „Performance Driven“. Jeder Aspekt wird also dahingehend untersucht, wie es das Instrument verbessern kann. Ist Sheldon mit herkömmlichen Ansätzen nicht zufrieden, findet er einfach selbst die passende Lösung. Dies zeigt sich zum Beispiel anhand des hauseigenen Sattels, der proprietären Bassbrücke und den Saiten, die Sheldon mit einer Company speziell für Multiscale-Instrumente entwickelt hat.
Ein weiterer Punkt des Vortrags war die enorme Stabilität der Hälse (aus heimischem kanadischen Ahorn) von Dingwall-Bässen und ihre Resilienz gegenüber Klimaschwankungen. Auch der zweiteilige Body ist eine Spezialität von Dingwall, kommt allerdings nur bei den Custom Shop Instrumenten (wie z. B. dem Lee Sklar Signature) zum Einsatz: Die eine Hälfte des Bodies, über welche die tiefe B- und E-Saite laufen, besteht aus Esche. Sie verleiht dem Low End entsprechend Definition und Spritzigkeit. Die zweite Hälfte (über welche die höheren Saiten laufen) besteht aus Erle. Diese sorgt für einen warmen Ton und verhindert, dass die hohen Saiten nicht zu harsch klingen.
Neue Dingwall-Bassmodelle:
▶ Dingwall John Taylor Signature Bass
Im Mittelpunkt des Nachmittags standen die zwei brandneuen Dingwall-Modelle, allen voran der John Taylor Signature Bass. Dieser stammt aus der „Ready To Play“-Serie und beruht auf dem Combustion-Modell. Das große Highlight dieses Instruments ist sicherlich der integrierte Preamp von Rupert Neve Design. Die Company ist schon seit Jahrzehnten bekannt für ihre legendären Studio-Konsolen und Recording Preamps, die auch als magische Zutat beim Aufnehmen von E-Bässen gelten.
In Kooperation mit Dingwall wurde nun zum ersten Mal überhaupt ein Onboard Preamp von Rupert Neve Design für E-Bass entwickelt. Dieser ist nicht als Replacement Part zu erwerben, sondern wird exklusiv im John Taylor Signature Bass verbaut, von dem vier- wie auch fünfsaitige Modelle erhältlich sind.
▶ Dingwall SP-1 Bass
Zweiter Bass im Bunde war der Dingwall Super P-1 oder SP-1, der im klassischen Gewand gehalten ist und auch als FSO (Fender Shared Object) durchgeht. Sheldon selbst erwähnte scherzhaft, dass der Look seiner bisherigen Bässe nichts für Bassisten sei, die schüchtern und zurückhaltend auf der Bühne sind.
Der Dingwall SP-1 vereint also Dingwalls Multiscale-Konzept mit einem eher traditionellen Design, welches in manchen Settings optisch einfach besser passt. Beim SP-1 werden die gleichen Qualitätsstandards angesetzt wie bei allen Dingwall-Bässen. Auch die verwendeten Hölzer stammen aus derselben Quelle. Gespart wird beim Dingwall SP-1 lediglich bei Aspekten wie Finish oder ähnlichem. Gefertigt wird der SP-1 in Indonesien, die Qualitätskontrolle findet aber nach wie vor bei Dingwall in Kanada statt.
Der SP-1 wird daher gewissermaßen das Einstiegsmodell von Dingwall werden. Der mitgebrachte Bass war ein Prototyp, ein paar Monate müssen sich geneigte Kunden leider noch gedulden.
Dingwall-Demo mit Philipp Rehm
Den renommierten deutschen Bassisten Philipp Rehm haben wir ja kürzlich anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Buches „Bass Matrix“ interviewt. Philipp ist gefragter Sideman wie auch Solokünstler mit beeindruckenden spieltechnischen Fähigkeiten. Erster Kandidat bei den Sounddemos war Philipps eigener Dingwall Super-J, gefolgt vom SP-1 sowie dem John Taylor Signature Bass.
Für jedes Instrument hatte Philipp einen eigenen Track mitgebracht, bei denen er fließend zwischen den verschiedensten Spieltechniken wie auch Groove- und Melodie-Spiel wechselte. Für den John Taylor Signature Bass nahm er sich noch etwas mehr Zeit und spielte ein beeindruckendes Solo-Arrangement von Soundgardens „Black Hole Sun“. Dieses brachte die Stärken der Dingwall-Bässe noch einmal besonders hervor: Transparentes und druckvolles Low End, ausgewogener Ton über das gesamte Griffbrett, definierter Sound selbst bei Akkorden in tiefen Lagen, etc.
Nach jedem Track erklärte Philipp noch einmal die Eigenheiten und Möglichkeiten jedes Instruments und ging ausführlich auf die Fragen des Publikums ein. So bekam jeder einen guten Eindruck, wie vielfältig die Instrumente von Sheldon Dingwall sind.
Q&A/Ausblick
Spannend wurde es bei einer Frage eines Besuchers, ob Sheldon schon einmal mit Basshälsen aus Graphit experimentiert hat. Es stellte sich heraus, dass Sheldon in Wahrheit ein Fan von Graphit ist und derzeit an einem Instrument arbeitet, welches die Vorteile dieses Werkstoffs mit denen von Holz kombinieren soll. Der Clou dabei wird sein, dass ein Graphithals in einem Holzhals integriert ist – darauf sind wir mehr als gespannt!
Die anschließende Frage war, ob Sheldon auch schon einmal an den Bau eines Headless-Basses gedacht hat. Es stellte sich heraus, dass er schon seit Längerem daran arbeitet und wahrscheinlich 2025 mit einem ersten Prototyp zu rechnen ist. Bei nahezu allen Headless-Bässen sind bekanntlich die Stimmmechaniken in die Brücke integriert, die dann meist ziemlich groß und schwer wird. Um dies zu vermeiden, arbeitet Sheldon eng mit einem italienischen Spezialisten zusammen, welcher viele Jahre in der Motorrad-Rennserie MotoGP für Entwicklung und Konstruktion im Bereich Metall-Bau zuständig war.
Zusammen mit Sheldon hat dieser Hersteller eine Bassbrücke entwickelt, die sich in Größe und Gewicht nicht von den jetzigen Dingwall-Brücken unterscheiden soll. Allein dieser Aspekt zeigt, welche Hingabe und Leidenschaft Sheldon Dingwall auch nach mehreren Jahrzehnten noch jeden Tag in seine Arbeit steckt.
Nach ca. zwei Stunden endete die offizielle Veranstaltung. Sheldon und Philipp ließen sich es aber nicht nehmen, im Anschluss noch länger mit den Besuchern zu plaudern und mitgebrachte Dingwall-Bässe zu signieren.
Wir bedanken uns bei Sheldon Dingwall, Philipp Rehm und natürlich dem Musikhaus Thomann für diese kurzweilige Bass-Clinic und sind gespannt darauf, was wir in Zukunft von Dingwall zu hören und zu sehen bekommen werden!