Praxis
Bei dem potenziell weiten Anwendungsfeld des Comp.Two sollte man sich vielleicht erst einmal drei Basis-Setups herauspicken und diese dann Stück für Stück verfeinern. Im Normalbetrieb bietet es sich an, mit den Input-, Output- und Threshold-Potis in der 12-Uhr-Stellung zu starten, um davon ausgehend die Sättigungseffekte Schritt für Schritt ins Spiel zu bringen. Was die Kompression betrifft, so bietet sich für das Mastering die Kombination langsamerer Attackwerte mit mittleren bis schnellen Release-Zeiten an, also beispielsweise etwa 30 ms (Position 8) und 300 ms (Position 4). Weiter lohnt es sich, den Rockruepel 1176-mäßig als „Limiting Amplifier“ einzusetzen. Warum also nicht einmal die schnellsten Zeitkonstanten auspacken und schauen, was dann geschieht? Die dritte Start-Position wäre der Amp-Only-Modus, in welchem man gleichzeitig und gegenläufig an den Inputs und Outputs drehen! Was da passiert, ist ein nicht zu unterschätzendes Add-On, manchmal auch in puncto Kompression (sättigungstypisch zeitkonstantenlos) fast besser als die eigentliche Kompression des Rockruepels… Mit diesen drei Basis-Einstellungen haben wir einen guten Teil der sehr großen Bandbreite des Gerätes abgesteckt.
In allen (Kompressions-)Anwendungen gefällt die Kombination von den sehr variablen Zeitkonstanten, welche vom punchy Druckmachermodus zu fettem Squeeze reichen, und dem für einen Vari-Mu-Kompressor typischen weichen Knie der Kompressionskennlinie, welche einen Ratio-Parameter überflüssig macht. Im Ergebnis steht eine muskulöse, selbstbewusste Pegelreduktion, die jedoch immer eine gewisse Gutmütigkeit beibehält. Fieser, fast schon klinischer „VCA-Pop“ ist ebensowenig drin wie die absolute, schnaufende 1176-Kompression. Vielmehr steht der Rockruepel mit beiden Beinen solide auf dem schön dick gefederten Röhrenboden, wobei einer der beiden Füße durchaus seine Muskeln spielen lassen kann. Der Rockruepel gehört keineswegs zu den trägen, obergemütlich runden Vertretern seiner Zunft, sondern er kann seinem Namen durchaus alle Ehre machen – nur eben ohne die ganz scharfen Kanten.
Für einen Vari-Mu-Comp kommt kann der Comp.Two zudem mit ganz schön schnellen Zeitkonstanten aufwarten. Das erlaubt den explosiven Einsatz auf Raummikros ebenso wie das herzhafte Andicken von Vocalspuren. In allen Fällen klingt der Comp.Two zudem recht präsent, scheint das Airband und die Präsenzen leicht in den Fokus zu rücken, was Signale frischer und weiter vorne erscheinen lässt. Diese „Platz da, hier komm ich“-Mentalität kennt man auch vom 1176. Wenngleich beide Geräte grundverschieden sind, so teilen sie sich doch diese Charaktereigenschaft. Neben den sehr flexiblen Einsatzmöglichkeiten im Mix auf Einzelsignalen, die dieses Spektrum ermöglicht, eignet sich der Comp.Two auch sehr gut als Subgruppenprozessor oder gar für den Einsatz auf der Stereosumme. Er kann Drums blockig verdichten, dabei eine wuchtige Klangwand auftürmen, aber auch erheblich dezenter zu Werke gehen. Mit eher langen Attacks und mittleren Release-Werten wird er auf der Summe zum Punch-Generator, wobei spätestens hier das Sidechain-Filter gute Dienste leistet. Auch bei geringer Pegelreduktion von 0,5 – 1,5 dB kann er hier seine Vorzüge ausspielen, den Klang insgesamt dichter und homogener machen. Trotz der langen Attacks kann er das Material auch objektiv lauter machen, vermutlich weil die Transienten dann schon leicht in die Sättigung gefahren werden. Diese Kombination aus „laut und trotzdem Punch“ ist durchaus zeitgemäß, und nicht viele Geräte beherrschen sie. Trotzdem sollte sich das Audiomaterial für diesen Einsatz eignen, denn eine komplette Allzweckwaffe ist auch der Rockruepel nicht. Er eignet sich gut, um eher schlappes Material aufzubrezeln, aber wenn das Ausgangsmaterial schon eher scharf klingt, dann wird es durch den Einsatz des Ruepels ganz gewiss nicht runder. Dank des flexiblen Gainstagings hat man hier aber recht viel Spielraum, den Klang noch in die gewünschte Richtung zu kneten.
Die Sättigungsfunktion des Amp-Only-Modus’ ist bei alldem weit mehr als nur eine Zugabe. Hier spielt der Comp.Two die Verzüge seines klassisch-audiophilen Signalwegs voll aus, welches vor allem aus Röhren und Übertragern besteht. Die Reserven reichen aus für sehr kernig-crunchige Resultate, die einerseits gut klingen und andererseits auch einen ganz praktischen Nutzen haben. Denn auch mit dieser Sättigung und ganz ohne die eigentliche Kompression kann man etwa auf dem Drumbus ein paar dB RMS-Pegel herausholen – eine nette Alternative, der man hin und wieder sogar den Vorzug geben wird.
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Der Vergleich zum Comp.One stellt sich meiner Einschätzung nach vor allem auf theoretischer Ebene – und zwar deswegen, weil der Comp.One längst nicht mehr erhältlich ist und allein deswegen ein etwaig vorhandener Klangunterschied in der Praxis kaum Relevanz besitzt. Entscheidend ist, dass der Comp.Two a) verfügbar ist, b) etwas weniger kostet und c) die wesentlichen Qualitäten von Oliver Gregors Konzept transportiert. Er ist besser ausgestattet als die Urversion, etwas weniger luxuriös umgesetzt als sein direkter Vorläufer, aber nichtsdestotrotz durch und durch – und ich kann das sagen, denn ich habe mit allen drei Varianten gearbeitet – ein echter Rockruepel.