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Roger Schult RS W2395c Test

Praxis

RS W2395c und Coles 4038: Superkombi

Nein. Eigentlich will ich nicht „Weniger ist manchmal mehr!“ schreiben. Mist, schon geschehen… diese abgedroschene Phrase. Nun gut, wo diese Worte hier nun mal stehen (Ich arbeite beim Texten mit Marmortafel und Meißel, müsst ihr wissen), kann ich diesen Gedanken auch weiterführen, denn er kennzeichnet sehr gut die Arbeit mit dem RS W2395c. Man hat mit dem EQ von Roger Schult nicht allzu viele Möglichkeiten. Die Wahl der Bandbreiten ist für die meisten Anwendungen ausreichend, für Signalchirurgie nimmt man schlichtweg andere Werkzeuge. Dass die beiden Randbänder im Grunde nur Beiwerk seien, ist aber Quatsch. So zum Beispiel in den Höhen: Mit 2 und 5 kHz kann man die wesentlichen Tweaks bei einem Signal machen. Ein Coles 4038 etwa klingt an sich schon etwas höhenarm, im Nahbereich außerdem schnell stark überbasst. Eine echte Diva eben. Allerdings lässt es sich gut equalizen. Mit manchem EQ erhält man aber deutliche Verschiebungen in den Höhen, schlechtere EQs sorgen für Phaseneinbrüche (die besonders im Stereobetrieb problematisch werden) – viele Plug-Ins haben ja ihre Probleme mit den Höhen, vor allem bei starken Boosts. Das HF-Band des RS W2395c macht dort aber einen genialen Job. Für einen EQ, der sich „Vintage“ auf die Fahnen schreibt, finde ich ihn fast schon brav – das mache ich am Ausbleiben gerade beschriebener Fehler fest. Die Höhen bleiben klar, bekommen aber einen ganz leichten Sparkle. Für das Low-Shelf gilt das prinzipiell genauso, in Zusammenarbeit können die beiden Baxandall-EQs Signale auch wundervoll tilten, das ist ideal beim Tracking. Allerdings sollte man selbstverständlich darauf achten, nicht allzu viel Mulm aus dem Tiefbass mit an die Oberflache zu befördern, denn schließlich ist es eine Kuhschwanz-Filtercharakteristik.

Gefallen auf Anhieb: Roger Schults Equalizer in einem 500er-Housing.
Gefallen auf Anhieb: Roger Schults Equalizer in einem 500er-Housing.

Ganzes Pult mit W2395c? Gerne. Aber nicht nur.

Sicher, ist man quasi unendliche EQ-Ressourcen gewohnt, wird einem bei der Arbeit manchmal etwas fehlen. Hier noch ein kleiner Dip, diese Glocke etwas schmaler, jenes Band ein paar Hertz nach oben… allerdings staunt man manchmal, was für gute Mischungen man auch mit einfacheren Systemen hinbekommt. Und wie schnell man dabei ist! Insofern ist ein W2395c eine Art Rückbesinnung. Ich hätte kein Problem mit einem Pult, das komplett mit diesen EQs ausgestattet ist, wenn im Rack oder der DAW noch ein oder zwei sehr schmalbandige parametrische Filter, HPF, LPF und mindestens zwei parametrische EQs für den Bass vorhanden wären – denn der Bassdrum lässt sich mit einem W2395c naturgemäß nicht gut beikommen, wenngleich man nur 80 oder 110 Hz zur Verfügung hat. In der Praxis freut man sich natürlich zudem gerne noch, aus unterschiedlichen EQ-Charakteren auswählen zu können…

Beeinflussung der Bänder

Benutzt man die Shelves, merkt man auch, dass der Passband-Bereich unterhalb der Grenzfrequenz nicht unbeeinflusst bleibt. Hier lässt sich besonders bei höheren Gains in beide Richtungen eine gar nicht unerhebliche Klangänderung vernehmen, und bis auf das Karussell der Phasenlagen fühlt man sich nicht zuletzt bei der Arbeit ein wenig an einen Pultec erinnert. Gut aber, dass die passiven Shelves des W2395c einzeln auf Bypass geschaltet werden können. Ein Feature übrigens, über das der Nachfolger zugunsten einer weiteren Frequenz nicht mehr verfügen wird. Schade, denn ich liebe es, EQ-Bänder einzeln gegenhören zu können. Eine Bypass-Funktion fehlt im Mittenband komplett, auch eine Mittenrasterung des Gains gibt es nicht.

Fotostrecke: 3 Bilder Erstaunlich, wie oft man mit diesen beiden Frequenzen hervorragend auskommt.

Stärke des RS-Equalizers: Kontur

Die Aussage aus der Überschrift dieses Absatzes gilt ganz besonders für den Plural, denn im Stereobetrieb lässt sich sehr gut feststellen, wie außerordentlich konturiert der Equalizer arbeitet. Es schmiert und klebt nichts. Die Chorstimmen bleiben auch nach enormer Bearbeitung auf ihrer Position festgemeißelt und klar umrissen. Das machen manche EQs deutlich anders. Das Tolle: Das betrifft den gesamten Frequenzbereich einschließlich des Basses. Doch auch im Monobetrieb kann man von diesen Eigenschaften profitieren: Der Synthesizersound tritt durch den engen Mittenboost deutlich hervor, ohne Fundament einzubüßen, auch die Gitarre wird geradezu dreidimensional, der Federhall, die Bewegung des Tremolos und das Tape-Delay verwaschen kein bisschen.

Audio Samples
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Vocals Bypass Vocals 2kHz/+4, 580Hz/-3/broad, 110Hz/-4 Amp Bypass Amp 2kHz/+12, 1,5kHz/+6/broad, 110Hz/-12 Amp 5kHz/+4, 1,15kHz/+6/mid, 80Hz/-8 Amp 5kHz/+4, 1,15kHz/+6/mid, 80Hz/-8 (Logic Channel EQ) Moog bypass Moog 2kHz/-4, 1,2kHz/+9/narrow, 100Hz/+12

Übersicht

Schön ist, dass es Roger Schult gelungen ist, seinen W2395c übersichtlich zu gestalten. Den Hauptverdienst haben dabei die beiden Gain-Fader der Baxandall-EQs, die genug Raum für andere Bedienelemente lassen. Auf Frontplatten von Series-500-Modulen mit einem hohen Funktionsumfang kann es nämlich gruselig eng zugehen. Die Einstellung des Gains ist fein genug möglich und eine angenehme Abwechslung zu den üblichen Drehpotenziometern. Der Abstand der Fingerspitzen zu den Reglern oder Schaltern eines Nachbarelements im 500er-Rack reicht ebenfalls aus. Für Erstnutzer des RS-Equalizers erklärt sich die jeweilige Zugehörigkeit der Bedienelemente schnell über die drei verschiedenen Farben. Mitgedacht. Sehr gut.

Sind die Equalizer im Stereo-Paar, können sie ihre Stärken richtig ausfahren!
Sind die Equalizer im Stereo-Paar, können sie ihre Stärken richtig ausfahren!
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