Das auch Hersteller wie Roland auf den mit Vollgas fahrenden Eurorack Modular Zug aufspringen, überrascht insofern nicht, da selbst vergleichsweise kleine Anbieter wie Make Noise, Intellijel oder Mutable Instruments hohe Verkaufszahlen erzielen.
Auf Grund der unübersichtlichen Vielzahl an Klangerzeugern, Modulatoren, Filtern etc. müssen neue Konzepte besonders überzeugen, um die doch sehr anspruchsvolle Kundschaft befriedigen zu können.
Roland platziert die AIRA-Effekte geschickt als universell einsetzbare Einheiten, welche sich aufgrund ihrer Größe und Montagemöglichkeiten zunächst für die Einbindung in ein Modularsystem eignen, aber auch hervorragend stand-alone zu verwenden sind.
Details
Die Aira-Serie
Mit der AIRA-Serie bietet Roland ein Portfolio besonders Performance-orientierter Klangerzeuger an, allen voran die Drummachine TR-8. Aber auch die anderen, üblichen Verdächtigen wie der Synth System-1, der 303-Clone TB-3, das Voice-Modul VT-3 und das “Performance”-Mischpult MX-1 konnten wiederholt mit ihrem integrierten Konzept punkten.
Aira-Effekte für Eurorack und stand-alone
Seit neuestem bedient der Hersteller das Eurorack-Segment, wobei die ersten Vorreiter dieser Sparte vom Effektmodul-Quartet Scooper, Demora, Torcido und Bitrazer gebildet werden. Dabei richtet sich Roland nicht nur an Besitzer dicker Modularsysteme, sondern fördert auch die unabhängige Nutzung der Geräte außerhalb des Racks – dazu aber später mehr.
Im Inneren arbeiten die AIRA Effekte allesamt digital und mit einer üppigen Auflösung von 24 Bit und 96 kHz. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich an den Ein- und Ausgängen der Module A/D- bzw. D/A-Wandler befinden, welche nach der Installation zugehöriger Treiber auch direkt von der DAW aus angesprochen werden können. Somit wird aus jedem Modul auch ein kleines Eurorack-Audiointerface.
Ziemlich identische Optik
Mit einer Größe von 106,6 mm x 58,3 mm x 128,4 mm (B x T x H) beansprucht jedes Modul genau 21 HP im Rack und lässt sich aufgrund der geringen Tiefe in allen gängigen Eurorack-Gehäusen verwenden.
Trotz klanglicher Differenzen und Funktionen teilen sie sich alle vier Module ein in etwa identisches Design. Die Gehäuse sind aus schwarzem Kunststoff, während die Frontplatte aus Metall gefertigt ist und alle Bedienelemente beherbergt. Diese Materialmix liefert ein recht attraktives Äußeres und ein geringes Gewicht von gerade einmal 320 g.
Flexibler USB-Port
Die Rückseite ist bei allen Modulen identisch: Neben der Netzteil-Buchse und dem Hauptschalter beherbergt sie auch einen USB-Anschluss vom Typ Micro B, worüber die Geräte mit einem Mac oder PC kommunizieren können. Ferner können die Effekte über den USB Port auch direkt mit dem Roland MX-1 Mix Performer synchronisiert werden.
Für die Verwendung im Modularsystem lassen sich die Module über ein mitgeliefertes Adapterkabel direkt an den 12V-Bus des Racks anschließen. Für den Stand-alone-Betrieb wird ein Netzteil mitgeliefert. Die Unterseite verfügt zudem über vier kleine Gummifüße, welche für eine rutschfeste Aufstellung im Stand-alone-Modus sorgen.
Aufgeräumtes Layout mit Griffer
Auf der Frontplatte sind neben den signalrelevanten Anschlüssen auch alle Bedienelemente in Form von Potis und Drucktastern untergebracht. Roland bezeichnet diese Drehregler als „Griffer“ bzw. als „GRF“ bei der Beschriftung auf der Hardware. Es handelt sich ja auch um keine fixen Parameter sondern um Variablen für die interne, digitale Signalverarbeitung. Mit einer Auflösung von 24 Bit – was in etwa 16 Millionen Abstufungen entspricht – ist „präzise Auflösung“ dabei wohl eher eine Untertreibung.
Die unterschiedlichen großen Regler bestehen allesamt aus Bakelit – einem Kunststoff, der sich gut anfühlt und auch hochwertig aussieht. Leider sind die darunter liegenden Achsen ebenfalls aus Kunststoff, was der Langlebigkeit und Stabilität auf langer Sicht nicht unbedingt zuträglich sein dürfte. Auch die Anschlussbuchsen wurden aus Kunststoff gefertigt, was angesichts des Einsatzes in einem modularen Umfeld – wo häufiges Umstecken ja bereits vorprogrammiert ist – etwas blauäugig erscheint. Die hintergrundbeleuchteten Drucktaster aus Hartgummi wiederum hinterlassen einen vergleichsweise stabilen Eindruck. Auch die eingravierte Beschriftung der Frontplatten dürfte selbst nach exzessiver Benutzung durchaus noch gut lesbar sein.
Anschlüsse
In Sachen Anschlussvielfalt gleichen sich die Module ebenfalls und so gibt es sowohl ein- als auch ausgangsseitig jeweils zwei 3,5 mm TS-Anschlüsse („Miniklinke“), wodurch alle Effekte sowohl in Mono als auch in Stereo genutzt werden können. Ein mit Volume beschriftetes Poti zwischen den Buchsen ermöglicht das stufenlose Regeln des Ausgangspegels.
Über eine weitere Miniklinke können Steuersignale der AIRA Modular Customizer App vom iPad oder Android Tablet empfangen werden. Die Parameter lassen sich durch CV/Gate wahlweise modulieren, wobei CV Inputs im Bereich von +/- 10V und ein Gate von +3V angelegt werden können. Mit Ausnahme des Scoopers kann die Intensität der Modulation der zwei Hauptparametern jedes Effektes durch einen separaten Drehregler individuell bestimmt werden. Dieser verhält sich damit wie ein Dry/Wet-Regler und ermöglicht auch dezentere Effekt-Einsätze. Das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten, weshalb wir uns die einzelnen Module nun noch einmal im Detail anschauen wollen.
SCOOPER
Das Scooper-Modul setzt sich – wie auch sein Name – aus den Funktionen „Scatter“ und „Loop“ zusammen. Das bedeutet, dass durch das Betätigen des „Rec/Play“-Tasters zunächst kurze Audiofragmente – bis zu 10 Sekunden am Stück – aufgenommen werden können, die anschließend intern in kurze Signalteile zerlegt werden. Die einzelnen Stücke können nun rhythmisch neu zusammengefügt werden, wobei die Abspielreihenfolge variabel ist.
An genau diesem Punkt setzen auch die beiden Parameter „Scatter Depth“ und „Scatter Type“ an, welche für die Art und Intensität der Neusortierung verantwortlich sind. Das gilt nicht nur für die Reihenfolge, sondern auch für die Abspiellänge und die Laufrichtung (normal oder reversed) des Signals. Beide Funktionen lassen sich via Gate ebenfalls modulieren, was je nach Geschmack abwechslungsreiche und auch komplett chaotische Sequenzen ermöglicht. Anschließend wandert das Signal durch einen ebenfalls modulierbaren Pitch-Effekt sowie einen vergleichsweise einfachen Low-Pass-Filter (ebenfalls modulierbar). Über den aktivierbaren Drucktaster (SYNC TRIG) kann der Aufnahme- und Wiedergabezyklus durch ein Gate extern gesteuert werden, wodurch sich die Loops z.B. während einer Performance einfacher und präziser erstellen lassen. Via „Scatter“ Taste lässt sich der Effekt außerdem manuell oder per Gate-Input auch global aktivieren bzw. deaktivieren.
TORCIDO
Trotz des etwas geheimnisvollen Namens handelt es sich beim Torcido um einen recht einfachen digitalen Distortion-Effekt. Über die „DIST“- und „TONE“-Parameter werden zunächst der Sound und die Stärke des Verzerrers bestimmt. Dabei lassen sich beide sowohl modulieren als auch über einen separaten „Level“-Drehregler in ihrer jeweiligen Intensität steuern. Daran schließt sich die „Tube Warmth“-Funktion an, welche den Sound einer Vakuumröhre emuliert. Der gesamte Effekt kann über „Dry/Wet“ ein letztes Mal in der Intensität angepasst werden. Auf den beiden Drucktastern befinden sich beim Torcido ein „LO BOOST“ als Gate-steuerbare Bassanhebung und ein globaler Bypass für den gesamten Effekt.
DEMORA
Mit dem Demora spendiert Roland seiner AIRA-Plattform ein modulares Delay. Dieses lässt über die Parameter „Time“ und „Feedback“ zunächst Eingriffe in den eigentlichen Effekt zu. Dabei fällt die Spanne für die mögliche Delayzeit mit einem Bereich von 20 Microsekunden bis 10 Sekunden sehr weit aus, was neben dezenten echoartigen Sounds auch drastische Delay-Orgien möglich macht. Anschließend kann das Effektsignal in der Stereobreite erweitert oder eingeschränkt werden. Die Mischung zwischen Inputsignal und Effekt lässt sich über einen separaten „Dry/Wet“-Regler präzise regeln. Zusätzlich stellt das Demora noch einen Buffer-Hold-Taster bereit, mit welchem die Delay-Fahne manuell angehalten und damit beliebig verlängert werden kann. Der Parameter ist dabei auch extern durch Gate ansteuerbar.
BITRAZER
Last but not least rundet der Bitrazer als klassischer Bitcrusher Effekt das Gesamtpaket ab. Neben der Möglichkeit Bitrate und auch Samplerate getrennt voneinander zu regeln, wurde auch hier ein Filter inklusive Resonance-Regler integriert, sodass sich die gewünschte Lo-Fi Charakteristik innerhalb eines kombinierten Effektweges abbilden lässt. Das Filter lässt sich via Drucktaster zwischen Lo- und Hi-Pass Charakteristik umschalten, wobei sich dieser Vorgang erneut auch via Gate steuern lässt.
AIRA MODULAR CUSTOMIZER
Der spannendste Aspekt der AIRA Eurorack Effekte dürfte aber ihre anpassbare interne Verschaltung sein, welche sich über den AIRA Modular Customizer verändern lässt. Das bedeutet im Detail, dass jedes Modul mit einer festgelegten Anzahl von kompatiblen und vor allem virtuellen Sub-Modulen daherkommt, die über die App neu verkabelt werden können.
Somit stellt die zuvor dargelegt Grundbelegung der Effekte nur einen einzelnen Zustand dar, der sich jederzeit beliebig verändern lässt. Aus einem Delay wird so auch schnell ein Chorus oder Flanger. Natürlich können die Standard-Konfigurationen auch nur subtil verändert werden, beispielsweise indem zusätzliche Filter oder LFOs in den Signalweg integriert werden. Diese Möglichkeit erweitert das Soundspektrum der Module deutlich!
Die eigenen Kreationen lassen sich im Anschluss als Presets abspeichern. Die getroffenen Einstellungen werden in Form von speziellen Audioimpulsen gespeichert, welche über eine Miniklinkenverbindung an den „Remote In“ Anschluss auf der Frontplatte die Steuerdaten an das Modul übertragen. Das ist vor allem für die Verwendung der iPad- bzw. Android-Version der App wichtig, da so der normale Kopfhörerausgang der Geräte für die Datenübertragung verwendet werden kann. Sofern die Module nicht im Rack verankert sind, lässt sich hierfür natürlich auch der USB Anschluss verwenden.
Zubehör
Zum Lieferumfang der AIRA Effekte gehört neben dem Modul auch eine gedruckte Bedienungsanleitung, ein Informationsblatt mit dem Titel „Using The Unit Safely“, Installationsschrauben für das Eurorack, ein paar Patchkabel sowie ein Netzteil inklusive Euro-Rack. Eins für den Stand-alone-Betrieb und eins für den Netzteilanschluss im Rack.