Praxis
Das der Fantom am Ende auch nur ein Computer wie jeder andere auch ist, zeigt sich am Bootvorgang, der von einer hübschen Startup-Animation flankiert wird. Nach ca. 42 Sekunden ist er hochgefahren und spielbereit. Dass es sich hier um einen Rechner handelt, wird auch an dem Punkt deutlich, als wir uns auf der Roland-Support-Seite umsehen, denn dort fand sich zum Zeitpunkt des Tests bereits eine Firmware-Version 1.10 während unser versandfrisches Gerät noch die 1.04 im Flash-Rom hatte. Folglich startete ich zunächst einmal den Download und die Installation des Updates, das stattliche 325 MB umfasst. Ich kenne komplette DAWs, die kommen mit weniger aus. Dabei ist die Update-Prozedur durchaus trickreich: Nachdem man die Dateien auf einen USB-Stick entpackt hat, gilt es den Fantom mit Stick im Memory-Port und gedrückter Write-Taste hochzufahren. Dann erfolgt zunächst ein Update von „board1“, was ungefähr zwei Minuten dauert. Hiernach gilt es den Stick in einen der drei USB-Hub-Ports zu verfrachten, woraufhin der Updateprozess weitere fünf Minuten vor sich hin werkelt – spannend.
Anfänglich schlendert man beim Erstkontakt mit dem Fantom natürlich automatisch durch die verschiedenen Szenen und lauscht begeistert den komplexen Klangepisoden, die hier ab Werk mitgeliefert werden. Praktischerweise sieht man bereits im Display – farblich und textlich markiert – ob sich dahinter nur Sounds, oder auch Patterns oder ganze Songs verbergen. Hören wir einmal in ein paar der Demo-Tracks rein:
Danach wird es Zeit sich mit dem Zone/Tone-Prinzip des Fantom zu beschäftigen: Am ehesten lässt es sich mit dem Routing moderner Digitalmischpulte vergleichen – sprich: Zone ist und bleibt Zone, welche der sechzehn Zonen allerdings aktiv sind, entscheidet man für jede Zone. Dabei lassen sich sämtliche Zonen begrenzen – sowohl anhand der Anschlagsstärke, wie auch vermittels Splitpunkt. Dazu lässt sich durch Drücken des „Zone“-Tasters zwischen einer Einzel-, Vier-, Acht- und Sechzehner Ansicht umschalten. Überhaupt gibt sich das Benutzerinterface des Fantom durchaus Mühe, den Anwender bei der hybriden Arbeit mit Touch-Display und Reglern zu unterstützen. Kontext-bezogen können die Encoder zum Scrollen, zur Werteauswahl und zum Bestätigen genutzt werden. Das führt in letzter Konsequenz allerdings auch zu Unsinnigkeiten wie, dass bei Parametern eine Auswahlliste aufgeht, wo man sich in Einserschritten durchscrollen muss und die Übernahme des Werts durch Drücken des Encoders bestätigen muss.
Glücklicherweise funktioniert die Parametereingabe an den meisten Stellen auch via Alpha-Dial-Rad. Im Detail wären Roland allerdings gut beraten gewesen, sich im Vorfeld der GUI- und Touch-Entwicklung einige Vertreter aus dem iOS-Umfeld anzuschauen. Elementare Touch-Grundfunktionen wie beispielsweise das „Nullen“ von Parametern beim Doppeltipp, oder das inkrementelle Verändern von Werten durch Drücken des Wertes und anschließendes Bewegen des Fingers, wurde hier nicht konsistent umgesetzt. Auch „anfassbare“ Equalizer-Punkte sollten 2019 eigentlich selbstverständlich sein, wenn schon ein Touch-Display integriert ist. Man erhält also ein bisschen das Gefühl, dass sich die Roland Entwickler nicht einig werden konnten, ob der Fantom nun vornehmlich via Touch- oder Regler-Eingabe bedient werden soll.
Während des Tests konnte ich jedenfalls feststellen, dass ich tendenziell mit dem klassischen Kurbeln und Drücken schneller bin, als mit Fingerstrichen auf dem Display. Auffällig ist auch eine gewisse Inkonsistenz in der Präsentation der Funktionen. So ist beispielsweise der Master EQ als grafische Repräsentation der Bänder ausgelegt, der Partial-Equalizer dagegen visualisiert die Regler des Equalizers. Es gab jedenfalls verschiedene Momente während des Tests wo ich mir dachte, dass es keine schlechte Idee wäre, wenn Roland noch mal ihr altes Konzept aus der S-Sampler-Reihe ausgraben würden – nämlich Mausbedienung und die Möglichkeit ein externes Display anzuschließen.
Erfreulicher wird es, wenn es ans Recording geht: Besonders die TR-Step-Eingabe mittels der 16 Lauflicht-Taster geht wirklich fix von der Hand. Programmiert man Drums, drückt man einfach die betreffende Taste und setzt danach die Trigger im Raster. Aber auch polyphone Spuren lassen sich so erstellen. Dazu drückt man einfach eine Note oder Akkord und danach den Taster der betreffenden Zählzeit. Ist ein Pattern mehrtaktig und kann nicht mehr auf einer Bildschirmseite angezeigt werden, kommt die Übersichtsanzeige am oberen Bildschirmrand zum Einsatz, wodurch sich auch mehrtaktige Figuren gut bearbeiten lassen. Vermisst habe ich hier lediglich einen simplen „Note-Draw“-Modus, wie man ihn von der DAW kennt. Auch das Realtime-Recording ist gut gelöst und bietet eine Vielzahl von Funktionen. Von der Aufnahme im Loop, über die Quantisierung während des Einspielens, bis hin zur rhythmischen Unterstützung beim Einspielen durch die Rhythmus-Sektion.
Haben die Pattern so ihren Weg in die Pattern-Ansicht gefunden, lassen sich Arrangement Ideen durch Antippen der einzelnen Clips vorhören. Dass so ein bewährter Workflow, wie man ihn beispielsweise auch aus Bitwig, FL Studio oder Ableton Live kennt seinen Weg in die Roland-Workstation gefunden hat, erweitert die Möglichkeiten des Keyboards natürlich gewaltig. Ich denke da insbesondere an Live-Setups, wo der Keyboarder sehr flexibel agieren kann. Denkbar wäre beispielsweise, dass er in den Szenen einzelner Songs Backup-Spuren der Mitspieler anlegt, um so – abhängig von Budget oder Verfügbarkeit – die Band zu unterstützen Auf Situationen wie „heute fällt Rüdiger am Bass leider aus, das alte Sehnenleiden“ oder „die Gage ist so mickrig, dass wir da nicht vollzählig auflaufen“, kann dann an der Schaltstelle Keyboard flexibel reagiert werden. Nicht ganz so geschmeidig wie bei den genannten DAWs ist das Handling der Clips allerdings beim Produzieren. Denn das sehr angenehme Arbeiten „im Loop“ – also ohne Stoppen der Wiedergabe wird beim Fantom unnötig oft unterbrochen. So stoppt beispielsweise die komplette Wiedergabe beim Löschen oder Speichern eines Clips. Auch internes Aufnehmen über den Sampler stoppt die Wiedergabe des Songs bei Beendigung der Sample-Aufnahme.
So prächtig sich die Effektausstattung des Fantom auf der einen Seite gibt, so spröde vollzieht sich das Einstellen der Parameter, denn man scrollt sich hier durch lange Werte-Listen. Besonders dann, wenn man einen Eintrag am Ende bearbeitet hat und hier nach wieder an den Anfang muss, leidet der Spaß am Klangschrauben doch deutlich. Vorsicht ist bei der derzeitigen Firmware auch beim Speichern von Tone-Programmen geboten, denn durch das Sichern während ich gleichzeitig noch spielte, ließ sich der Fantom gelegentlich zum Absturz bringen, bei dem er mit „hängender“ Note einfach weiter vor sich hin spielte und auch durch Drücken des Power-Tasters nicht zu einem Neustart zu bewegen war. Erst das Trennen vom Strom erweckte ihn dann wieder zum Leben. Hier ein kleiner Eindruck, wie sich mit dem Fantom arbeiten lässt:
Roland Fantom 8 Sound Demo (no talking)
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Mehr InformationenSpielhilfen
Als Performance- und Masterkeyboard verfügt das Fantom 8 über eine umfassende Ausstattung an Spielhilfen: Neben dem eingangs erwähnten Pitch/Modulation-Doppelpack, findet sich hier ein ausgefeilter Arpeggiator, der wirklich sämtliche Lauf-Optionen bereithält, die man sich vorstellen kann. Von aufwärts zu abwärts, von zufällig bis glissandierend, mit wählbarem Metrum, Shuffle, Akzent und Laufweite – sehr gut.
Gleiches gilt für für die Chord Memory-Funktion: Ganze 17 Skalen-Sets stehen hier auf Abruf bereit und reichen von Pop und Blues bis Jazz. Besonders spektakulär ist hier der „Rolled“-Modus, bei dem die Noten – abhängig von der Anschlagsstärke mit unterschiedlicher Geschwindigkeit – arpeggiert werden. Vermisst habe ich allerdings das ursprüngliche Chord Hold, bei dem man einfach einen Akkord vorgibt und den dann transponiert spielen kann. Eine lange Tradition hat bei Roland das Motion-Pad mit dem sich nahtlos zwischen Sounds überblenden lässt. Im Fall des Fantom lassen sich die vier Vektoren mit Zonen belegen und im Motion-Pad-Modus mit dem Finger durchfahren.
Klang
Der Soundvorrat ist wirklich gewaltig: geboten wird hier alles, was zum Standardinstrumentarium eines gut ausgestatteten Studio- und Live-Keyboards gehört: Pianos, Orgeln, Gitarren, Bässe, Chöre, Flächen, Streicher und Blasinstrumente (Solo/Ensemble) finden sich hier in Eintracht mit elektronischen Klangepisoden und Effekten. Das alles ist praktischerweise ab Werk bereits hierarchisch organisiert. So finden sich im Menü „Brass“ die Unterkategorien Ensemble, Synth und Solo. Ein bisschen Nachbessern sollten Roland hier bei der Responsivität des Alpha-Dial, denn beim Blättern in den Oberkategorien „springt“ die aktive Zeile etwas zickig. Klanglich spielt der Fantom besonders im Bereich synthetischer Klänge in der Premiumliga. Klar, hier kommen natürlich die Fähigkeiten der ZEN-Core-Engine voll zum Tragen. Auch die Pianos haben mir ausgezeichnet gefallen – ebenfalls kein Wunder, denn die V-Piano-Engine zeichnet sich auch bei den Stage-Pianos von Roland für einen durchsetzungsstarken, brillanten und – dank virtueller Engine – sehr anpassungsfähigen Klang aus. Die weiteren Naturinstrumente fallen dagegen etwas blasser aus, sind im Band-Kontext aber allesamt brauchbar. Etwas wenig Beachtung wurde beim Programmieren offensichtlich dem Aftertouch geschenkt, denn nur wenige der Presets machen davon Gebrauch.
Weitere Audiobeispiele zu Roland Fantom 8