Praxis
Bedienung des Roland GAIA 2
Beim Roland GAIA 2 kann man getrost von einer intuitiven Bedienung sprechen. Wer allerdings noch nie an einem Synthesizer mehr als den Filter-Regler bewegt hat, dem kann die üppig ausgestattete Oberfläche schon mal den Schweiß auf die Stirn treiben. Dabei muss man gar nicht so oft zur Shift-Taste greifen, um versteckte Funktionen zu erreichen. Ein nerviges Parameter-Diving bleibt einem erspart. Auch der Sequenzer ist einfach zu bedienen und groovt nicht an der musikalischen Idee vorbei.
Früher oder später drückt man einmal auf den Menü-Knopf, um System- oder Utility-Einstellungen vorzunehmen. Ein Backup oder der Import/Export von Sounddaten ist dort möglich. Auch in diesem Bereich von GAIA 2 fühlt man sich gut aufgehoben.
Trotzdem würde ein Editor, der hoffentlich wie beim Juno-X kostenlos über die Roland Cloud angeboten wird, einige Schritte – wie das Editieren von Sequenzer-Patterns oder das Organisieren von User Tones – nochmals vereinfachen.
Der Klang des Roland GAIA 2 – Oszillatoren und Filter
Ein Synthesizer lebt von seinen Oszillatoren und Filtern. Deshalb steigen wir gleich in die Praxis ein und prüfen anhand eines initialisierten Sounds, wie gut der Roland GAIA 2 im Test tatsächlich klingt. Hinzu kommen ein wenig Delay aus dem Multieffekt und ein bisschen Chorus. Die Phrasen der Audio-Demos wurden entweder live eingespielt oder im Sequenzer des GAIA 2 aufgenommen.
Für dich ausgesucht
Im ersten Durchgang durchlaufen wir einige Wavetables des GAIA 2 mit dem Position-Regler. Dabei entstehen viele hörenswerte Klangspektren, die den Synthesizer jenseits der virtuell-analogen Klänge so abwechslungsreich machen. Anschließend wird der Shape-Regler auf jede einzelne Wellenform des zweiten (VA-) Oszillators angewendet: Es ist erstaunlich, wie sich der Sägezahn oder eine andere Wellenform damit variieren lässt. Oszillator 2 und 3 sind alles andere als monotone Klanglieferanten.
Abschließend demonstrieren wir die Crossmodulation (XMOD) und spielen ein wenig mit den Pitch-Reglern des Roland GAIA 2.
Audiobeispiele
Filter, Multi-FX und Motion beim Roland GAIA 2
Eine Klangfärbung beim Roland GAIA 2 kann man bereits direkt mit der Amp-Sektion erzielen. Je nach Position des Tone-Reglers wird der Basissound sozusagen heller oder dunkler. Zudem verändern wir die Einstellungen der Amp-Hüllkurve ein wenig,
Das Multimode-Filter ist quasi universell einsetzbar. Bei hohen Resonanzwerten dünnt der Grundsound allerdings merklich aus. Wie sich das Filter konkret verhält, verdeutlichen zwei Phrasen mit unterschiedlicher Oszillatorwellenform und Flankensteilheit des Tiefpassfilters.
Gar nicht so langweilig ist der Multieffekt des GAIA 2. Wir lassen wieder den Sequenzer laufen und wechseln einmal den Effekttyp. Wenn wir schon bei den eher technischen Demos sind: Einige Motion Templates zeigen wir ganz klassisch mit Filter und Resonanz bei einem SH-101 Sound. Man muss nicht selbst über das XY-Pad wischen, sondern kann über 30 Templates aufrufen und sich von den jeweiligen rhythmischen Modulationen inspirieren lassen.
Audiobeispiele
Factory Sounds des GAIA 2 durchstöbern
Der Roland GAIA 2 liefert die meisten klassischen analogen und digitalen Synthesizer-Sounds (außer FM) in ansprechender Qualität. Druckvoll und teilweise mit gewollter Härte zeigen sich die Factory-Sounds des GAIA2. Ebenso erfreulich: Gehaltene Sounds reißen bei einem Soundwechsel nicht abrupt ab, sondern klingen weiter. Das unterstützt eine flüssige Live-Performance.
Wie unsere Auswahl an Klangbeispielen andeutet, bekommt man etablierte Sounds à la JP-8000 und TB-303 oder anderer Roland-Klassiker ebenso geboten wie extrem modulierte Digitalsounds, perlende Arpeggios und volle monophone Sounds. Statt Effekthascherei bietet der Synthesizer gut spielbares und musikalisch brauchbares Klangmaterial. Selbst traditionelle Klänge wie E-Piano, Marimba oder Orgel findet man im Soundangebot. Völlig neue Klangideen sind aber eigentlich nicht aufzuspüren.
Audiobeispiele
Roland GAIA 2 mit Model SH-101 erweitert
Noch mehr offenbart sich der Roland GAIA 2, wenn man die zahlreichen Preset Sounds der vorinstallierten Model Expansion aufruft. Wie schon bei den bisherigen SH-101-Emulationen von Roland zu beobachten, ist auch diese Expansion klanglich nah am historischen Original. Sie ergänzt den GAIA 2 durchaus sinnvoll, vor allem was druckvolle monophone Sounds angeht. Obwohl es keine vorprogrammierten Sequenzen gibt, integriert sich die Model Expansion zusammen mit dem Motional Pad gut in den Synthesizer.
Einige Preset Tones demonstrieren die klanglichen Qualitäten. Dennoch stehen viele Türen für eigene Klangkreationen offen – man sollte also keinesfalls auf den Presets herumreiten.
Der Ansatz, den Synthesizer per Model Expansion zu erweitern, ist gut. Allerdings können auch in Zukunft nicht alle Wünsche erfüllt werden. Mangels Audio-Input wird der Roland GAIA 2 nicht um einen Vocoder erweiterbar sein, was ihm eigentlich gut zu Gesicht stehen würde.
Audiobeispiele
Model Expansions für den GAIA 2 kaufen
Mit der VA- und Wavetable-Synthese sind die Möglichkeiten der Klangerzeugung noch lange nicht erschöpft. Über die Roland Cloud kann der GAIA 2 User zusätzliche Model Expansions erwerben: Jupiter-8, Juno-106 und JX-8P (für jeweils 149 USD). Außerdem gibt es Sound Packs für diese Vintage Synth-Emulationen von Roland. Für jeden Artikel erwirbt man einen lifetime key.
Wer die Roland Cloud nicht direkt über einen Computer nutzen möchte, kann alternativ über den WC-1 Adapter auf die Model Expansions und weitere Inhalte zugreifen. Beim Kauf des WC-1 erhält man zudem automatisch ein 12-monatiges Abonnement für die Roland Cloud Pro Mitgliedschaft. Dieser optional erhältliche Wireless Adapter Roland WC-1 kostet rund 100 Euro.
Das mit den Model Expansions ist schon eine feine Sache. Allerdings sollte man bedenken, dass man mit dem Roland GAIA 2 keine Sounds layern oder mit anderen internen Klangquellen kombinieren kann. In diesem Punkt sind Roland Juno-X oder Jupiter-X flexibler.
Roland GAIA 2 – das sind die Alternativen
Überraschenderweise gibt es nur wenige direkte Konkurrenten zum Roland GAIA 2. Gute Wavetable- und VA-Synthese in einem Keyboard um 1.000 Euro sind seltener als erwartet. Drei hervorragende Synthesizer sollte man aber zum Vergleich heranziehen: Korg minilogue XD, Korg Modwave und ASM Hydrasynth Keyboard.
Features | Roland GAIA 2 | Korg minilogue XD | ASM Hydrasynth Keyboard | Korg Modwave |
---|---|---|---|---|
Klangerzeugung | Wavetable+VA+ Expansion Model, SH-101 vorinstalliert | Hybrid, Analog und Digital, 2 VCO plus User Oszillator | Wavetable-Synthese mit drei Oszillatoren | Wavetable-Synthese, Import von User Wavetables |
Polyphonie | 22 Stimmen | 4 Stimmen | 8 Stimmen | 32 Stimmen |
Speicherplätze | 512 + 256 | 500 | 500 | 200, praktisch unbegrenzt viele Plätze |
Effekte | Multi-Effekt, Delay/Reverb, Chorus, Master EQ und Comp | Modulation, Delay, Reverb, Import von User-FX | Pre- und Post-Effekte_ EQ, Kompressor, Chorus, Delay, Reverb | PreFX, Modulation, Delay, Master Reverb |
Tastatur | 37 Tasten | 37 Mini-Tasten | 49 Tasten, Poly-AFTT | 37 Tasten |
Maße und Gewicht | 65,5 x 33,6 x 9,2 cm, 4,4 kg | 50,0 x 30,0 x 8,5 cm, 2,8 kg | 80,0 x 35,0 x 10,3 cm, 10,0 kg | 56,5 x 9,3 x 33,8 cm, 2,9 kg |
CV/Gate-Ausgänge | — | ja | ja | — |
Display | OLED | OLED | LCD (16 Zeichen) | OLED |
Software | Roland Cloud?? | Librarian | Sound Manager | Editor und Librarian |
Preis | 899 € | 626 € | 1.219 € | 629 € |
Bewertung im Test | 5/5 | 4,5/5 | 4,5/5 | 5/5 |
Produkt bei Thomann | Roland GAIA 2 kaufen (Affiliate) | Korg minilogue XD kaufen (Affiliate) | ASM Hydrasynth Keyboard kaufen (Affiliate) | Korg Modwave kaufen (Affiliate) |
Was unterscheidet die Alternativen?
Noch günstiger als der Roland GAIA 2 sind der Korg minilogue XD und der Korg Modwave, Sie liegen deutlich mehr als 230 Euro unter dem Preis des GAIA2. Der Minilogue XD bietet allerdings nur vier Stimmen und Slim-Tasten. Wenn es jedoch explizit um Wavetables geht, ist der Korg Modwave in Preis/Leistung unschlagbar. Richtig gut und individuell klingt er sowieso. Außerdem steht ihm ein Editor für den Import eigener Samples (4 GB) zur Verfügung. Das ASM Hydrasynth Keyboard besticht durch seine 49er-Tastatur, die auf polyphonen Aftertouch reagiert. Klanglich beeindruckt er, bremst aber den polyphonen Spaß mit acht Stimmen und kostet rund 300 Euro mehr als unser Testkandidat.
Alle diese Klangerzeuger haben überdies ihre ganz individuellen klanglichen Reize. Man sollte also entweder Äpfel und Birnen trennen oder sich einen Obstsalat gönnen und alle vier in der Tabelle aufgeführten Synthesizer kaufen.
DJ Del Monte sagt:
#1 - 11.10.2023 um 17:17 Uhr
Auf den ersten Blick eine interessante Erscheinung, auch wenn ich persönlich Silber nicht favorisiere. Manche hätten sicher die Fortsetzung des SW-Stils des GAIA 1 erwartet. Von den Funktionen sind auch etliche Möglichkeiten anderer Systeme nicht zu finden - wobei die Frage ist, wie weit man sich vom Modell 1 entfernen darf, ohne den Namen zu ändern. Was den Bericht angeht: Qualität, Art und Umfang der Wavetables (technische Details) sowie deren eventuelle Austauschbarkeit oder freie Programmierbarkeit durch den Benutzer bleiben hier etwas im Dunkeln. Dazu hätte man sich mehr gewünscht.
Matthias Sauer sagt:
#1.1 - 12.10.2023 um 10:38 Uhr
Danke für den Kommentar. Es sind 63 Wellensätze abrufbar. Das erste Audio-Demo zeigt eigentlich gut, was sie qualitativ bieten. User Wavetable-Import ist leider nicht vorgesehen. Evtl. kommt ein OS-Update für den GAIA 2, das den Wavetable-Sektor erweitert. Spätestens dann wird noch mehr zu erfahren sein. ✌️
Antwort auf #1 von DJ Del Monte
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