Praxis
SOUND
Der V-Synth GT 2.0 kann in allen Bereichen richtig gut zulangen. Zwei leicht verstimmte Rechteckwellen mit Suboszillator geben hier schon richtig viel Druck, wenn auch nicht so viel wie ein DSI Evolver oder ein Waldorf Blofeld. Das folgende Beispiel ist ohne weitere Effekte aufgenommen, also der “rohe” Oszillatorsound.
Mit den einfachen und den HQ-Wellenformen ist für jeden Geschmack etwas dabei: für den brachialen Geschmack die einen, ohne Aliasing die anderen.
Die Werks-PCM-Samples reichen von gut klingenden Drum-Loops zu eher quäkenden Stimm-Samples. Aber mit VariPhrase bekommt man aus JEDEM Sample etwas Gutes raus, und das ist nicht süffisant gemeint, sondern einfach toll. Nehmen wir wieder den erstbesten Drum-Loop der Werksounds. (->Beispiel #1)
Danach den D-Beam auf “Pitch” gestellt und aus der Bass-Drum wird eine Tabla (->Beispiel #2)
Das Time Trip Pad auf “Time Trip” gestellt und wir haben einen Plattenspieler mit dem Sample auf der Platte. Finger draufgelegt: das Sample bleibt stehen. Finger kreist im Uhrzeigersinn oder entgegen: das Sample spielt vor- und rückwärts. (->Beispiel #3)
Für dich ausgesucht
Im Unterschied zur Platte hört man allerdings den Sound des Samples an der Stelle, an der man es anhält. Man kann also genau die Bass-Drum ansteuern.
So, und jetzt nehmen wir zwei Loops und machen den „Phil Collins-Trick“: zwei Schlagzeuger spielen, der eine hält den Beat und der andere darf Spaß haben. Und dann gleiche nochmal brachial.
Wohlgemerkt: die beiden Oszillatoren sind zusammen nur ein Tone des V-Synth GT. Vier Schlagzeuger mit vier verschiedenen Samples, die aber alle das gleiche Tempo spielen – geht also auch.
Als nächstes bauen wir einen Pad aus einem Stimm-Sample. Zunächst das Sample, dann ohne VariPhrase, dann mit VariPhrase und Effekten.
Apropos Effekte: Mit COSM 1, 2 und den Tone-FX hat man knapp 100 davon zur Verfügung, aus denen man sich drei aussuchen darf. Am Ende noch Chorus und Hall drauf, da bleibt kein Frequenzbereich trocken.
Dass nicht alles immer perfekt funktioniert, zeigt die folgende, flatternde Hallfahne.
Und wo wir schon bei schlechteren Beispielen sind – so hört sich der gesampelte Werks-E-Piano-Sound an:
Aber der V-Synth GT 2.0 ist eben ein waschechter Synthesizer und kein Sample-Player. Deswegen kommt er ja auch mit einem D-Beam und nicht mit Zug-Reglern wie eine Orgel.
Hier die ersten 10 Factory-Patches im Schnelldurchlauf
AP-Synthese
Bleibt noch die AP-Synthese, die für mich leider ganz erhebliche Mängel aufweist. Zum Beispiel in Sachen Grundsound. Bei den uns weniger bekannten, exotischeren Instrumenten reicht ja vielleicht das Klischee eines Klangs, aber bei einer Geige fällt es schon auf, wie unecht der Sound klingt (-> Beispiel #1)
Da helfen auch keine Spielhilfen wie Vibrato und Legato. Mit der immer gleichen Vibratogeschwindigkeit und dem immer gleichen Einschwingvorgang hört sich das einfach wie eine schlechte Synthesizer-Geige an.
Beim Pizzicato klappt das schon viel besser, ich kann mir aber gut vorstellen, dass da mit einer anderen Wellenform gearbeitet wurde. (-> Beispiel #2)
Das dritte Beispiel ist für meinen Geschmack eigentlich nichts, wer aber auf pseudo-ethnisches Gedudel mit der Erhu steht: mit dem V-Synth kann man es machen! (-> Beispiel #3)
Was bietet der V-Synth GT als Performance-Synth?
Die zahlreichen Ein- und Ausgänge und die vielen, teils Roland-eigenen Spielhilfen lassen kein anderes Urteil zu als: Toll. Mit dem Time Trip Pad in Verbindung mit VariPhrase hat man einen Synthesizer mit Plattenteller. Das Time Trip Pad lässt sich allerdings nicht nur für Zeitreisen benutzen, sondern auch als X/Y-Matrix, die auch negative Werte beherrscht. Wie gut der Finger unter der brennenden Bühnensonne auf dem Pad gleitet, ist wohl eher eine grundsätzliche Problematik. Da man das Pad allerdings genauso wie das Display und den D-Beam kalibrieren kann, ist hier ein weiterer Pluspunkt dieses Arbeitstiers zu Protokoll zu geben. Denn so “Kleinigkeiten” wie die Kalibrierung sind keine Gimmicks, sondern echte Erleichterungen im Workflow – nichts ist ärgerlicher, als ein Touch-Screen, der nicht macht, was er soll. (Wohlgemerkt: Arbeitstier, nicht Luxus-Synthesizer.)
Auch mit dem D Beam lässt sich hervorragend spielen, und man entwickelt recht schnell ein gutes Gefühl dafür – im Gegensatz zu einem Theremin übrigens. Allerdings ist es ziemlich schwierig, nur mit einem der beiden Beams zu spielen – der andere mischt sich immer schnell und ungefragt mit ein. Wenn man aber die beiden Beams als einen benutzt: Klasse!
Nicht so klasse ist der Aftertouch, weil man gar keine Rückmeldung hat, wann er denn eigentlich anfängt. Das ist beispielsweise bei den Clavia-Tastaturen viel besser gelöst. Außerdem lässt er sich auch nicht so gut dosieren. Geprüft wird folgendermaßen: Aftertouch Oszillator-Tonhöhe kontrollieren lassen, dann fünf Minuten üben, ob man eine Tonleiter spielen kann. Beim V-Synth klappt das nicht.
Der Arpeggiator kann viel und macht Spaß. Hier noch mal das Geigen-Pizzicato, diesmal spielt aber der Arpeggiator:
Dass der Arpeggiator auch MIDI-CCs senden kann, eröffnet natürlich noch eine ganz andere Welt von Möglichkeiten, gerade im Hinblick auf die Steuerung externer Instrumente. Umso unverständlicher ist es aber, wieso man beim Multi Step Modulator nur aus einer (zugegebenermaßen langen) Liste von Modulationszielen auswählen kann. Überhaupt kann sich der V-Synth nicht entscheiden: Bin ich ein Synth, auf dem jeder, der kein Instrument spielen kann, jetzt plötzlich alles und ohne üben spielen kann…? Zum Beispiel dank AP-Synthese zum Geigen-Virtuosen werden? Oder mit dem Time Trip Pad zum versierten DJ?
Das funktioniert nämlich nicht, dazu ist dieser Synth viel zu kompliziert. Bildlich gesprochen: Der V-Synth sieht nicht nur so aus wie ein Flugzeugträger, man muss auch ein geübter Pilot sein, um auf ihm landen zu können. Aber dies ist kein Kritikpunkt, sondern liegt in der Natur der Sache. Um mit AP-Synthese eine gute Geige zu spielen, muss man erst mal ein guter Keyboarder und ein guter Musiker sein – nur so wird das zumindest musikalisch halbwegs glaubwürdig.
Sound Shaper II
Der Sound Shaper II soll die Bedienung des V-Synth GT erleichtern, und das macht er auf denkbare simple Weise: jeder Oszillator und die COSM-Effekte haben jetzt nur noch die wichtigsten vier Parameter, Tone-FX und nur noch drei Chorus/Reverb. Schlicht, wirkungsvoll und praktisch. Eine Morph-Funktion, Undo-Button oder Compare findet man leider nicht. Außerdem kann man auch nicht zwischen VA- und PCM-Oszillator wählen.
Wählt man, während man einen Klang spielt, ein anderes Filter, wird der auch nicht sofort dazugeschaltet, sondern man muss den Ton noch mal anschlagen. Erst danach kann man den neuen Effekt hören. Weil die zugewiesenen Regler sich aber nicht an die Werte anpassen, muss man erst mal an allen Regler drehen, damit sich Bildschirm und Regler synchronisieren. Man muss also noch ein drittes Mal anschlagen, um endlich Resultate zu hören. Das ist nicht der flotte Workflow, den man sich eigentlich erhofft hatte.
Auch beim Sound Shaper bleibt der Wert immer in der Mitte hängen. Das ist zum Programmieren vielleicht praktisch, einen durchgängigen Filter-Sweep bekommt man so aber leider nicht hin.
Polyphonie
Die maximale Polyphonie ist von Roland mit 28 angegeben. Tatsächlich haben sich beim „Init Tone“, der lediglich einen Oszillator und keine weiteren Effekte benutzt, nur 26 ergeben. Bei einem Sound mit zwei Oszillatoren, Oszillator-Modulation, zwei COSM-Effekten und einem Tone-FX ist dann schon bei acht Tönen Schluss, wobei immer der erste Ton „hinten runter fliegt“. Das kann dann schon mal der Bass-Ton sein, der doch unbedingt weiter klingen sollte.
Leider teilen sich die beiden Prozessoren die Arbeit nicht untereinander auf. Man bekommt also nicht mehr Stimmen, wenn man einen Tone ausschaltet.