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Roland VP770 Test

Details

Nach dem sehr schlicht gehaltenen VP-550 präsentiert sich der Nachfolger VP-770 als schicker, wertiger Synth. Die Seitenteile aus Holz erinnern an den VP-330. Das vom Phantom G bekannte, auffällige metallische Drehrad im Zentrum verleiht dem Gerät eine leicht futuristische Note. Alle Taster, Dreh- und Schieberegler verströmen Roland-typische Solidität.

Seit meinem ersten Synth, einem Roland D-10, bin ich Fan der Roland-Tastaturen und auch die 49 anschlagdynamischen und mit Aftertouch ausgestatteten Keys des VP-770 geben Anlass zur Freude. Das beleuchtete LCD-Display ist gegenüber dem VP-550 ein neues und herzlich willkommenes Feature. Es sorgt mit seinen 128 x 64 Pixeln nicht gerade für glänzende Augen, ist aber besser als nichts. Generell fällt auf, dass die Zahl der Controller im Vergleich zum Vorgänger deutlich gestiegen ist, und das ermöglicht erfreulicherweise mehr flotte Handarbeit. Zwei Details springen weiterhin ins Auge: Die in das Frontpanel eingelassene XLR-Buchse für das Mikrophon, deren Position die Anhänger von Schwanenhals-Mics beglücken dürfte, sowie eine leicht unstylisch wirkende Plastikklappe auf der linken Seite, hinter der sich ein Slot zur Aufnahme eines USB-Sticks (wird als 1GB-Variante mitgeliefert) verbirgt.

Natürlich darf bei Roland auch der D-Beam nicht fehlen, mit dem ich schon damals bei meiner V-Combo nichts anfangen konnte. Aber wer beim Spielen auf ein bisschen Eurythmie steht – nur zu.

Mit insgesamt 4 Klinkenausgängen, einem Kopfhörer-Ausgang, MIDI In und Out (auch für V-Link), 2 Anschlüssen für Controller-Pedale, 1 Hold-Pedal und einem Ext-In zum Anschluss externer Soundquellen ist die Konnektivität des VP770 sogar luxuriöser als erhofft.

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Nach dem optisch erfreulichen ersten Kennenlernen wenden wir uns dem Konzept des VP-770 zu, der sich schon dem ersten Anschein nach nicht darauf beschränkt, nur ein Vocoder sein zu wollen. Bereits der VP-330 konnte nicht nur den feinen Sound eines 10-Band-Vocoders produzieren, sondern hatte zusätzlich einen in verschiedenen Registern gestaffelten Chor- und Streichersound zu bieten. Alle drei Signale ließen sich layern und stufenlosen mixen, sodass der VP-330 aus allen Rohren der Flächensound-Kunst feuern konnte. Dem VP-770 merkt man diese Herkunft schon in seiner Bezeichnung als „Vocal & Ensemble Keyboard“ an. Deutlich sichtbar heben sich auf seinem Panel die Bereiche „Vocal Design“ (also der Vocoder) und „Ensemble“ (die weiteren Layersounds) voneinander ab.

Roland ist also diesem grundsätzlichen Prinzip treu geblieben. Offenbar hat man sich aber gedacht, dass sich mit einem solchen Instrument mehr Leute ansprechen lassen müssten, als „nur“ ein paar Elektro-Nerds. Deshalb wurde der VP-770 als (Vocal-) Allzweckwaffe konzipiert: Er bietet in der Ensemble-Sektion nicht nur Streicher- und Flächensounds, sondern alles Mögliche quer durch den Garten. Außerdem ist ein einfacher Looper an Bord, und über den USB-Stick lassen sicher sogar Soundfiles per Tastatur einspielen, wobei fast so etwas wie Ableton-Feeling aufkommt. Durchaus schillernd also, was Roland hier vorlegt.

Vocoder
Als erstes interessiert uns natürlich, was der VP-770 im Kerngeschäft zu bieten hat: dem Vocoder-Sound. Praktischerweise ist gleich ein Headset-Mikrophon beigelegt. Also kein langes Ständer-Aufbauen etc., sondern einfach das Ding auf den Kopf setzen (sieht ein bisschen aus wie im Call-Center), einstecken und los. Das Mikro klingt überraschend gut und es ist keinesfalls so eine Alibi-Beigabe aus Plastik wie bei einem kleinen Vocodersynth der Konkurrenz … Zwar wird man damit keine Design-Preise gewinnen, aber es sitzt gut auf dem Kopf, hat ein praktisches langes Kabel mit XLR-Stecker, und das Mikro selbst ist sogar mit einem Popschutz versehen.

Nicht weniger als 26 verschiedene Vocoder-Sounds bietet der VP-770. Roland hat sie für uns auf die Kategorien „Classic“, „ Male & Female“, „Gospel“, „Pop“, „Background“ und „Vocoder“ verteilt, denen jeweils ein Taster zur schnellen Anwahl gewidmet ist. Den einen oder anderen wird die letzte Gruppe vielleicht stutzig machen, schließlich handelt es sich doch bei allen Sounds um „Vocoder“, oder? Richtig. Der Grund für diese Bezeichnungen liegt wohl in der vorhin bereits erwähnten generellen Ausrichtung. Der VP-770 soll nicht nur ein nerdiger Vocoder-Synth sein, sondern versucht auch den Alleinunterhalter glücklich zu machen, der sich schon immer ein wenig Take 6 bei seiner Performance gewünscht hat. Dieser Richtung hat sich der VP-770, wie es scheint, sogar noch mehr verschrieben als sein Vorgänger VP-550. Insofern teilen sich die Sounds in der Vocoder-Sektion in eine Art Chor-Imitation (klassisch, Pop, Gospel etc.) und die Nerd-Fraktion („Vocoder“), in der es dann so richtig nach Oldschool klingen soll.

Bevor wir dem Gerät endlich den ersten Ton entlocken, noch ein Wort zum Bedienkonzept: Ich finde es, offen gestanden, nicht sonderlich gelungen. Zwar sind die vielen Controller sehr zu begrüßen, und auch die Aufteilung in Vocoder- und Ensemble-Sektion, die sich durch Drücken eines der Taster ein- und durch erneutes Drücken einfach abschalten lassen, ist sinnvoll und leicht nachvollziehbar. Irgendwie aber scheint der Übergang vom displaylosen VP-550 nicht ganz geglückt, sodass man weder auf alle Parameter direkten Zugriff hat noch eine richtig runde Display-Lösung vorhanden ist. Ein Beispiel: Zwar kann man mit dem fast schon riesigen Value-Rad schön herumkurbeln. Will man sich aber in den Menüs bewegen, muss man die etwas unhandlich um das Rad herum gruppierten Pfeiltasten bemühen. Hat man dann den gewünschten Eintrag erreicht, wäre für „Ok“, oder „Bestätigen“ immerhin eine Tasterfunktion des Jog-Wheels schön gewesen. So ließe sich das relaxed auf kleinem Raum erledigen. Diese aber sucht man vergebens und muss zur etwas unmotiviert platzierten und auch seltsam benannten „F2“-Taste unterhalb des Displays greifen. Intuitiv ist anders!

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Zweites Beispiel: Hinter den Gruppen-Tastern in der Vocoder- und Ensemble-Sektion verbirgt sich nicht nur jeweils ein Sound, sondern gleich mehrere – in der so wunderbar präzise betitelten Kategorie „Others“ sind es bei den Ensemble-Sounds gleich 18 Stück, bei den „Brass“-Sounds sogar 24. Und die wollen ja irgendwie angewählt werden. Roland hat sich das so gedacht, dass man eine „Shift“-Taste gedrückt hält und gleichzeitig den Taster der jeweiligen Gruppe betätigt. Dies geht im Falle der Vocoder-Sektion sogar einhändig, bei den Ensemble-Sounds bräuchte man aber schon Klitschko-Hände. Ist das vollbracht, tut sich im Display eine entsprechende Liste auf. Das heißt: Shift-Taste und Gruppen-Taster (womöglich beidhändig), dann Auswahl aus der Liste per Pfeiltaste oder Jog-Wheel. Zwar hören wir so dann schon den neuen Sound (Sounds sind also nicht vorwählbar), richtig echt ausgewählt ist er aber erst, wenn wir auch noch unsere neue Lieblingstaste „F2“ gedrückt haben. Damit mussten wir nicht weniger als 4 Bedienelemente bemühen, um an unseren Sound zu kommen. Und dass man überhaupt Shift betätigen muss, um an das verborgene Glück zu gelangen, darauf muss man erst mal kommen. Warum uns z. B. das Display nicht gleich eine Liste präsentiert, sobald wir die Gruppe anwählen, das wird Rolands Geheimnis bleiben. Freude macht das Ganze jedenfalls nicht. Und dabei wäre bei lediglich 16 Speicherplätzen für unsere eigenen Soundkreationen (dazu später mehr) der schnelle Zugriff ein absolutes „Muss“ gewesen.

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