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Roli Block Seaboard Test

Praxis

Um das Seaboard Block (und alle anderen Seaboards auch) richtig zum Einsatz zu bringen, gilt es zunächst einmal zu verstehen, wie es funktioniert. Grundsätzlich hat man immer die Möglichkeit, es via “Dashboard” als einfachen Midi-Controller zu schalten. Dann sendet es auf einem Midi-Kanal seine Steuerinformationen und kann wahlweise als polyphones Keyboard oder – im Glide-Modus – als monophones Steuergerät agieren. Möchte man aber die polyphonen Kontrollmöglichkeiten nutzen, enden die Möglichkeiten, die ein einzelner Midi-Kanal bietet. Klar, denn ein Pitchbend-Kommando zum Beispiel betrifft defenitionsgemäß ja sämtliche gespielte Noten innerhalb eines Midi-Kanals.
Das Zauberwort lautet hier“MPE” – MIDI Polyphonic Expression. Eine von der der MMA (MIDI Manufacturers Association) offiziell bestätigte Übereinkunft, die vorsieht, dass jede gespielte Note ihren eigenen Midi-Kanal bekommt, um entsprechend jeder einzelnen Note sämtliche Midi-Artikulationen eindeutig zuordnen zu können. Man kann sich also mit etwas Mühe, sein eigenes MPE-Device bauen, indem man im Dashboard den Bereich der Midi-Kanäle eingrenzt, die das Seaboard für seine Stimmen nutzen darf und im Anschluss in der DAW für jede Stimme ein Plug-In aufmacht. Das ist in der Praxis allerdings eher der steinige Weg. Schöner ist es natürlich, wenn DAW und Plug-Ins den MPE-Standard direkt unterstützen und glücklicherweise wächst die Liste MPE-kompatibler Hard- und Software ständig.

Fotostrecke: 4 Bilder Praktisch: “Dashboard” weist auf Firmware-Updates hin und führt diese automatisch durch. (Foto: Numinos)

Um direkt nach dem Auspacken loszulegen, liefern Roli eine ganze Reihe von Software-Downloads. Wir beschränken uns hier auf lediglich zwei: Zum einen die kostenfreie iOS-App “Noise”, ein Komplettpaket aus Klangerzeugung und Sequenzer, das sich insbesondere für den Verbund mehrerer Blocks empfiehlt. Zum anderen das Synthese-Plug-In „Equator“, das im Fall des Seaboard Block allerdings nur in der Player-Variante verbundelt ist. Wer sich über die Funktionen von „Noise“ informieren möchte, dem empfehle ich an dieser Stelle noch mal den Gesamttest der Blocks zu lesen, den ihr hier findet.

Noise

Innerhalb von Noise bewegt man sich in im Wesentlichen in zwei Ansichten: Der Song-Ansicht, die in der linken Hälfte ein 4 x 4-Raster aus Clips der vier möglichen Instrumente enthält und rechts einen rudimentären 4-Kanal Mischer bereithält. Tippt man auf einen leeren Clip, landet man in der Instruments-Ansicht, wo man zum einen auswählt, ob man im Lightpad-Grid oder auf der Seaboard-Oberfläche spielen will. Danach wählt man den gewünschten Sound im Sound-Browser aus. Die Grundausstattung an Sounds – bei Roli “Fundamentals” genannt – ist eher bescheiden. Offenkundig möchte der Hersteller den Käufer zum Besuch im Soundpack-Store bewegen. Dort finden sich neben kostenpflichtigen Bundles namhafter Künstler auch eine ganze Reihe kostenloser Add-Ons. Ich habe für den Test das Saxophon-Pack des Drittherstellers “SWAM” für 10,99 EUR im App-Store geordert und war hellauf begeistert: Die acht Saxophon-Varianten (Sopran, Tenor, Alt, Bariton, jeweils “Hard/Soft”) klingen ausgezeichnet und verfügen – in Verbindung mit den haptischen Möglichkeiten des Seaboard – über eine sensationell gute Spielbarkeit. 
Fotostrecke: 8 Bilder Alles bei Roli läuft über das Benutzerkonto. (Foto: Numinos)

Tatsächlich wird mit diesen Sounds deutlich, dass mit dem Seaboard authentische Intonationen und Phrasierungen spielbar werden, die außerhalb der westlichen Standards liegen. Das dürfte besonders für Ensembles und Solisten, die Musik des Nahen Ostens aufführen, hochinteressant sein, da orientale Ausdrucksmöglichkeiten beim Großteil aller Keyboards und Synthesizer (bis auf wenige Ausnahmen), nach wie vor ein wenig beachteter Bereich sind. Hier mal ein dezenter Anklang dessen, was hier möglich ist:

Das Problem von Noise ist allerdings, dass es von Roli gewissermaßen als Standalone-Tool zum Basteln kleiner Track-Ideen (bevorzugt mit fertigen Loop-Grooves) angelegt ist: Bis auf die Ableton-Link-Funktion zur Synchronisation mit der DAW und dem Upload von Stücken auf das Portal “NOISE.fm”, gibt es keine Möglichkeit zum Aufnehmen von Audio, Midi oder irgendeiner Form der Einbindung in Studio-Setups. Auch entstehen in Noise, und gerade wegen der dynamischen Steuerung mit Seaboard und/oder Lightpad, recht interessante und ungewöhnliche musikalische Strukturen.

Audio Samples
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Noise: Ice Keys Noise: Glass Synth Noise: Warm Pad Noise: Classic D-Lead

Und vielleicht nimmt man diesen Nachteil auch einfach als Vorteil an und denkt in instrumentaler Richtung (Recording = Verbindliche Entscheidungen treffen): Ein Saxophonist ist ja auch nicht midifiziert, sondern man nimmt ihn auf. Ich jedenfalls habe die Zusatz-Sounds von “SWAM” und die Spielmöglichkeiten des Seaboards als so großartig empfunden, dass ich mich entschlossen habe, auf Midi zu pfeifen und bestimmte Linien einfach – von Hand gespielt – direkt in der DAW aufzunehmen. Wer es etwas schlanker haben möchte, der greift zu Seaboard 5D, was im Grunde genommen eine ausgekoppelte Player-Engine aus “Noise” ist. Leider sind die Soundpacks nicht kompatibel.

Seaboard 5D ist eine reine Player-App, die leider nicht mit Noise kompatibel ist. (Foto: Numinos)
Seaboard 5D ist eine reine Player-App, die leider nicht mit Noise kompatibel ist. (Foto: Numinos)

Equator Player 

Ebenfalls mit im Software-Bundel des Seaboard Block befindet sich eine Player-Version von Rolis ausgezeichnetem Equator-Synthesizer. Die Player-Variante ist, wie der Name schon sagt, eine weitgehend abgespeckte Version, die vornehmlich den Browser und eine Ansicht auf die Macro-Parameter enthält. Auch die Preset-Sammlung ist mit dreißig Sounds eher als mau zu bezeichnen. Im Standalone-Modus lief das Programm fehlerfrei, als Plug-In innerhalb von Ableton Live 10 versagte es allerdings den Dienst, da es sich auf Midi-Kanal eins angesprochen fühlte, gleichwohl sich das Seaboard im MPE-Modus befand. Da es sich hier ohnehin um eine kostenlose „Schnupper“-Dreingabe handelt, lasse ich das aber aus der Wertung raus – es geht ja schließlich um das Seaboard an sich.
Fotostrecke: 2 Bilder Schmucklos aber funktional: Der Equator-Player. (Foto: Numinos)
Audio Samples
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Equator-Player: Strings And Horns Equator-Player: Polyrhythmic Loops Equator-Player: Dynamic Polysynth Equator-Player: Classic D-Lead

Nutzung als Midi-Controller

Kommen wir zum Einsatz des Seaboards als Midi-Controller. Roli liefern zum Entwickeln von Mappings eine eigenständige Software namens “Dashboard”, die auf PC und Mac läuft. Hier lassen sich alle Blocks verwalten und ihre Funktionen festlegen. Im Falle des Seaboard hat man die Wahl zwischen den Voreinstellungen: MPE (Standard zur Kommunikation mit MPE-fähiger Software), Multi-Channel (genutzte Midi-Kanäle können eingegrenzt werden), Piano (Seaboard sendet auf nur einem Midi-Kanal) und Single-Channel (Glide aktiviert). Stellt man das Seaboard auf Single-Channel Betrieb und begnügt sich mit monophonen Linien, lässt sich von den Ausdrucksmöglichkeiten einigermaßen gut Gebrauch machen. Hier ein Beispiel, bei dem ich mit dem Seaboard einen einfach Mono-Synth in Abletons “Wavetable” steuere, und Aftertouch auf Lautstärke und Filter wirken lasse:
Audio Samples
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Ableton Live: Wavetable Solo Synth

Weniger erfolgreich dann der Versuch, bei mehrstimmigen Spiel die Lautstärke durch Aftertouch zu befehligen. Hier resultiert der ankommende Schwall an Midi-Daten, trotz aktiviertem Piano-Mode, offenkundig in zitterigen Parametersprüngen:

Audio Samples
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Ableton Live: Polysynth

Abschließend habe ich mir exemplarisch noch das Demo-Setup für eine echte MPE-Unterstützung innerhalb von Ableton Live angeschaut: Hierzu muss man einen leeren “Empfangskanal” anlegen, der seine Midi-Noten dann auf Einzelkanäle entsprechend der gewünschten Anzahl Stimmen verteilt. Diese Vorgehensweise ist allerdings ausgesprochen unpraktisch dazu aufwändig, und dürfte in der täglichen Produktionsarbeit nicht, oder nur in sporadischen Einzelfällen vorkommen.

So sieht das MPE-Template in AL aus: Das dürfte der Freude am polyphonen Spiel eher abträglich sein. (Foto: Numinos)
So sieht das MPE-Template in AL aus: Das dürfte der Freude am polyphonen Spiel eher abträglich sein. (Foto: Numinos)

Spielpraxis

Grundsätzlich erfordert das Spiel mit dem Seaboard eine nicht zu unterschätzende Eingewöhnung: Es dauert seine Zeit, bis die Finger (und damit auch das Gehirn) sich mit den erhabene Tasten vertraut gemacht haben. Und auch das – im Wortsinn – “Begreifen”, dass die tiefer liegenden Bereiche die Fortführung der schwarzen Tasten sind, benötigt einiges an Übungsarbeit. Ganz zu schweigen von den Themen polyphoner Aftertouch, Positionserkennung auf der Taste und Pitchbend, denn das sind haptische Ausdrucksmöglichkeiten mit denen man – auch als routinierter – Keyboarder höchstwahrscheinlich noch nie zu tun hatte. Kurz: Das Seaboard will wie ein Instrument neu erlernt werden. Man startet zwar nicht bei null, weil die grundsätzliche Orientierung gegeben ist, bis zur Virtuosität braucht es aber seine Zeit. 
Was mir beim Praxistest schon nach kurzer Zeit auffiel: Man kann auf dem Seaboard Block verdammt schnelle Läufe spielen – schneller als mit “normalen” Keyboards. Das liegt ein bisschen an den kleinen Abständen zwischen den Tasten, aber mehr noch am Prinzip, denn hier drückt man ja nicht, sondern tippt einfach nur auf die Sensorfläche, deren Silikonoberfläche den Fingen zudem noch einen kleinen “Rebounce” mit auf den Weg gibt – hervorragend.
Überhaupt will man, entsprechend responsiv programmierte Sounds vorausgesetzt, das Spiel mit dem Seaboard schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen: Besonders beim Einspielen von Naturinstrumenten hat man hier Ausdrucksmöglichkeiten direkt unter den Fingern, für die man sonst stundenlange Automationssessions einplanen müsste.
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