Praxis
Unwürdige Mikrofonklemme
Die dem Royer Labs R-122 MKII beigefügte Mikrofonklemme funktioniert. Sie klemmt das Mikrofon. Das war es auch schon an positiven Nachrichten über dieses Ding. Ehrlich: Ein edles amerikanisches Bändchenmikrofon muss mit einer derartigen Halterung Vorlieb nehmen? Nun, Halterungen zählen nicht zu den Kernkompetenzen von Royer, auch die elastischen Halterungen sind eher schwacher Standard. Man ist gut beraten, sich ein Rycote-Modell zuzulegen, das den Metalltubus ordentlich festklemmt, aber wirklich wünschen würde ich mir eine würdigere Lösung, eventuell mit Innengewinde im Fuß, wie man es von vielen Großmembranern her kennt. Nun ja.
Frischzellenkur?
Mein kleiner Groll verfliegt aber, nachdem ich mit einigen Signalen die kleine Aluminiummembran gekitzelt habe und mir von Lautsprechern und Kopfhörern bestätigen lasse, wie genial dieses Mikrofon klingt. Typisch für ein Royer ist es verdammt schnell und kann die für diesen Empfänger- und Wandlertyp wesenhafte Wärme und Sämigkeit mit enormer Transparenz verbinden. Dies gelingt ausschließlich den hochwertigen Ribbons der bekannten Markenhersteller. Akustikgitarren werden fein und wohlig aufgezeichnet, es ist tatsächlich sehr schwer, einen beißenden oder spitzen Sound zu erzielen. Natürlich: Im Nahbereich gilt es, vorsichtig zu sein, um Überbassung zu vermeiden, doch erlaubt es gerade das 122 MKII, ein paar Zentimeter näher zu rücken, da auf der anderen Seite des Spektrums der Boost in den absoluten Höhen wartet. Es gibt ihn nicht nur auf dem Papier, er ist sofort zu hören und ist mit verantwortlich für den frischen, offenen Klangcharakter des Royer. Ist es in den Tiefen dennoch zu viel, ist das HPF definitiv zu empfehlen. Bis man sich davon überzeugen kann, wie unmanipulativ es das Klangbild verändert, muss man jedoch – so zumindest in meinem Falle – ein wenig hin- und herrennen, um einen Kugelschreiber, einen Uhrmacherschraubendreher oder eine Büroklammer ausfindig zu machen, mit welcher sich der versenkte Schalter betätigen lässt. Sicher, ich mag auch keine Schieberegler, die sich schon im Luftzug der Klimaanlage von selber zu bewegen drohen, aber so dermaßen kompliziert mag ich es dann auch nicht.
Vocals? Wo sind Vocals?
Das Royer R-122 MKII ist ein „Instrumentenmikrofon“, so zumindest der Eindruck, der entsteht, wenn man sich auf der Webseite unter „Applications“ umsieht. Gesang fehlt. Voice-Over und Chöre sind angegeben, aber ich bin wirklich begeistert von der Eignung als Studio-Gesangsmikrofon. Man sollte sicher nicht den Fehler machen, allzu nah zu mikrofonieren, aber das gelingt deutlich besser als bei vielen anderen Mikrofonen. Es positioniert sich klanglich zwischen beliebten Tauchspulenmikrofonen wie dem Shure SM7B, ist aber detaillierter, klarer und dementsprechend weniger verzeihend. Die Auflösung und Höhendarstellung kommt sogar Kleinmembran-Kondensern recht nah, ohne dass man Gefahr läuft, ein zu „kantiges“ und „eckiges“ Klangbild zu erhalten.
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Muss es aktiv sein?
Sicher, viele Eigenschaften des 122 MKII sind auf die Tatsache zurückzuführen, dass in das Mikrofon eine Verstärkerschaltung integriert ist. Das ist zweifelsohne praktisch, doch bin ich persönlich kein ausgewiesener Freund davon. Ich mag es sehr, mit dem Preamp größere Einflussmöglichkeiten zu haben. Will oder muss ich doch zusätzlich vor dem eigentlichen Preamp verstärken, helfen mir die Triton FetHeads, das sind kleine Barrels, die ihren festen 20dB-Hub mit der Phantomspeisung des Mikrofon-Vorverstärkers bewerkstelligen. Auch RJ Cloud baut mit seinem Cloud Lifter vergleichbare Geräte, darunter sogar eines mit variabler Impedanz! Aber gut, wer wie ich die passive Lösung bevorzugt, wird im Royer-Portfolio ja auch fündig.