Praxis
Meine Befürchtung, bei aller Modernisierung könnte es sich auch mit dem typischen, sympathischen Bändchensound erledigt haben, haben sich sofort erübrigt, nachdem ich eines der beiden SF-2 an den Mikroständer gefesselt habe und den Sänger eine kleine Linie habe singen lassen. Ganz klar: Das Royer kann mit den Eigenschaften kokettieren, die Bändchen so beliebt machen: Es klingt sanft und leicht sahnig, ohne aber zu stark zu verschmieren. Gleichzeitig klingt es schön breitbandig und nicht beengt – eben ein wenig moderner.
Die Feldeffekttransistor-Schaltung arbeitet angenehm rauscharm, der Dynamikumfang und die Geschwindigkeit des Mikrofons sind absolut hervorragend – das SF-2 macht ordentlich Lust auf laute Quellen! So hat es beispielsweise am Altsaxophon selbst bei geringerem Mikrofonierungsabstand hervorragende Dienste erwiesen – am Preamp sind es gefühlte 20 dB, die man das Gain im Vergleich zu anderen Bändchen weniger aufreißen muss. Der Frequenzgang des Royer hat die Reibungs- und Strömungsgeräusche des Holzblasinstruments ein klein wenig zurückgenommen, ohne das Instrument plump wirken zu lassen. Und: Unter “Höhenarmut” leiden die Ribbons deswegen noch lange nicht!
Die meisten Bändchen nutzen die Möglichkeit einer sehr offenen Konstruktion aus und sind daher echte Druckdifferenzempfänger. Ohne weitere Maßnahmen hat ein solcher Gradientenempfänger die Richtcharakteristik Acht. Bei diesem Konstruktionsprinzip ist das Polar Pattern sehr frequenzkonstant, was ich auch beim Royer SF-2 bestätigen kann. Es ist daher naheliegend, zwei der Mikrofone zu verwenden und eines der Stereoverfahren zu nutzen, welche mit dieser bipolaren Richtcharakteristik erzeugt werden können. Dies ist einmal die MS-Technik, bei der ein Achtermikrofon quer zur Mittenachse liegt und das Mittenmikrofon jede erdenkliche Charakteristik haben kann (also auch Acht). Beliebt (und meist verdammt gut klingend!) ist neben verschiedenen Äquivalenzverfahren vor allem das Blumlein-Stereo (“Stereosonic”), also zwei zu 45° aus der Mitte verdrehte Achter, die idealerweise in einem Punkt liegen. In der Praxis setzt man zwei Mikrofone also übereinander, was im Falle der SF-2 sehr gut funktioniert: Die Gehäuse sind oben abgeflacht, es ist also ein leichtes, das obere Mikrofon kopfüber auf das untere aufzusetzen und nach der gelungenen Ausrichtung ein wenig in der (leider eher “preiswert” wirkenden) Spinne nach oben zu bewegen – schließlich sollen sie sich nicht berühren. Ich hätte mich allerdings über optische Hilfen in Form von Strichen oder Punkten sehr gefreut – je nachdem, wie die Royer in ihrer Spinne hängen, ist es teilweise sogar umständlich, die Seite auszumachen, deren Besprechung zuerst einen positiven Ausschlag im Signal erzeugt – also “vorne”.
Die Mühe lohnt sich aber in jedem Fall: Belohnt wird man im Stereobetrieb zusätzlich zum sowieso schon ausgewogenen und schmeichelnden Klangbild mit einer hohen Präzision bei der Ortung. Einen Unterschied zwischen den beiden Testmikros konnte ich nicht ausmachen, was ebenfalls zur messerscharfen unkonturierten Darstellung beiträgt. Die Akustikgitarre meines bonedo-Kollegen Robby Mildenberger wird von den beiden SF-2 hervorragend dargestellt, und zwar im Blumlein- und MS-Verfahren und sogar im Faulkner-Array. Die feinen Texturen des Instruments werden nicht glattgebügelt, aber dennoch hat das resultierende Signal diese angenehme Weichheit, für die Bändchen so geliebt werden. Anders als viele andere Ribbons, besonders diese der Vintage-Firmen AEA und Coles, klingen die SF-2 jedoch etwas weniger wohlig-warm. Im Bassbereich könnte es mir in manchen Situationen etwas zu verhalten sein. Wäre es eine Produktion und kein Test gewesen, hätte ich letztlich wahrscheinlich ein MS mit einem anderen Mittenmikrofon verwendet. Im Test war die Kombination aus einem Royer (S) und einem Druckempfänger (DPA 4009) als M einfach nur umwerfend – aber auch nicht gerade preiswert.
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Auch am Drumkit konnten die Royer überzeugen, ich hatte ein Blumlein-Overhead, welches wie gewünscht den (in diesem Fall recht preiswerten) Becken und der Snare ihre Spitzigkeit genommen hat. Ein Shoulderhead mit etwa einem Meter Breite klang jedoch noch einmal angenehmer, ließ bei mir aber den Wunsch nach dem “Big Sound” mit Coles 4038 aufkommen – aber das ist Geschmackssache.